Metaphysik und Transzendenz

 

Die Welt ist da; aber wir verstehen sie nicht. Sie liegt vor unseren Füßen; doch wissen wir nicht, wer sie dort hingestellt hat. Wir gestalten sie weit möglichst nach unseren Wünschen, können aber nicht ausschließen, dass es sich bei ihr um eine kollektive Illusion handelt, ein Gaukelspiel, nur dazu gestrickt, unsere Sinne und Gedanken zu verwirren. Im Gegensatz zu Descartes denke ich, dass nichts sicher ist, weil wir nicht sicher sind! Das ist jedoch nicht oder nicht in erster Linie ein Problem der materiellen Wirklichkeit, sondern der Beschränktheit unserer Wahrnehmungs- und Verstandesressourcen.

Die enorme zeitliche und räumliche Ausdehnung des Kosmos, die komplizierten Mechanismen, die auf jeder Ebene der physikalischen Existenz - bei den Himmelskörpern, den Werkstoffen, den Atomen und subatomaren Teilchen - ineinandergreifen müssen, um die gegenwärtige uns so facettenreich erscheinende Wirklichkeit auszubilden: dies alles trägt nicht unbedingt dazu bei, das Vertrauen in eine in sich konsistente und hermetische Welt zu stärken, und begünstigt die häufigen metaphysischen und teilweise irrationalen Anwandlungen des menschlichen Geistes, der von all der ihn umgebenden Komplexität eigentlich überfordert ist und aber gern doch Licht in das Dunkel seiner Existenz bringen würde. Zuweilen wird sogar argumentiert, das Vorhandensein des metaphysischen Denkens stelle lediglich eine Volte der Evolution dar, weil es zu schnelleren Entscheidungsfindungen führe als das sorgfältige Abwägen kausaler Sinnzusammenhänge, und daher in manchen Situationen, wo es auf Schnelligkeit ankomme, einen biologischen Überlebensvorteil.

Ontologie, Wissenschaft und Erkenntnistheorie häufen beträchtliche Mengen von Einsichten, Wissen und Erfahrung auf, aber sie sagen immer nur, das und das funktioniert so und so oder bestenfalls, es lässt sich auf das und das zurückführen oder für diesen oder jenen Zweck verwenden, ohne aber bisher letzte Urgründe des Weltgeschehens aufgefunden zu haben. Die Welt verbirgt sich vor uns, nicht nur, indem sie uns die Einsicht in ihre Grundessenz und ihren Sinn und tieferen Zweck verweigert, sondern auch indem sie in überraschenden Kapriolen immer neue komplizierte Erscheinungen gebiert. Ich denke hier etwa an die Entdeckung der Neutrinos oder des Top-Quarks.

Dieses Verstecktsein der Welt, das auch mit unserer eingeschränkten Sinneswahrnehmung und der instrumentellen Art unseres Denkens zu tun hat, ist der Geburtshelfer der Metaphysik. In einer Art Rückkopplung setzt diese eine spezielle Modalität des Bewusstseins voraus, welches bereit sein muss, logische Widersprüche hinzunehmen und aus zufälligen Erfahrungen übernatürliche Gesetze 'abzuleiten'.

Obwohl uns jede Frage nach dem Sinn des Lebens, jeder Versuch einer Letztbegründung unserer Existenz sofort in die Sphäre des Metaphysischen katapultiert, sind Metaphysik und Transzendenz daher hoch umstrittene Konzepte. Viele neuere Philosophen haben sich, überspitzt formuliert, auf den Standpunkt gestellt, die genannte Sinnfrage sei sinnlos. Von höheren Mitteln und Zwecken, d.h. solchen, die vom Menschen unabhängig sind und gar die physikalische Welt oder auch die Welt des menschlichen Egozentrismus transzendieren, solle man einfach schweigen. Diese Denker werden insofern immer im Recht bleiben, als sich Transzendentes wohl niemals vollständig analytisch erkennen bzw verifizieren lässt - da der Begriff der Transzendenz geradezu durch diese Eigenschaft definiert ist. Von der profanen, festgefügten und aber auch wenig schöpferischen Perspektive des Rationalismus aus gesehen erscheint er zum größten Teil als irrationale, d.h. kausal nicht begründba-re und daher gewissermaßen magische Konstruktion.

Worum es mir geht, sind allerdings nicht diejenigen unbegründeten Rituale des Denkens und Handelns, die gern auch zur Konservierung einer bestehenden Herrschaftsform benutzt werden, sondern dasjenige, was oben Letztbegründung des Seins genannt wurde und von den Positivisten jederlei Coleur als nicht sinnhaft abgelehnt wird. In einer von anthropozentrischem Pragmatismus und der instrumentellen Vernunft inzwischen fast völlig beherrschten Welt werden letzte Begründungen zwar anscheinend nicht benötigt. Im Maschinenraum des Denkens spielen sie keine Rolle; was man dort lediglich braucht, sind Verfahrensanleitungen, verkapselte Funktionen, von denen man nur wissen muss, wie sie aufzurufen sind. Die Suche nach Letztbegründungen spielt sich auf einer anderen Ebene ab, und man müsste dazu in das Innere der Funktionen selbst hineinsehen und eingreifen, und befürchtet wohl nicht zu Unrecht, dass dabei allzu viel Unzulängliches, Unergründliches und Widersprüchliches zutage tritt.

