Die Namen der Giganten
Nach meiner Meinung kann man
die wirklich grossen Forscher an zwei Händen abzählen.
Die meisten übrigen beschäftigen sich mit dem Ausfeilen
bekannter Theorien oder mit der Verwaltung des Wissens.
Wer sich für jung und dynamisch hält, rennt gewöhnlich
irgendwelchen Moden hinterher. In der folgenden Liste
erkennt man, wie dünn die Schicht wichtiger Leute ist.
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Newton 1687 |
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9 |
Koppernigk 1509 |
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8 |
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Heisenberg 1925 |
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7 |
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Einstein 1905/1916 |
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6 |
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Meyer/Medelejew 1864 |
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5 |
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Chambers/Darwin 1858 |
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4 |
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Pauli/Dirac 1928 |
3 |
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2 |
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1 |
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In dieser Liste habe ich ich mich auf die Physik
beschränkt. Neben der zeitlichen Abfolge zeigt sie eine
Hierarchie der Bedeutung der Entdeckungen. Allerdings ist
der Tabelle nicht zu entnehmen, dass die erste Hälfte
des 20. Jahrhunderts die dynamischste Zeit in der
Geschichte der Naturwissenschaften gewesen ist.
Bemerkungen:
-
Zu den Geisteswissenschaften habe ich nichts zu sagen, da deren Raum erfüllt ist
von viel Gerede und alten Weisheiten und daher noch schwieriger auszumachen, wer
dort wirklich wichtiges geleistet hat. Selbst bei Kant würde ich zögern,
ihn oben irgendwo einzuordnen.
- In der Mathematik fällt es mir ebenfalls schwer, die wahre Bedeutung ihrer
Koryphäen richtig einzuschätzen, weil sie ein Fach des Querfeldeindenkens
ist, in dem sich die einzelnen Teildisziplinen, von denen es eine ganze Reihe gibt,
nur schwer nach Relevanz ordnen lassen.
- In der Biologie fallen mir Darwin/Wallace, Mendel und Watson/Crick ein, die
im obigen Schema irgendwo bei Note 5 angesiedelt sind.
- Die Chemie ist durch
die Schrödingergleichung gewissermaßen erledigt. Warum steht dann Schrödinger
nicht in der Tabelle? Weil Heisenbergs Ansatz für die Quantenmechanik allgemeiner
ist. Schrödinger gilt für die Chemie, Heisenberg auch in allen anderen Situationen.
- Heisenberg und Einstein treten gegen Newton und Kopernikus zurück, weil
sie genau genommen nur Konsequenzen aus Eigenschaften der lange bekannten
D'Alembertschen Wellengleichung gezogen haben. Darum sind ihre Modelle auch so
schnell populär geworden. Einsteins Theorien basieren auf den Symmetrieeigenschaften
der Wellengleichung, Heisenbergs Unschärferelation auf der Schwarzschen Ungleichung,
die für Wellen gilt (plus einer Eigenschaft der Materie, die durch hquer spezifiziert wird).
Heisenberg gebührt allerdings ein Extrapunkt, weil er auf der Grundlage der Welleninterpretation
nach Jahrhunderten ein völlig neues mathematisches Verfahren, seine Matrizenmechanik,
in die Physik eingeführt hat.
- Kopernikus ist nicht nur der Erfinder eines neuen Weltbildes, sondern steht als der
Gigant am Anfang der Physik überhaupt. Kann man Kopernikus als Ersten der theoretischen
Physiker ansehen, so gebührt Galilei die Bezeichnung des bedeutendsten Experimentalphysikers.
Er hat die Fallgesetze studiert und gute
Ferngläser gebaut, mit denen die Jupitermonde beobachtet werden konnten.
Im übrigen hat er hauptsächlich Kopernikus' Modell populär gemacht und verteidigt.
Wie tendenziell jede neue Theorie hat sich auch das heliozentrische Weltbild
gegen den damals vorherrschenden Mainstream gestellt. Es gab zwar in der Antike
auch die Notizen des Aristarch von Samos, der annahm, dass die Erde um die Sonne kreist,
aber die waren längst nicht so fundiert und detailliert wie Kopernikus.
- Newton muss als
das größte Genie überhaupt angesehen werden, da er nicht nur die Infinitesimalrechnung,
sondern auch die Mechanik (die Kraft ergibt sich aus der zeitlichen Variation des Impulses)
und die Gravitationstheorie (die Kraft ist gleich G*M1*M2/r**2) 'erfunden' hat.
