KENNT IHR SABRINA NICHT?


Der Schulfreund

Ich bin mit Sabrina in eine Klasse gegangen, und ich will euch sagen, sie war das begehrteste Maedchen von allen. Keine konnte es an Schoenheit oder Anziehungskraft oder Erotik oder wie man das nennt mit ihr aufnehmen.

Natuerlich hat sie mich nicht angeschaut, sie hat keinen von uns angeschaut, ausser Ralf Keller, fuer den haette sie sich vielleicht interessiert, aber das ist ein Sonderfall, hinter dem waren alle her, und ausserdem war er in der letzten Klasse und ist dann schnell abgegangen.

Mich hat Sabrina nur angeschaut, wenn ich ihr in Mathe helfen sollte, denn ich war gut in Mathe und konnte gut erklaeren, aber natuerlich reicht das nicht; wenn man ein Maedchen zur Freundin haben will, muss man mehr koennen als Mathe, und besonders bei Sabrina reichte es nicht, nicht mal um ins Kino zu gehen hat es gereicht.

Also wie gesagt, ich kenne sie ganz gut, weil ich ihr in Mathe geholfen habe, und ich will Euch sagen, alles waere viel einfacher, wenn sie weniger gut aussaehe, wahrscheinlich haette sie dann einen anderen Weg eingeschlagen, und sie waere jetzt viel gluecklicher, weil ihr nicht alle dauernd erzaehlt haetten, wie toll sie aussieht.

Aber so liess sie sich nicht davon abbringen, von ihrer Mutter nicht und von den Lehrern nicht, auch nicht von ihren Freundinnen, alle haben ihr abgeraten, "Mensch, du kannst doch gar nicht singen" und "das ist ein knallhartes Geschaeft, da wirst du untergehen", haben sie gesagt, aber sie hat nur gelacht, hat sich stark gefuehlt, wie man eben mit 17 sich stark fuehlt, und gewusst, das Aussehen ist ein entscheidender Faktor; und das Singen wird sie schon lernen, hat sie gemeint, und ist von der Schule abgegangen und hat ein bisschen Unterricht genommen, Tanz und Musik, und hat sich in die Glitzerszene hineingedraengt, keine Party und kein Event und keine Premiere hat sie ausgelassen, um sich zu zeigen und mit den Filmleuten Fuehlung zu nehmen.

Dort aber ist sie nicht vorangekommen; es gibt zu viele, die meinen, sie waeren zum Popstar geboren, und einige von denen haben ihre Karriere geschickter betrieben, und nur wenige sind wirklich weitergekommen. Bei Sabrina hat es nur zum Tanzen gereicht, zum Singen hat sie keiner gewollt, und das Tanzen, das macht sie ganz professionell und im Hauptberuf, nicht nebenbei, wie andere, und manchmal sieht man sie im Fernsehen - bei Konzerten oder auf Videoclips - hinter den Musikern ihre Schenkel schwingen.

Sabrina hat die schoensten Beine der Welt; etwas wird in mir angeruehrt, wenn ich ihre Beine sehe. Und dann ihre Augen, ihre vollen, flammenden Haare, mein Herz wird dann schwer von Sehnsucht und Traurigkeit und gleichzeitig erfasst mich Erregung und eine Leidenschaft kommt in mir hoch, obwohl ich sonst gar nicht der leidenschaftliche Typ bin, im Gegenteil, "du wirkst immer so unbeteiligt, man weiss nie, was in dir eigentlich vorgeht, lass doch deine Gefuehle endlich mal raus", wirft meine Frau mir allnaselang vor, doch wenn ich Sabrina sehe, und ihre Beine, ihre unglaublichen Beine und tanzenden Haare und treugrossen Augen, und mich an ihren Suesskirschenmund erinnere, und ihre Lippen und Haut und lichte Lebendigkeit, koennte ich schier aus dem Haeuschen fahren wegen all der Scheisstypen, die Musiker und Manager, die sie bezirzt und fuer die sie die Hupfdohle macht, um es mal drastisch auszudruecken.

Sie ist jetzt Mitte 20 und immer noch unglaublich attraktiv, attraktiver als frueher, wuerde ich sogar sagen, weil der Babyspeck weg ist und weil sie fuers Fernsehen besonders appetitlich zurechtmacht wird, man hoert das ja immer wieder, stundenlang in der Schminke und so. Wie gesagt, ich schau mir das an, und mein Herz wird schwer und dann muss ich denken, was fuer ein Glueck ich unwiderruflich verpasst habe.