Davon darf sich aber gerade die Philosophie nicht entmutigen lassen.

Das System der Natur ist seit dem Abkühlen des Universums unter die MeV Schwelle verlässlich genug, über Äonen stabile Entitäten zu gewährleisten. Zugleich ist es aufgrund seiner Gesetze und seiner Vielteilchenstruktur physikalisch so kompliziert und reichgestaltig, dass es in der Lage war, weitere fließende Substrukturen auszubilden, zum Beispiel die biologische Welt, und in dieser wiederum uns Menschen, die diese Kompliziertheit beobachten, verstehen und zu ihrem Vorteil nutzen und teilweise regelrecht lenken können. Wobei dieses Verstehen, wie gesagt, in erster Linie instrumentell ist, in Einklang mit den Notwendigkeiten einer Intelligenz, die sich täglich in Natur und Gesellschaft behaupten muss. Damit weist sie das Defizit auf, Letztbe-gründungen, die über die reine Funktionsweise des Systems (der Natur oder einer Gesellschaft) hinausgehen, nur schwer oder gar nicht begreifen zu können.

Man ist sehr erfinderisch darin, sich mit künstlichen Eingriffen das Alltagsleben leichter zu machen. Weder vom ontologischen, immanenten, empiristischen noch vom utilitaristischen oder biologistisch-genetischen Standpunkt wird eine andere Art von Intellekt benötigt. Letzte Fragen geschweige ihre Antworten sind in dieser Art des Denkens nicht vorgesehen, und alle im weitesten Sinne positivistische Philosophen fassen dies nicht einmal als Nachteil auf, sondern wenden es positiv, indem sie solche Fragen als Irrläufer interpretieren, die vom normalen Denken ausgeklammert werden dürfen. Dabei maßt über Sinn und Unsinn zu entscheiden ein Denken sich an, das nicht einmal instrumentell ist. Denn die hoch spezialisierte, instrumentelle Vernunft des Ingenieurs weiß um ihre Beschränktheit auf die Mittel und Zwecke innerhalb ihres eigenen Sprengels.

Im Gegenteil soll hier klargemacht werden, dass es gerade die letzten Fragen sind, die uns zumindest unbewusst inspirieren, die Grenzen der Erkenntnis immer weiter hinaus zu schieben. Weil das so ist und unsere Vorfahren mit dem über die instrumentelle Vernunft hinausgehenden, dabei zugegebenermaßen teilweise inkonsistenten Gedankenbesteck recht erfolgreich operiert haben, hat die zugleich archaische wie transzendierende Metaphysik ihren Platz in unseren Köpfen bis dato noch immer verteidigt.

In gewisser Weise enthalten alle Abstraktionen, die wir bilden können, eine metaphysische Komponente, indem sie nämlich den konkreten Fall zumindest geistig transzendieren. Die wahre Transzendenz kann aber nicht wie bei Hegel oder Heidegger darin bestehen, zu immer abstrakteren Kategorien überzugehen, weil ein solches Vorgehen einer Kritik Kierkegaards folgend zu einer schlecht abstrakten Immanenzphilosophie führen muss, in der das Transzendente unter das Allgemeine subsummiert und letzten Endes ausgelöscht wird. In gewissem Sinne ist dies das intellektuelle Analogon zu einer konformistischen Staatsideologie etwa des preußischen Kaiserreiches oder jener gleichge-schalteten 'Volksrepubliken', zu denen in Osteuropa und Asien der Kommunismus geführt hat.

Hier darf man allerdings undogmatisch-linke Positionen wie die von Sartre, Adorno oder Marcuse ausnehmen, die Hegels Dialektik um den Blick auf das gesellschaftlich Negative und Transzendente erweitert und damit indirekt auch den Begriff des Nichts von seinen abstrakten Fesselungen befreit haben. Während Kierkegaards Kritik die von der Wissenschaftlichkeit radikal unterschiedene Ebene des Religiösen und generell des Spirituellen im Blick hat, welche durch den Glauben zugänglich ist und hauptsächlich das einzelne Ich betrifft, haben sich die genannten Neomarxisten dem Einebnen der Widersprüche in einer 'aufgehobenen', scheinbar vollständig versöhnten Welt verweigert.

Anhand dieser Autoren lässt sich auch der Unterschied zu dem hier vertretenden Begriff von Metaphysik herausarbeiten. Für einen marxistischen Theoretiker besteht die zentrale Frage nur darin, wie sich die gesellschaftlichen Strukturen und Abläufe dahingehend optimieren lassen, dass die Bedürfnisse möglichst vieler Menschen umfassend befriedigt werden. Der sich aus dem technischen Fortschritt ergebende Wohlstand soll so verteilt werden, dass jeder sein Leben nach eigenem Gusto gestalten kann. Darüberhinaus gebe es keinerlei metaphysisches, die menschliche Geschichte antreibendes Momentum.