Damit konnte er die Bewegungen der Planeten um die Sonne und damit die Keplerschen Gesetze
bestätige. Nb, bei Keppler muss man feststellen, dass er keine strenge
Naturwissenschaft betrieben hat.
- Rutherford, Röntgen, Herz, Curie und andere Experimentalphysiker sind nicht vertreten, weil
sie 'nur' partikuläre Phänomene entdeckt haben. Selbst Micholson und Morley wurden in der Tabelle
nicht aufgenommen, siehe dazu auch die eher prosaische Geschichte dieses Experimentes, das
erst von der Physikhistorie zum Meilenstein gemacht wurde.
- Maxwell als Vollender der Elektrodynamik (1864) steht für eine ganze Reihe von
Wissenschaftlern (Faraday, Coulomb, ...), die dazu beigetragen haben
- Atommodell und chemische Bindung sind ebenfalls ein Thema, bei dem zu
viele Leute mitgewirkt haben, als dass man einen einzelnen
besonders hervorheben könnte.
Das Bohrsche Modell ist zum Beispiel ziemlich rudimentär.
- das Quarkmodell von Gell-Man und Zweig (und Nambu) hat eine lange Vorgeschichte,
wo es nur noch ein relativ kleiner Schritt war, auf die fundamentalen Tripletts
zu kommen
- Auch andere Einträge in der obigen Tabelle sind im Grunde unvollständig.
Die allgemeine Relativitätstheorie zum Beispiel basiert
auf Vorarbeiten von Gauss, Riemann, und die Feldgleichungen
sind zuerst von Hilbert aufgestellt
worden, was vielleicht nur darum häufige Erwähnung findet,
weil Hilbert einer der Götter der Mathematik ist.
Es ist also nicht immer klar, inwieweit die jeweilige
Entdeckung nicht 'in der Luft' lag oder ursprünglich
von Anderen angestoßen wurde, an die nicht
mehr erinnert wird. Bei Watson/Crick etwa wurden zu der Zeit
auch von anderen Leuten Helixmodelle für Großmoleküle diskutiert. An
Experimenten mit Protonen waren außer Rutherford damals sicher
auch andere beteiligt. Es ist dann gewöhnlich so, dass der Gruppenleiter
oder derjenige, der sich gut ins Gespräch zu bringen versteht, berühmt
wird, während man die übrigen übergeht.
Dies kratzt an dem Bild großer Berühmtheiten, die die
Wissenschaft vorangebracht haben, weil es vermutlich mindestens
genauso viele gibt, die von der Wissenschaftshistorie
aus irgendwelchen Gründen nicht erwähnt werden.
An der generellen Einschätzung, dass die überwiegende
Mehrheit der Wissenschaftler Mitläufer sind, ändert
es allerdings nichts.
- Planck hat 'nur' eine Messkurve angepasst und ist so zu seiner Konstanten gekommen.
Ferner hat er sich um Boltzmanns und Einsteins Ideen verdient gemacht. Typisch für Plancks
zusammenfassendes Denken ist auch, dass er aus den 3 physikalischen Konstanten h, G und c
eine fundamentale Länge, eine fundamentale Zeitspanne und eine fundamentale Energieeinheit
'ausgelesen' hat.
- viele weitere Kandidaten: Leibniz (steht hinter Newton zurück),
Glashow (als einer von mehreren Vätern des sogenannten Standardmodells, das aber nur
ein effektives Modell für die Teilchenwechselwirkungen ist),
Feynman (der als einflussreichster Physiker des 20. Jahrhunderts angesehen wird,
hat die Störungstheorie in der Quantenfeldtheorie auf intuitive Weise interpretiert,
verdienstvoll, aber keineswegs gigantisch),
Fermi (könnte zusätzlich zu Pauli und Dirac genannt werden, weil er das
statistische Verhalten der Fermionen hergeleitet hat), Boltzmann (für die Erneuerung
der Thermodynamik), Poincare, Weyl usw.
Man sollte auch berücksichtigen, dass die Menge der wirklich
wichtigen Probleme überschaubar ist. Von den 100 offenen Fragen,
die die Zeitschrift Science für das nächste Jahrhundert auf die
Agenda gesetzt hat, halte ich nur einen kleinen Bruchteil
für bedeutungsvoll. Hier
meine Kommentare zu diesen Fragen.
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B. Lampe
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