Der Manager

Sabrina ist mir irgendwo ueber den Weg gelaufen, in einem dieser Lokale, wo das Showbiz sich trifft und die dazugehoeren wollen, das wird schon 5 Jahre her sein, mindestens, und ich habe sie dann paarmal getroffen, und natuerlich ist mir ihre Figur aufgefallen, und ihre Schoenheit, und als sie mich fragte, von wegen Vorsingen und so, habe ich sie ins Studio bestellt, fuer abends, und damit war klar, worauf es hinauslaufen sollte, fuer mich jedenfalls, Vorsingen und Sex und ein kleiner Vertrag, und ich dachte, auch ihr sei das klar.

Aber von Sex wollte sie nichts hoeren, so ist das eben mit den jungen Dingern, manche tuns anstandslos und andere wollen partout nicht, da mag mein Name noch so gross sein. Sie hat mich gleich in die Schranken gewiesen, und ich habe schnell eingesehen, von ihr ist in dieser Hinsicht nichts zu erwarten, "was solls", habe ich gedacht, "damit kannst du leben, du hast genug gehabt, du zwingst niemanden zu seinem Glueck", und habe Tacheles geredet, "weisst du, wieviele Maedchen ein Star werden wollen?", habe ich sie gefragt, "und weisst du, wie gross deine Chance ist? Ich kenne mich aus in der Branche, und in dieser Stadt kontrolliere ich sie sogar, glaub mir, du hast keine. Sicher, du bist huebsch und hast eine gewisse Ausstrahlung, Viele werden verrueckt nach dir sein. Aber glaub mir, andere haben das auch, und deiner Stimme fehlt etwas ... etwas Entscheidendes, und da du dir ausserdem nicht helfen lassen willst ... glaub mir, du wirst es ganz schwerhaben."

Sie hat nur gelacht und ihre Maehne geschuettelt und sich hoeflich verabschiedet, hat es dann noch bei anderen versucht, ich habe so nebenbei mitbekommen, wie sie in der Szene hausiert und Schaum geschlagen und alles getan hat, was man nun einmal tut, um bekannt zu werden, eine Zeitlang hat sie in irgendeiner Band mitgespielt, aber die haben sich dann aufgeloest, voellig erfolglos das Ganze, sie sind einfach nicht aufs Pferd gekommen, so geht es den meisten, von 100 Talenten schafft es nur eines, wenn ueberhaupt.

Es ist einfach kein Platz in der Szene, ein paar Dutzend Namen, mehr kann sich das Publikum nicht merken, und wer keinen Namen hat, geht unter. Es gibt Tausende, die gern beruehmt waeren, ich weiss im Grunde nicht, was sie dazu treibt, ich selbst habe nichts dagegen, im Rampenlicht zu stehen, aber ich komme ohne Rampenlicht auch ganz gut aus, fuer mich sind die Faeden viel wichtiger, die ich ziehe, und die Macht und der Einfluss, und die Finanzen nicht zu vergessen, denn davon verdiene ich reichlich, die Sternchen, die es nicht schaffen, die sehen hinterher ziemlich alt aus, im wahrsten Sinne, und Sabrina wird es ebenso gehen.

Ich kann mir schon denken, Beruehmtsein ist gut fuers Ego, das ist so ein Steinzeittrieb, die komfortabelste Masche, sich in der Urhorde durchzusetzen, hat auch mit Eros und Eitelkeit zu tun, man wird von allen hoffiert und angehimmelt, man darf sich produzieren, wie man will, darf sich alles erlauben; und nicht zu vergessen, das Geld kommt von ganz allein, die WIRKLICH beruehmten Leute brauchen hinterher gar nicht mehr zu arbeiten.

Wahrscheinlich kommt auch noch so ein 'Ewigkeitsaspekt' dazu, wer richtig verrueckt nach Publicity ist, benutzt seine Songs, sein Aussehen, seine Ideen oder wasimmer, um sich in der Erinnerung des Publikums zu verewigen. Aber das erreichen nur wenige, die wahren Idole eines Zeitalters. Die Meisten, auch von den Prominenten, sind schnell vergessen, wie gesagt, ich kann es letztlich nicht nachvollziehen, was unsere Kuenstler antreibt. -

Eines Tages im vorletzten Winter bin ich wieder mit ihr zusammengekommen, ganz zufaellig, und sie hat mir ihr Leid geklagt, hat mir recht gegeben und von begrabenen Hoffnungen geredet. Aber gebrochen war sie da noch nicht, sie hatte nur begriffen, mit einer Musikkarriere, das wuerde nichts werden, also musste sie sich anders ueber Wasser halten, anscheinend kokste sie da schon und hat Geld gebraucht, sie habe Erfahrung im Tanzen, ob ich solche Jobs auch vermittele.