Auch wenn man den Gesellschaftsentwurf der Neomarxisten ablehnt, wird man der allgemeinen Zielbestimmung wohl nicht widersprechen können. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass Menschen allein durch Bedürfnisbefriedigung letztlich nicht zufrieden gemacht werden können. Noch wichtiger ist der Einwand, dass wenn noch weitere 10 oder 100 Milliarden Menschen auf der Erde in dieser Weise wohlversorgt leben könnten, der Rest der Schöpfung komplett beiseite gedrängt würde. Immer mehr Tier- und Pflanzenarten wären zum Aussterben verurteilt, weil die natürliche Umwelt zugunsten der menschlichen Bedürfnisbefriedigung bis aufs letzte ausgepresst werden müsste. Daher meine ich, dass die menschliche Zufriedenheit nicht das Maß aller Dinge sein kann, sondern dass wenigstens der Umweltschutz in die kritische Theorie mit einbezogen werden muss.

Dabei ist klar: dieser kann für sich allein kaum ein höchstes Prinzip darstellen, sondern ist Teil eines allgemeinen Gesetzes, welches außerhalb der menschlichen Sphäre entspringt. Die Suche nach dem MASS ALLER DINGE enthält offenbar eine über die menschliche Geschichte hinausgehende metaphysische Komponente. Für die kritische Theorie existiert Transzendenz nur in der Form einer rationalen Transformation der Gesellschaft in einen besseren Zustand, vulgo vom Kapitalismus zum Sozialismus. Doch solange dieser eine Utopie bleibt, und erst recht, wenn er über die reine Sicherstellung der Güterversorgung hinausgehen will, enthält er ein mindestens ebenso starkes metaphysi-sches Element, das auf die Frage nach dem tieferen Sinn unseres Daseins verweist.

Bei Sartre ist das Transzendente, selbst wo es sich auf die Ebene des Ich-Seins bezieht, weder eine spirituelle noch eine soziale Kategorie, sondern der eigentliche Ausdruck der menschlichen Freiheit. Der Mensch muss die Vormacht der Anderen überwinden, um zu sich selbst zu finden. Problem dabei: diese Art der Selbstfindung ist im Grunde ebenfalls eine unerreichbare Utopie. Das gesellschaftliche Sein des Menschen ist äußerst immanent, und der Mensch nutzt nur selten seine Möglichkeiten zur Überschreitung. In der übergroßen Mehrzahl der Fälle erfolgt Anpassung ohne nennenswerte Auflehnung, und selbst wer sich auflehnt, resigniert am Ende meist doch in den gesellschaftlichen Konventionen. Diese sind auf die Aufrechterhaltung des Status quo gerichtet und bestrafen diejenigen, die sich Freiheiten herauszunehmen wagen.

Ein Problem mit dem Begriff der Transzendenz besteht offenkundig darin, dass er von verschiedenen Autoren in verschiedenen Zeitaltern verschieden definiert und verstanden worden ist:

-Im Mittelalter etwa wurde unter Transzendenz oftmals ein Überschreiten der Ichheit in Richtung auf Gott verstanden. Für Sartre ist Transzendenz ebenfalls ein Überschreiten der Ichheit, jedoch liegt sie in der Fähigkeit des Menschen, unter Verwendung seiner Freiheit eine Situation zu überschreiten, den Lauf der Natur zu verändern "durch das, was ihm aus dem zu machen gelingt, wozu man ihn gemacht hat". Hier lässt sich eine Verwandtschaft des Existentialismus und seines Freiheitsbegriffes mit der Idee des freien Unternehmertums konstatieren, für das übrigens ein in der Öffentlichkeit so erfolgreicher Intellektueller wie Sartre das beste Beispiel darstellt, und Transzendenz besteht im Ergreifen der Chancen, die sich dem unternehmerischen Menschen bieten. Diese Art der Freiheit ist jedoch nicht durchweg positiv zu bewerten, denn die mit ihr einhergehenden Privilegien benachteiligen diejenigen, die nicht clever genug sind, solche Gelegenheiten auszunutzen.

-Manche Philosophen der Neuzeit definieren die Differenz zwischen den Begriffen (dem Denken) und den Dingen-an-sich (dem Sein) als 'transzendent', also zwischen den Pointern und dem, auf was sie pointen.

