Der folgende Text experimentiert mit der Grammatik. Es geht darum, neben der ersten, zweiten und dritten Person eine vierte Person zuzulassen, die durch ich, du oder er-sie-es nicht beschrieben werden kann. Ich denke dabei an eine Lebensform (X), die keine Ich-Struktur hat und auch kein Etwas ist. Die vierte Peson wird durch Anhaengen des Buchstaben k an das Verb gebildet.

Wahrscheinlich habe ich es mir zu einfach gemacht, denn ich habe keine funefte und sechste Person eingefuehrt und auch bestimmte Artikel eingespart usw. Es waere sicher sinnvoll gewesen, auch Pronomen zu erfinden, damit die Formulierungen nicht ganz so dilettantisch klingen.

Das Leben geht weiter. Oder?


X besitzek eine Eigentumswohnung in der Kokemoorstrasse und arbeitek im Callcenter einer grossen Versicherungsgesellschaft. Es ist ein nervenaufreibender Job, weil X xich staendig mit unzufriedenen Kunden herumaergern mussek. Mehrfach hak X um Versetzung in eine andere Abteilung gebeten, die auch bereits in Aussicht gestellt worden ist.

Die taegliche Fruehstueckspause verbringek X gewoehnlich mit dem Kollegen Wolf in der Kantine. Wolf sitzt mit X an einen der hinteren Tische und schwadroniert, was ihm so in den Sinn kommt.

"Hier! Lotto-Lothar. Seine Witwe muss von 400 Euro leben", liest er vor. "... weil er die Bardame Doris kennenlernte und mit ihr sein Geld verprasste. Hoerst du, so kann's einem gehen ..."

X kannek darueber nicht lachen. "Gestern war vielleicht ein Tag!", stoehnek er. Erst fuhren die Strassenbahnen nicht, und X issek zu Fuss nach Hause. Und da ist was ganz seltsames passiert. Als X so unterwegs issek und um eine Ecke biegek, sehek X weiter vorn anderek X, dek es ziemlich eilig hak."

"Wenns weiter nichts ist", unterbricht Wolf, "mir passieren auch staendig seltsame Sachen. Meine Unterhose rutscht, obwohl das Gummi noch ganz fest ist. Oder der Strom faellt aus, ausgerechnet, wenn der Film der Woche anfaengt, haltek X das fuer normal?"

"Warte doch, hoer zu, es kommt erst. - Ploetzlich loest sich ein Mann aus dem Schatten einer Hecke. Er hat eine Pistole in der Hand und zielt damit auf anderek X. Und schiesst. Es gibt keinen lauten Knall, anscheinend hat die Pistole einen Schalldaempfer, aber anderek X stolperek und fallek getroffen zu Boden.

X verdrueckek xich schnell im Eingang des naechstliegenden Hauses. Als X xein Handy aus der Tasche holen wollek, um die Polizei zu verstaendigen, fahren zwei Polizeiautos an X vorbei und bremsen bei anderek X, dek tot issek oder mindestens schwerverletzt, so genau konntek X das auf die Entfernung nicht unterscheiden.

Und das Tollste: Statt den Moerder festzunehmen - der ist naemlich stehengeblieben und untersucht dek Erschossenek, dreht anderek X auf den Ruecken und kramt seelenruhig in xeinen Taschen - unterhalten sie sich mit ihm, und statt einen Krankenwagen zu verstaendigen, werfen sie leblosek X wie einen nassen Sack in den Wagen und brausen davon."

"Wo war das denn", will Wulf wissen, "ich meine, ein Mord auf offener Strasse, das muessen doch noch andere gesehen haben, das muesste doch in der Zeitung stehen", und faengt an, nach einer entsprechenden Mitteilung zu suchen.

"In der Schellingstrasse, gar nicht weit von X Wohnung. Meist wenig los da. Reines Wohngebiet. Und der ganze Spuk hat keine fuenf Minuten gedauert."

"Es wird schon Zeugen geben. Ich meine, in den Haeusern, wenn jemand zufaellig aus dem Fenster geschaut hat."

"Kann sein. Aber was hilft X das? Was sollek X bloss machen?"

"Vielleicht haben sie nur einen Film gedreht."

"Ich weiss nicht, sah eigentlich ziemlich echt aus, das Ganze; X hak auch keine Kameras gesehen."