"Normalerweise nicht", habe ich gesagt, "die Musiker suchen sich ihre Taenzerinnen meist selber aus." Doch weil ich ein grosses Herz habe und Deejay mir einen Gefallen schuldig war, habe ich bei ihm angerufen, und der hat sie dann anstandslos eingestellt, und das hat ihre Verlegenheit erstmal beseitigt, bei so einer Topband verdienen auch die Taenzer gut mit.

Zuerst lief es ganz praechtig, sie war total zufrieden bei denen, vielleicht sogar gluecklich, aber schon in der ersten Zeit, wenn ich sie neben diesem Saft- und Kraft-menschen sah, diesem Brachialtyp, der sich ueberall durchsetzt, und seis mit brutalen Methoden, habe ich manchmal gedacht, vielleicht ist es doch nicht das Richtige fuer die Kleine, vielleicht sollte sie ganz weg von der Szene; und nicht viel spaeter hat dann jeder gesehen, der Deejay tut ihr nicht gut, ja ich gebs zu, war mein Fehler, ich haette sie fortschicken sollen, aber mein Herz ist einfach zu gross.


Deejay, der Star

Ich soll was ueber Sabrina sagen? - Ja, was soll ich dazu sagen, mein damaliger Manager hat sie mir geschickt, mit dem ich jetzt auseinander bin, wir sind zusammengestossen, als mein Vertrag auslief, vorher waren wir ein Herz und eine Seele, hat mich wirklich gefoerdert der Mann, aber dann hatte ich den ersten Hit und weitere folgten, und ich glaube, er mag es nich, wenn einer allzu erfolgreich iss, er muss immer die Kontrolle behalten, dabei haetter mit uns das grosse Geld machen koennen, aber er hat den Bogen ueberspannt, 40 Prozent Mensch, bei einer Gruppe wie uns, Mensch 40 Prozent, das issn Knebelvertrag fuer Nobodies, das lassen wir uns nich bieten, und das habbich ihm auch gesagt, und noch einiges mehr, und seither sind wir Feinde, denn menschlich stimmt es auch nich mehr, die Wellenlaenge iss nich mehr da, aber iss mir egal, wir sind so gross jetzt, dass ich vor ihm keine Angst haben muss.

Jedenfalls, die Sabrina, die hat getanzt, fuer mich und meine Band, paar Monate im letzten Sommer, und wir hatten Spass dabei, paar Monate im letzten Sommer.

Natuerlich habbich gleich gemerkt, wie sie auf mich abfaehrt, sie war irre gluecklich, wenn ich sie nur angeschaut habe, und dass einer wie ich mit ihr schlaeft, ich meine, sonn super erfolgreicher Musiker, das war das Hoechste fuer sie, das muss sonne Uebertragungsgeschichte sein, ich meine, sie hattes ja selbst versucht als Saengerin, aber irgendwann aufgegeben, und so hat sie ihre eigenen Traeume auf mich uebertragen.

Es war auch nich schlecht mit ihr, wir hatten viel Spass, und sie war wirklich besoffen nach mir, nur zum Schluss, da isses dumm gelaufen, kann man wohl sagen, aber andererseits, irgendwann waer's sowieso passiert, ich wollte mich nich binden damals, das haette sie so oder so kapieren muessen.

Ich meine, so isses im Showgeschaeft nun mal, hier sind die Sitten rauher, hier weht ein schaerferer Wind, man muss sich durchbeissen, wenn man's schaffen will, und entweder man haelt das aus oder man geht bachab, keiner kann sich bei uns Sentimentalitaeten leisten.

Okay, ich hab viel Glueck gehabt, hatte zur richtigen Zeit den richtigen Song, den die Leute hoeren wollten, iss ja alles sehr schnelllebig bei uns, heute top und morgen was anderes. Ausser wenn du ganz oben bist und alle kennen deinen Namen, dann bleibst du auch oben, und deine Musik wird gekauft. - Bei all dem muss du natuerlich hart arbeiten, die Aufnahmen und Livekonzerte und so weiter, und du darfs keine schlechte Ware abliefern, 'n richtiger Knochenjob iss das.