-Wieder andere Autoren legen das Utopische als transzendent fest, und als metaphysisch den Glauben an dessen Realisierbarkeit. Dieser Begriff des Transzendenten beschreibt dann teilweise nur Illusionen, die allein in unseren Köpfen existieren. Hierzu zwei Hinweise: (i) Wenn sie sich genügend verbreiten, können solche Illusionen ganz unabhängig von ihrem Inhalt zu einer Macht werden, die die Realität der Menschen verändert. (ii) Unter gewissen Umständen sind einzelne Komponenten unerreichbarer Utopien transzendent in dem von mir benutzten Sinn, nämlich wenn sich aus ihnen eine Brücke zur Realität konstruieren lässt. In diesem Fall können Utopien, wie auch jede andere Form von vagen Ideen und Hypothesen, dazu beitragen, dass Grenzen erkannt, überschritten und nach hinten verschoben werden, sowohl im materiellen als auch im intellektuellen Sinn. Denn es ist klar, dass es für die mensch-liche Existenz immer Grenzen geben wird, und genau durch dieses Faktum gewinnt der Begriff der Transzendenz Funktion und Bedeutung.

-Kantianer nennen diejenige Erkenntnis 'transzendental', die sich nicht nur mit Gegenständen, sondern mit der Art unserer Erkenntnis beschäftigt. Diese Bezeichnung ist unglücklich gewählt, weil sie semiotisch bis auf zwei Buchstaben mit dem älteren Begriff des Transzendenten identisch ist, aber etwas sehr Anderes bedeutet. Beide leiten sich von transcendere ab, einem lateinischen Verb, welches mit 'überschreiten' übersetzt werden kann, zum Beispiel von Physik und Realität in Richtung auf die Metaphysik.

Zu beachten ist, dass es sich bei der Kantischen Konstruktion auch um den letztlich erfolglosen Versuch handelt, Letztbegründungen mit Hilfe der Erkenntnistheorie zu gewinnen. Dabei wird ignoriert, dass die Dinge-an-sich mehr sind als unsere Erkenntnis von ihnen. Kant und auch die meisten Positivisten weigern sich allerdings, über dieses Mehr zu sprechen - und auf den ersten Blick tun sie recht daran. Was man sagt, kann man nur in einer Sprache sagen. Sprache aber besteht aus kondensierten, fest gewordenen Gedanken, während die Dinge-an-sich aus Materie bestehen. Diese Differenz scheint unüberwindbar, warum also sollte man sich mit ihr aufhalten?

Was diese Leute übersehen, ist zweierlei: zum einen die Vielfalt und Multidimensionalität der Sprache, mit deren Begriffen, Beschreibungen und Erklärungen wir uns an die Dinge-an-sich herantasten und ihnen immer näher kommen, auch wenn wir sie nie vollständig erreichen können. Zum anderen die Vielfalt unseres Denkens und der von ihm ersonnenen Werkzeuge, mit denen wir in die materielle Welt der Dinge-an-sich eingreifen können.

Es besteht kein Zweifel daran, dass jeder Versuch, in den Subjekten und einer Theorie ihrer Erkenntnis letzte Sicherheiten zu finden, scheitern muss. Entscheidend für das menschliche Wissen ist nicht, dass es mit präzisen Vokabeln und absoluter Gewissheit irgendwo niedergelegt wird, sondern dass wir uns über den Grad der Unsicherheit klar sind, mit dem es notwendigerweise behaftet ist.

Diese Unsicherheit lässt sich auf verschiedene Weise definieren. Man kann die oben genannte notwendige Differenz zwischen Denken und Materie in die Definition mit aufnehmen, oder sie heraushalten, das ist egal. Denn der Grad der Unsicherheit einer Erkenntnis lässt sich ohnedies nicht in einem absoluten Sinn bestimmen, weil wir vom Absoluten der Dinge-an-sich niemals vollständig wissen können, wohl aber in einem relativen, das heißt relativ zu den Unsicherheiten anderer Erkenntnisse - und auf den kommt es an.

Manche Gegenstände verstecken sich zu ihrem größeren Teil vor uns, siehe das Beispiel der Dunkelmaterie. Andere liegen scheinbar offen zutage, geben aber bei genauerem Hinsehen viele tiefe Geheimnisse zu erkennen. Immer wenn der menschliche Geist Vermutungen über neue Phänomene der Materie anstellt, überschreitet er Grenzen, und bereits dies muss als eine Form des Transzendierens angesehen werden.

Allgemein bezeichne ich als transzendent dasjenige Denken, welches den Bereich des beschränkten menschlichen Erkennens aktuell oder generell überschreitet. Der zum Transzendenten komplementäre Begriff ist das Immanente, welches alles in einem Objekt Vorhandene, es nicht Überschreitende und daher ohne Rückgriff auf Transzendentes Erklärbare bezeichnet. Metaphysik nenne ich die Wissenschaft vom Transzendenten.

Dabei ist zu beachten, dass dort, wo von Gegenständen und Objekten die Rede ist, im Gegensatz zur Materie-an-sich, bereits eine im wesentlichen immanente Konstruktion des Denkens vorliegt. Insbesondere darf man unter Transzendenz auch nicht solche gedachten Prinzipien wie das Gute, das Wahre, das Schöne und dergleichen verstehen, weil diese offensichtlich aus menschlichen Zusammenhängen geboren und vom menschlichen Geist bestimmt sind. Sie sind diesem immanent, weil er sie destilliert hat und betrachten kann und über sie nachdenkt - und existieren nicht außer ihm. Allerdings können sie durchaus transzendente Komponenten enthalten, insofern sie auf Unerreichtes oder Unerreichbares verweisen.