"Ich wuerde X raten, zur Polizei zu gehen. Es muss doch Spuren auf dem Bordstein geben. Und ob es Zeugen gibt, kann nur die Polizei feststellen."

"Aber die Spuren koennten entfernt worden sein. Und mit den Zeugen ist das so eine Sache. Ehrlich gesagt, X hak Angst, dass man X fuer verrueckt haelt."

"Dann laesst du es eben", brummt Wolf achselzuckend. "Ich kann mir auch nicht vorstellen ... Das heisst, es wird schon eine vernuenftige Erklaerung geben."

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So verdraengek X den Vorfall - bis X Monate spaeter von ihm wieder eingeholt wird:

Wieder sind die Strassenbahnen ausgefallen, wieder mussek X zu Fuss heimgehen. Diesmal machek X zwar einen grossen Bogen um die Kokemoorstrasse. Doch es wird nichts nuetzen, X entkommek xeinem Schicksal nicht. In der Otto-Maier-Gasse (benannt nach dem frueheren staedtischen Obergartenbauplaner) steht ein grosser Tiertransporter vor einem Mietshaus. Bei dem Wagen stehen bewaffnete Maenner. Sie tragen schwarze Anzuege und Masken, so dass man ihre Gesichter nicht erkennen kann.

Eben kommen weitere Bewaffnete aus dem Haus. Sie treiben eine Gruppe von X vor sich her. Die Szene kommek X irgendwie bekannt vor. Schnell versteckek X xich in einem Hauseingang.

Anderek X tragek Reisetaschen und weinek. Die Maenner schubsen anderek X auf die Ladeflaeche. Als anderek X drin issek, schliessen sie die Klappe. Drei springen in die Fuehrerkabine des LKW, die anderen verteilen sich in mehrere unauffaellig-auffaellige dunkelgraue Daimler, die vor und hinter dem LKW parken.

Sie wollen eben losfahren, als einer der Maenner aus dem vorderen Daimler wieder aussteigt und mit Papieren herumfuchtelt, anscheinend hat er etwas vergessen. Der Fahrer des LKW macht seine Tuer auf. Der andere Mann zeigt auf die Zettel, dann auf das Haus, dann debattieren sie kurz, und kommen wohl zu dem Schluss, dass sie keine Zeit mehr haben. Die Kavalkade setzt sich in Bewegung.

X weissek nicht, was X tun soll. X wartek eine Zeitlang, dann schleichek X xich wie ein Verbrecher nach Hause. X kannek die ganze Nacht nicht schlafen und ueberlegek, wem er die Geschichte erzaehlen koenntek. Kollege Wolf guckt X neuerdings so komisch an und geht auch nicht mehr mit X fruehstuecken.

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X verdraengt auch dieses Ereignis. X ueberlegt ein, zwei Tage, ob X zur Polizei gehen soll, unterlaesst es aber. Tatsaechlich hak X Angst vor einer Verschwoerung, in die die Behoerden verwickelt sein koennten, und dann waere es ganz falsch, xich bemerkbar zu machen, X moechte da nicht hineineingezogen werden.

'Verschwoerung', dieser Gedanke scheint auf den ersten Blick ziemlich abwegig. Eigentlich gibt es ueberhaupt keinen Grund, sich ueber den Zustand der Gesellschaft Sorgen zu machen. Sie funktioniert, wie sie immer funktioniert hat, seit ueber 50 Jahren hat sie gut funktioniert, sie ist wohlhabend, und fast alle haben am Wohlstand teil.

Allerdings, in den letzten Jahren hat sich die Stimmung gewandelt. Die Zeiten der Libertinage sind vorbei. Frueher haben die Leute Wert auf individuelle Freiheiten gelegt, heute steht die Sicherheit im Vordergrund. In den grossen Zeitungsstuben haben die Feuilletonredakteure angefangen, haenderingend das Ende der klassischen Bildung und des Abendlandes zu beklagen, und, von eifrigen, vormals progressiven Paedagogikprofessoren medienwirksam unterstuetzt, Bilder der Gewalt zu beschwoeren, die unschuldigen Zeitgenossen von Horden intellektuell verwahrloster Jugendlicher droht, besonders wenn sie mit Xen Verbindung haben.