Wir warn dann zusammen, die paar Monate im letzten Sommer, wenn man das so sagen kann, sind an freien Tagen zusammen losgezogen, viel freie Tage hatt ich nich damals, aber Parties gibts genug, wer will, kann bei uns jeden Tag ne andere Party feiern und lernt jedesmal neue Leute kennen, auch Frauen ja, und genau da liegt das Problem, ich hab viele Moeglichkeiten und wuerde mein Potential gern ausschoepfen, bis ich 35, 40 bin, und erst danach etwas kuerzer treten und monogam werden, aber Sabrina hat mich zu gaengeln versucht, war eifersuechtig bis zum geht nich mehr, und irgendwann hab ich mir gedacht, nun reicht es aber, das lass ich mir nich gefallen.

Ja-also, sie hat mich zu gaengeln versucht, auch nach den Konzerten, wo ich echt Chancen hatte, ich sag dir, wenn du soviel Erfolg hast, bist du interessant fuer die Weiber, speziell fuer die Juengeren, ganz egal, was du sonst fuern Mensch bist, die sehen, wie du die Massen bewegst und fahrn total auf dich ab.

Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, ich meine, iss doch nich verboten oder, und habe ihr das auch gesagt, und sie hat das geschluckt und nichts weiter geaeussert dazu, aber dann stand sie mir doch im Weg, zuerst bei der neuen Kollegin, wo ich ganz leise und vorsichtig vorgehen musste, obwohl wie gesagt eigentlich alles klar war, aber man iss eben doch Mensch, und ich glaube, sie hat nich viel davon mitgekriegt.

Aber wenn sie dann auf jede Fete mitkommen will, um dich zu kontrollieren, ... iss klar, eines Tages wird es passieren, sie wird es mitkriegen. Da war dieser Polterabend, zwei ziemlich bekannte Gestalten aus der Szene wollten heiraten und ham die Sektkorken knallen lassen, wie man so sagt, und da waren jede Menge geile Frauen und die Stimmung war gut, und alle kannten mich mindestens vom Sehen, ausser sonn paar Schnepfen, die gibt es immer, die stehen rum und kucken in die Luft, wenn du vorbeigehst, und wenn du Elvis persoenlich waerst, sie beachten dich nich, wahrscheinlich wolln sie sich damit interessant machen, aber bei mir zieht das nich, ich steh mehr auf den direkten Typ.

Jedenfalls ham sich gleich zwei Tussies auf einmal an mich rangemacht, die eine war wirklich suess und ich konnte nich wiederstehen, Sabrina hin oder her, da bin ich ein Baer, der annen Honigtopf will, und mindestens ne halbe Stunde haben wir rumgeschaekert und wild gelacht dabei, ich war etwas angedroehnt.

Sie stand nich weit weg und hat die ganze Zeit gekuckt wie ne bloede Kuh, ich weiss nich, was das sollte, ich meine, bei ihrem sexy Aussehen haette sie selbst einen aufreissen koennen. Zum Schluss habbich die beiden an die Seite gedraengt, ausser Sichtweite, und dann ab in ein Nebenzimmer, ich meine, der Braeutigam hatte ne Riesenwohnung, und wir haetten echt Spass haben koennen, aber dann stand SIE in der Tuer, und das hat mir den Fun natuerlich verdorben, zuerst jedenfalls, aber ich hab nich lange gefackelt, ich bin ein Mann der Tat, wenn sich sonne Gelegenheit bietet, lass ich sie nich so schnell durch die Lappen gehen, ich hab Sabrina rausgeschmissen, die Eine war einfach zu schnucklig, und ich hab es dann zweimal gebracht, ich meine, nachdem Sabrina abgezogen war.

Ich weiss gar nich, warum ich so redselig bin, wenn ich das so schildere, klingt es reichlich gefuehllos, aber ich bin doch kein Kindermaedchen oder Sozialstation fuer Leute, die mittem Leben nich fertigwerden, in Wirklichkeit habbich mir damals nich gross Rechenschaft abgelegt, hab einfach drauflosgelebt und immer das naechstliegende getan, und finde immer noch, so sollte es sein, nur so kommt man voran, dies ganze Gerede und Selbsthinterfragung bringt nichts und liegt mir auch nich, also hoeren Sie auf, mich so bloed anzustarren, ich sage jetz gar nichts mehr.



Bemerkung: aus dieser Kurzgeschichte haette man leicht einen ganzen Roman machen koennen. Werde ich je die Zeit dafuer haben?


Copyright: B. Lampe, 1998

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