Hamburger Trilogie


1. Old dirty river

fliesst an meiner Seite.
Wie im Traum
geh' ich die menschenleere Uferpromenade entlang
alles ist weiter als in meiner Heimat
und ungepflegter
Wehmuetig blicke ich nicht den Handelskaenen,
sondern dem ruhigen Wasser nach,
welches sie aufwuehlen.
Hinten am Horizont beginnt schon das offene Meer.

Im Ruecken der Hafen
Blohm und Voss, Dock 10,
Pipelines, Fackeln der Raffinerien,
Speicher, Entladekraene,
schwappendes Oel, brauner Dreck auf den Flutenkronen,
steife Brise, Bredel,
so viele Lieder, vergessen
so viele brennende Traenen

Zwei Radfahrer ueberholen mich
hier verschanzt, graebt sich
die wahre Bourgeoisie ein
uralt wie der Strom.
er wird seinen Lauf nicht mehr aendern
oder alles zermalmen

in Gedanken versunken
verbreitet sich ploetzlich die Promenade
ein Cafe, hier lass ich mich nieder,
neben Senioren, die ueber ihr Leben nachdenken,
vertan.
gehen zu mir herueber, ihre Blicke
 

2. Suburbgardening

Der Fluss ueberall
Lastschiffschornsteine segeln vorbei,
verschwinden hinter dem Suellberg
tauchen bei Cuxhaven ins Meer

Den Suellberg hinauf: Gaerten des Reichtums,
vergangener Knochenarbeit Frucht, und Tiefgaragen
voll Porsches
erst Stille
dann klaeffende Jagdhunde
sich windende Koerper am Zaun

Zwei Kinder im Sandkasten,
unter alten Kastanien spaerliche Sonne
Ginster blueht, Unkraut und auch
manche Blume ist ausgetreten.
Hier wird gut gelebt
CDU Revier

Weiter weg von der Elbe, im Hinterland,
die Haeuser sind schlichter,
keine alten Baeume
knoecherne Nachbarschaft
Wieso hier wohnen, wenn man
in Pinneberg weniger Steuern zahlen muss?

flaches Land, als waere Euklid
mit der Raupe druebergefahren
Flachs und Baumschulen.
Unglueck der Provinz.
Unerfuellbare Sehnsucht.

Wir drehen uns, Norderstedt kommt in Sicht,
unbefriedigte Ehefrauen und Zahnarzthelferinnen schoen wie Elfen
Hier rettete ich eine Wachtel
vor dem Verkehrstod.

Der Oberlauf der Alster, wieder Idylle und Reichtum,
aber einfach zu haben, wie alles in Hamburg,
beim Spaziergang.

Im Osten Wandsbeck, Dynamik, Wachstum, Verbrauch
dann
Barmbek und seine Arbeiter
... vergessen
Jedes Jahr im Mai beginnt hier der Zug,
endet am Gewerkschaftshaus
jedes Jahr Krawall
die Jungen mit der Polizei, die Hunde,
Eier auf den weissen Westen.

an den Kanaelen
Schwaene, die ihre Federn fetten oder
mit dem Schnabel Wasser seihen
 

3. Soft Waters

Mit der ueber alles Geliebten,
die mich abwies,
an der Alster;
die haengenden Weiden,
Enten verschiedenster Farbe und Groesse,
Jollen und Katamarane,
Gruner und Jahr und PR-Agenturen,
fuer die sie taetig ist,
versunken erstarrt in die Traeume,
die mich nicht mehr verfolgen,
unerreichbar ist alles geworden,
ihr Haar, ihre Lippen, ihr Rock.
Die Augen, einst bettelten sie, das Geheimnis
zu lueften, unter dem sie so litt,
heut' ihr Licht ist verloschen.

Sturm auf der Lombardbruecke,
zurueck in den Schutz der Allee,
hier im Gewuehl zeigt sich der Reichtum der Stadt,
die Einsamkeit feiert Triumphe.
Bei den Galerien Geheimnisse, Kaufen als Kunst.
Oder Waffe?
Friedlich die Kupferdaecher, stumpf und
massiver als das Haus-an-Haus suedlicher Seemetropolen.
Hamburg, meine Geliebte.


Copyright: B. Lampe, 1996