Gegen den hier verwendeten Begriff von Transzendenz ist geltend gemacht worden, dass dabei das Immanente und das Transzendente als zwei abgegrenzte Bereiche angenommen werden, die gewissermaßen von außen betrachtet und erkannt werden können. Dies setze voraus, dass der Betrachter prinzipiell Zugang zu beiden Bereichen habe, oder wenigstens theoretisch ein Stück weit über die Grenze in das Gebiet des Transzendenten eindringen könne.

Dieses Argument ist allerdings nicht schlüssig, weil auch dann, wenn man ein unbekanntes Gebiet nur vage wahrnehmen und die Grenze gar nicht genau ziehen kann, weil sie noch im Nebel der Vorerkenntnis liegt, die Existenz eines solchen Gebietes angenommen werden darf.

Es wird dann weiter argumentiert, das Grundproblem jedes Transzendenzkonzeptes bestehe in der Frage, wie die Annahme einer fundamentalen Verschiedenheit der beiden Bereiche mit der Annahme vereinbar sei, dass von einem der Bereiche aus die Existenz des anderen erkannt oder sogar die Grenze überschritten werden könne. Dieses lasse sich eigentlich nur verstehen, wenn abgesehen von der radikalen Verschiedenheit in bestimmter Hinsicht auch eine Einheit der beiden Bereiche supponiert werde - wenn also letztlich keine echte Transzendenz vorliege.

Ganz abgesehen davon, dass hier nicht festgelegt wird, was 'fundamentale Verschiedenheit' einer 'echten Transzendenz' bedeuten soll, ist ein solches Argument kaum stichhaltig, weil es um das Gesamt aus Immanentem und dem die Grenze Überschreitenden einen umfassenden Rahmen der Erkenntnis ziehen will. In dieser Voraussetzung ist der später abgeleitete Widerspruch ersichtlich bereits enthalten. In Wahrheit ist das Transzendente ein in jeder Richtung offenes Gebiet. Weder ist die Grenze zum Immanenten starr oder schmal oder immer endlich, noch wird das Transzendente vom Immanenten oder irgendeiner anderen Art von Rahmen vollständig umschlossen.

Die argumentative Situation ist ähnlich wie beim später zu diskutierenden Begriff des Nichts, dessen Sinnhaftigkeit gelegentlich mit ähnlichen Argumenten beiseite geschoben wird. Wie es verschiedene Ausprägungen des Nichts gibt (den absolut leeren Raum, einen Grundzustand vor oder nach einer Symmetriebrechung, ein Nichts ohne Raum, den Tod oder die soziale Nichtung eines menschlichen Individuums usw), gibt es auch verschiedene Formen der Transzendenz:

(i) eine naturwissenschaftliche Transzendenz, zu der das jeweils noch nicht Erkannte wie auch das prinzipiell Unerkennbare gehört. Noch nicht erkannt sind beispielsweise Phänomene, deren Aufscheinen in Messungen bisher mangelnde Messgenauigkeit verhindert hat; prinzipiell unerkennbar sind solche Phänomene, die unterhalb der von Menschen jemals erreichbaren Messgenauigkeit liegen.

(ii) eine gesellschaftliche oder soziale Transzendenz aufgrund der menschlichen Freiheit, welche die kulturell oder sogar genetisch festgelegten Grenzen des Menschen und seiner sozialen Verhältnisse und Strukturen überschreitet. Soziale Transzendenz ist Voraussetzung, um auch in erstarrten gesellschaftlichen Systemen Mauern einzureißen.

(iii) und schließlich eine ontologische Transzendenz, die das Ich-Sein des Individuums betrifft oder darüber hinausweist, und zu der etwa die Frage nach dem Sinn des Lebens gehört, des individuellen wie auch des Lebens als Ganzem. Auch ein Teil des unter (i) genannten prinzipiell Unerkennbaren muss als ontologisch klassifiziert werden.

Metaphysik und Transzendenz, wie ich sie definiere, haben also wenig mit dem zu tun, was sich aus menschlichen Einbildungen, Widersprüchen oder unpassenden Abstraktionen ergibt, sondern sind jene objektiven ELEMENTE DES DASEINS, DIE DER ERFAHRUNG (NOCH) NICHT ZUGÄNGLICH SIND. Ein charakteristisches Beispiel für ein 'noch nicht' ist die Dunkelmaterie; Beispiele für 'nicht' sind etwa der Aspekt der niemals vollständig erfassbaren Dinge-an-sich, sowie alles, was unsere Denk- und Wahrnehmungsfähigkeiten überschreitet, auch alles, was existiert, aber jenseits des erfahrbaren Kosmos liegt, so dass wir nichts von ihm wissen können. Dazu gehören zum Beispiel auch populäre Annahmen und Extrapolationen über das Universum hinter dem Ereignishorizont, da wir sie nie durch Wahrnehmung verifizieren werden, und in gewissem Sinne auch die Welt der Tetronen, weil wir nur als deren Anregungen existieren und sie selbst nur indirekt als gravitative Effekte der geometrischen Raumzeitstruktur wahrnehmen, und auch nur deshalb, weil die Metrik und ihre elastische Struktur auf jede erdenkliche Art von Energie reagiert.