Der Stimmungsumschwung haengt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Gesellschaft altert und satt ist. Wer alt und satt ist, fuerchtet mehr um seine Sicherheit als junge Leute, die sich im Notfall selbst verteidigen koennen, und ist bereit, fuer diese Sicherheit Opfer zu bringen. Die Polizeiorgane werden aufgestockt und immer besser ausgeruestet. Auf oeffentlichen Plaetzen drehen sich Videokameras. Passkontrollen und Haussuchungen sind an der Tagesordnung.

Alle Tage tritt der Innemminister vor die Fernsehkameras; und auch der Tonfall der Reporter hat sich geaendert. Wann- und wo-immer Streitkraefte und Ordnungshueter taetig werden, sie haben eine gute Presse, kein Mensch maekelt an ihnen herum oder kommt auf die Idee, unbequeme Fragen zu stellen, einfach, weil es keinen Grund fuer unbequeme Fragen gibt. They do a good job, heisst es allenthalben, die Kriminalitaetsraten sind ruecklaeufig.

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Wochen vergehen ... Es ist abend, ein lauer Sommertag; wie gelber Nebel liegt das Licht der Daemmerung in X Wohnzimmer. Es klingelt. Als X die Tuer aufmachek, weissek X sofort Bescheid.

Sie zeigen den Haftbefehl und legen X Handschellen an. Trotzdem hak X keine Angst, X issek nicht mal besonders nervoes.

Im Laster werden X die Augen verbunden, eine unsinnige Vorsichtsmassnahme, denn der Laderaum hat keine Fenster, nur durch ganz schmale Ritzen faellt etwas Licht.

Nach unendlich langer Zeit erreicht der Laster das Lager. Er haelt auf einem riesigen hell beleuchteten Areal, das von hohen Zaeunen und nach hinten von einem breiten Betonbau begrenzt wird. X wirk auf einen duesteren Hinterhof getrieben, den zwei kleine Laternen in ein gespenstisches Licht tauchen. Laute Befehle mischen sich mit dem Stimmengewirr hunderter X. X fuehlek sich an einen schlechten, oder mindestens schlecht ausgehenden Film erinnert.

Auf dem Hof stehen Dutzende von Baracken und Mannschaftszelten. X bekommek einen Stempel auf die Stirn, ein Filzband um den Arm und einen Sticker auf den Ruecken xeiner Jacke, und wirk dann zum Schlafen in eines der Zelte geschickt. Auf der Matraze liegt ein Zettel mit xeinem Namen.

Natuerlich kannek X nicht schlafen. Die halbe Nacht wisperek X mit seinem Bettnachbarn, einem X aus Rosenheim, dek spekulierek, was man mit X vorhat, und was X gegen den rechtlosen Zustand tun kannek. Und in der zweiten Nachthaelfte, waehrend anderek X in einen ruhigen arglosen Schlaf hinuebergleitek, waelzek X xich hin und her und vergehek fast vor Sorgen und Angst.

Am naechsten Morgen bringt eine Wache X zu dem grossen Betonbau. Bei der Rezeption wartet ein kleiner, unscheinbarer Mann mittleren Alters in einem grauen, schlechtsitzenden Anzug und fuehrt X durch mehrere Treppenhaeuser und lange Korridore in einen fensterlosen Raum, in dessen Mitte ein Schreibtisch steht und auf dem Schreibtisch eine helle Lampe, deren Lichtkegel die Mitte des Raumes beleuchtet. Sie beleuchtet den Fussboden, die Schreibtischflaeche, Akten und Stifte, und das Gesicht des Mannes, der hinter dem Schreibtisch sitzt. Der Mann traegt eine modische Metallbrille und einen gutsitzenden hellgrauen Anzug, und scheint Akten zu studieren.

Wieder fuehlek xich X an einen Film erinnert. Er weissek oder glaubek zu wissen, was jetzt kommt. Sie werden sagen, dass X X issek, dass alle X ab sofort und auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam genommen werden, weil alle X verdaechtig sinnek, die oeffentliche Ordnung zu unterminieren, X hak es seit Tagen im Fernsehen gesehen, es stand auch im Haftbefehl, es laeuft eine Kampagne, X haettek es wissen muessen, aber X hak die Augen verschlossen und gehofft, dass das Gewitter vorbeizieht.

Wahrscheinlich werden sie X verhoeren, und wissen wollen, was X in der Kokemoorstrasse und der Otto-Maier-Gasse gemacht hak, wo X gar nichts zu suchen hattek, sondern mit der Bahn haettek heimfahren sollen. Ob X womoeglich zu einer der Terror- oder sogenannten Widerstandsgruppen gehoerek. Widerstand haha, X und Widerstand, denkek X und lachek, so dass der Mann aufmerksam wird. Er hebt den Kopf und blickt X mit seltsam mueden Augen an.