In vielen der genannten Beispiele darf es Ziel und Zweck der sich größtenteils aus dem Affekt der Neugier ergebenden menschlichen Erkenntnis genannt werden, eine zumeist unscharfe und auch zeitabhängige Grenze zwischen Immanentem und Transzendentem zu verschieben. "The physics of today is the background of tomorrow." Hier bezeichnet 'the physics' das auf der Grenze liegende und 'the background' das Immanente. Man kann das billigerweise so auffassen, dass es bei jeder neuen Erkenntnis, auch und gerade der wissenschaftlichen, vorrangig ums Transzendieren geht. Denn indem man die Grenze analysiert, will man sie eigentlich verschieben und in das je Transzendente vorstoßen, das in diesem Sinne das Unbekannte ist, zu dem man hinüberschreiten will. Man beachte aber, gemäß der obigen Auflistung, dass die wissenschaftlich-physikalische Transzendenz nicht alle Bereiche des Transzendenten abdeckt.

An diesen Darlegungen sieht man deutlich, dass Transzendenz nichts Statisches, scharf Eingegrenztes ist, sondern im Hinblick auf den Entwicklungsstand der Menschheit definiert werden muss. Die Grenzen der Immanenz sind durch die jeweiligen menschlichen Fähigkeiten und die zur Verfügung stehenden technischen Mittel gegeben, sie zu überschreiten. Es ist der menschliche Geist selbst und sein Erkenntniswille, der nach Transzendenz strebt. Allerdings streben nicht alle Menschen in gleichem Maße danach, sondern das richtet sich nach der Natur ihrer Persönlichkeit.

Nicht selten ist das transzendente Denken von einem Willen zur Macht begleitet, ein Relikt aus seinen magischen oder ideologischen Ursprüngen, wo man das eigene metaphysische Dogma allen Anderen aufoktroyieren will, derart dass bei denen, über die Macht ausgeübt werden soll, identische innere Impulse von Einsicht beziehungsweise Erleuchtung ausgelöst werden, zusammen mit einem instinktiven Reflex der Unterwerfung und Anpassung an den überlegenen Geist.

Dieses heiße ich jedoch eine Transzendenz für schlichte Gemüter, Es ist kein Aufsteigen darin enthalten, sondern eine Abstiegskategorie. Auch heute noch anzutreffen, selbst in Bereichen der Hochkultur, wo es einem oder mehreren durchsetzungsstarken Intellektuellen gelingen kann, ein voluntaristisches Modell oder Ideengebäude in einer Wissenschafts- oder Kulturcommunity zumindest für die begrenzte Zeit ihres Lebens zum allgemein anerkannten Dogma zu erheben. Hierbei geht es, wie auch bei vielen Weltbildern, die höhere oder metaphysische Zwecke supponieren, hauptsächlich um das Ziel, Macht über die Ich-Bewusstseine der Anderen zu gewinnen, eine Macht, die letztlich durch das 'Transzendieren' des Anführer-Ichs in die Köpfe der Masse entsteht, mit dem kaum verbrämten Ziel, daraus soziale und materielle Privilegien zu generieren.

Noch der aufgeklärteste Geist unterwirft sich den kanonischen Erkenntnissen der Wissenschaft, indem er sich etwa die Einsichten eines Kopernikus oder Newton willig zu eigen macht. Dabei ist zu bemerken, dass die klassische Physik einschließlich Quantenmechanik und Relativitätstheorie ein gigantisches Wissenssystem darstellt, das jungen Forschern immer aufs Neue Affirmation und Konformismus abverlangt.

Zur Aufrechterhaltung der Herrschaft bildet sich meist eine Kaste von 'Priestern', die dafür sorgen, dass ihr Weltbild möglichst für immer den Mainstream beherrscht, und die wie nebenbei eine privilegierte Rolle in der Gesellschaft beanspruchen. Alle Ideensysteme der Menschheit erscheinen aus dieser Perspektive als gesellschaftlich-subjektive Konstruktionen mit nur insoweit objektiver Bedeutung, als eine Mehrheit an sie glaubt, an ihnen festhält und eine Minderheit von dieser gemeinschaftlichen Überzeugung profitiert.

In den westlichen Gesellschaften hat sich seit der Französischen Revolution ein anderes Modell etabliert. Hier werden in denjenigen Bereichen, wo es keine Erkenntnis a priori gibt, Lösungen und Entscheidungen aufgrund politischer Auseinandersetzungen gefunden, sozusagen nach den Prinzipien einer praktizierten Dialektik. Ein gutes Beispiel, das heute bereits ziemlich weit in die Geschichte zurückgeht, ist die sogenannte soziale Frage, die von verschiedenen Interessengruppen höchst unterschiedlich beantwortet wird, und die außerdem eine transzendente Komponente beinhaltet, wenn und sofern sie die Utopie vollständiger Gleichheit einschließt, oder den Wunsch nach einer poli-tischen Freiheit, die sich nicht in der Teilnahme an Wahlen für ein Repräsentantenhaus erschöpft, sondern jedem Bürger real das gleiche Mitspracherecht einräumen will.

Metaphysik liegt also nicht allein darin, irgendein allerhöchstes Prinzip aufzuspüren, das hinter der einen physikalischen Substanz des Kosmos bzw hinter den Gesetzen wirkt, nach denen diese die Phänomene der Natur bestimmen - als Voraussetzung für die komplizierten Strukturen des Lebens und letztlich auch für die Freiheit unserer Gedanken und die Verantwortlichkeit unseres Tuns. Metaphysik liegt auch nicht nur in dem Bestreben, den Sinn unserer Existenz und die Grundlagen unseres Denkens zu verstehen, um die damit scheinbar verbundenen Antinomien aufzulösen. Sondern auch gesellschaftspolitische Ziele und Hoffnungen können eine metaphysische Komponente besitzen, im guten wie im schlechten Sinne, sofern sie über die Grenzen der bestehenden Gesellschaftsverträge hinausgehen.

Der Idealismus tendiert dazu, die Metaphysik allein in der Welt der Ideen anzusiedeln. Er stellt die Ideen in den Vordergrund und lässt die Materie als hinzunehmende Nebensächlichkeit erscheinen. In Wahrheit existieren jedoch die Ideen nur in unseren Köpfen als vermittelte Reflexion von Eigenschaften und Sinneserfahrungen, die in Dingen-an-sich enthalten oder aus bereits Vermitteltem als Abstraktionen kondensiert wurden. Daher partizipieren nicht, wie im Idealismus angenommen, die Erfahrungsdinge an den Ideen oder ahmen sie nach, sondern es sind umgekehrt die Ideen als eine Art von umgearbeiteten Erfahrungen aufzufassen.

Da metaphysische Aspekte sowohl im Bereich der Ideen als auch der Materie auftreten und Ideen und Materie, woimmer menschliche Gesellschaften existieren, praktisch ununterbrochen in Wechselwirkung stehen, bezieht sich die Metaphysik notwendig auf beides. Sie kann für Ideen stehen, die keine Entsprechung in der Wirklichkeit gefunden haben, aber auch für das Hinterfragen einer Wirklichkeit, der man Sinn und Bedeutung nicht anzusehen vermag.

Das eingangs zitierte darwinistische Erklärungsmodell für die Entstehung des metaphysischen Denkens darf nicht davon ablenken, dass es große faktische Bereiche des Daseins gibt, die der instrumentellen Vernunft nicht oder nicht ohne weiteres zugänglich sind. Dazu gehört vor allem die Frage nach dem Sinn des natürlichen aber auch unseres individuellen und gesellschaftlichen Seins. Natürliches Sein umfasst nicht nur das Sein des Menschen in der Natur, sondern auch das Existieren der Natur-an-sich, i.e. ohne den Menschen. Ein verbreiteter Standpunkt geht von der Annahme aus, der offensichtliche Daseinssinn des auf der Erde lebenden sozialen Wesens Mensch sei es, für sich selbst aus Gesellschaft und Natur das Optimum herauszuholen; und viele von denen, die kein Interesse an metaphysischen Fragen haben, werden sich mit dieser Ansicht wohl zufriedengeben.

Als analytische Philosophen oder Sprachlogiker oder auch als Existenzphilosophen werden sie darüber hinaus solche Diskussionen für überflüssig deklarieren; wohl auch behaupten, Begriffe wie Sinn oder Ziel oder Zweck seien nur für das menschliche Wirken auf der Erde gültig, da sie nur dazu dienten, dass Menschen sich in einer komplexen Welt gemeinschaftlich orientieren und behaupten können. All unser Denken sei ohnehin subjektiv und von Interessen gesteuert, und ohne das notwendig egoistische Individuum sei offenbar gar keine Erkenntnis möglich. Man solle dieses egoistische Individuum samt seinen Sorgen und Existenzängsten ruhig in das Zentrum der Philosophie stellen und die Möglichkeit objektiver Erkenntnis oder gar einer objektiven Art von Metaphysik grundsätzlich bestreiten.

Wie bereits dargelegt, teile ich diese Ansichten nicht, zum einen, weil der menschliche Geist noch lange nicht am Ende der physikalischen Erkenntnisse über den Kosmos angekommen ist und daher noch kein endgültiges Urteil über die Sinnfrage gefällt werden kann. So tiefsinnig Quantenmechanik und Relativitätstheorie vielen Zeitgenossen heute erscheinen mögen, als so rudimentär offenbaren sie sich doch bei näherer Betrachtung. Beide werten im Kern nur elementare Eigenschaften der Wellengleichung aus. Darüber hinaus weiß der Mensch wenig. Er kann das Verhalten der Materie vorhersagen, doch liegt zum Beispiel die ursprüngliche Natur der vielen beobachteten Elementarteilchen (vom Neutrino bis zum Higgsboson) bis heute im Dunkeln. Da wir zu wenig darüber wissen, bleibt die wenn auch ungewisse Hoffnung, dass wir eines Tages mehr über einen die menschlichen Zwecke transzendierenden Sinn der Materie im Kosmos erkennen werden.