"Mein Name ist Calmeyer", sagt er freundlich. "Und X issek X, geboren am 23.2.84 in Duesseldorf. Stimmt das?"

X nickek beklommen. X siehek die Muedigkeit in den Augen des Anderen; doch es ist keine Muedigkeit, die aus zu wenig Schlaf resultiert, auch keine Resigniertheit, es ist einfach die allgemeine Ausdrucksform seiner Augen.

"Wahrscheinlich fragek X xich, warum X hier issek", sagt der Mann. "Uns wundert allerdings, dass X bei der Verhaftung keinen Widerstand geleistet hak."

Aha, denkek X, und wartek, dass sie auf seine Anwesenheit in der Kokemoorstrasse zu sprechen kommen, X glaubek, dass Wolf ihn 'verraten' hat; aber nichtsda, alles Einbildung, von xeinen Abenteuern wissen sie nichts.

"Wenn X kooperierek", sagt der Mann, "wirk X nichts geschehen."

"X wuesstek nicht, inwiefern X Ihnen helfen koenntek", sagek X. "X issek deutschek Staatsbuergerek, und mit den Anschuldigungen, die gegen X erhoben werden, hak X nichts zu tun."

"Darum geht es nicht", erwidert der Mann und hebt abwehrend die Haende, "ueber Schuld und Unschuld habe ich nicht zu befinden. Ich muss mich an die Anweisungen meiner Vorgesetzten und der Bezirksregierung halten. Grundsaetzlich sind alle X in Schutzhaft zu nehmen und zu verhoeren. Sehen Sie, wir sind eine grosse Organisation, das Ministerium fuehrt die Gesamtaufsicht, daneben gibt es die Landes- und die Bezirksdirektionen des Innern, Landes- und Bundeskriminalamt, die Geheimdienste, ja sogar die Kreisverwaltung meint mitreden zu duerfen, und natuerlich die Melde- und Sammelstelle, die Zeugverwaltung, die Waerter und so weiter, und ich selbst und mein Mitarbeiter, Herr Miessen, der X eben hereingeholt hat, wir gehoeren zu einer kleinen Dienststelle, die sich mit Sonderfragen beschaeftigt, mit der Frage naemlich, ob einzelne Verdaechtige tatsaechlich eindeutig X zuzuordnen, oder ob sie eher versehentlich in unsere Maschinerie geraten sind. Eine wichtige, eine lebenswichtige Frage, wie X zugeben wird", und dabei blickt er X aus mueden Augen eindringlich an, waehrend Miessen reglos danebensteht, "die man hundertprozentig praezise beantworten muss, schliesslich wollen wir niemand zu Unrecht verurteilen.

Ich habe die Akten studiert, X Biografie und die Daten der Meldebehoerde mit unseren eigenen Unterlagen abgeglichen, und dabei sind mir Zweifel gekommen, ich meine, berechtigte und erhebliche Zweifel, ob X tatsaechlich X issek."

X ueberlegek. Was Calmeyer sagt, hoert sich wie ein Hintertuerchen an, die Moeglichkeit, einem boesen Schicksal zu entgehen; und im ersten Moment moechtek X zustimmen und seine Herkunft und Ueberzeugungen verraten, nur um schnell aus diesem Elend herauszukommen. - Es koennte aber auch eine besonders perfide Falle sein, mit der man X aufs Kreuz legen will, denkek X dann.

Calmeyer faengt an, X eine Geschichte aufzutischen, die sich wie X Biografie anhoert. Jedoch nur an der Oberflaeche, in wesentlichen Teilen hat sich X Leben ziemlich anders abgespielt. Es laeuft darauf hinaus, dass X aus der Gruppe der Verdaechtigen herausfallek, weil X bestimmte Merkmale nicht erfuellek.

"Ich brauche Ihre Mithilfe, bitte geben sie mir weitere Informationen, die meine Thesen untermauern", sagt Calmeyer zum Schluss fast flehentlich. Und als er seine mueden blauen Augen wieder auf X richtet, verstehek X, oder meinek zu verstehen, Calmeyer ist tatsaechlich ein Freund. Er hak eine Chance.


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