Es ist zwar richtig, dass sich die Frage nach einem solchen absoluten Sinn des Lebens - und des materiellen Kosmos überhaupt - schon seit Jahrtausenden nicht beantworten lässt. Daher scheint die Haltung, den Begriff des Sinnes ausschließlich für menschliche Gemeinschaften und im Hinblick auf menschliche Konstruktionen und Zwecke zu reservieren, eigentlich vernünftig, zumal sie die Philosophie von den Fesseln der mittelalterlichen Metaphysik befreit hat.

Dennoch stellt sie im Fortgang der Geistesgeschichte eine allzu eingeschränkte Sicht auf den Sinnbegriff dar. Ein Beispiel: seit Darwin wissen wir, dass sich der Bereich der biologischen Natur, der kein von Menschen eingerichtetes System darstellt, seine eigene Sinnhaftigkeit definiert, die auf den Zweck der Arterhaltung gerichtet ist. Diesem 'Sinn des (biologischen) Lebens' ist es ganz gleichgültig, ob er von einem menschlichen Verstand als solcher erkannt wird oder nicht.

Damit kein Missverständnis entsteht: eine vernunftbasierte, d.h. bewusste Teleologie oder Zwecksetzung liegt hier nicht vor, wohl aber ein komplexes System, das sich seine Zwecke und seinen 'Sinn' selber definiert und in dem zielgerichtet Prozesse ablaufen.

Es ist doch so: betrachtet man ein an sich zielloses System, in dem aber viele komplexe Prozesse stattfinden und fragt man sich, welche dieser Prozesse besonders häufig vorkommen, so wird eine Teilantwort darin bestehen zu sagen: DIEJENIGEN, DIE SICH SELBST IMMER WIEDER NEU HERVORBRINGEN. Denn ein Vorgang, dessen Ende zugleich sein Anfang ist, wird im Gegensatz zu anderen Vorgängen immer wieder geschehen.

Das ist eigentlich das ganze Geheimnis hinter dem biophilosophischen Begriff der 'Teleonomie'. Dieser kennzeichnet einen biologischen Tatbestand rein deskriptiv als zweckdienlich oder zielgerichtet, ohne eine andere, 'höhere' oder metaphysische Begründung für die Herkunft der Zweckdienlichkeit zu benötigen als das darwinistische Überlebensprinzip der Arten, oder allgemeiner in einem beliebigen System ein Wiederholungsprinzip zur Aufrechterhaltung eines bestimmten Teilsystems.

Bei Menschen und Tieren, die ihre Jungen versorgen, mischen sich bewusste und teleonomisch induzierte Verhaltensweisen, während bei Pflanzen, denen kein neuronales System zur Verfügung steht, das alleinige Wirken einer rein biologischen Teleonomie besonders augenfällig ist. Durch die Betrachtung dieser beiden Fälle könnte man versucht sein, verschiedene Formen der Teleonomie zu definieren, u.a. eine, die auf jene Lebewesen beschränkt ist, welche aus voller Absicht Zwecke zu verfolgen in der Lage sind. Im Hinblick auf das Darwinsche Prinzip scheint mir diese Trennung jedoch künstlich, da biologisch gesehen auch jedes bewusste und anerzogene Verhalten im Mittel hinter das Prinzip der Arterhaltung zurücktritt bzw in diesem aufgeht.

Wenn man von einem etwas verallgemeinerten, 'schwachen' Telosbegriff ausgeht, kann man durchaus eine Teleologie in der Teleonomie erkennen und sogar die Behauptung aufstellen, dass in selbstorganisierten Systemen jede Teleologie von dieser verallgemeinerten, nicht auf ein steuerndes Vernunft-Bewusstsein zurückgehenden Art sein muss, während die von Menschen eingeführten vernunftmäßigen Zwecke und Ziele mit Telos und Teleologie eigentlich gar nichts zu tun haben.

In ähnlicher Weise lässt sich nicht ausschließen, dass auch das Universum und seine Entwicklung auch ohne eine steuernde Vernunft einen Sinn-an-sich haben, indem sie einem systemerhaltenden Zweck dienen, der sich uns bisher nur noch nicht erschlossen hat. Es ist durchaus denkbar, dass mit dem Fortschritt der Wissenschaft die Sinnhaftigkeit des Universums eines Tages offenbar wird, so wie Darwin die Sinnhaftigkeit der biologischen Natur bewusst geworden ist. Dass dahinter immerzu weitere Fragen offenbleiben, ist genauso gut möglich und verweist gleichermaßen auf die Tiefe der Naturprozesse wie auf die (Un-)Fähigkeiten unseres Verstandes und auf die innere Dialektik des Problems.