Ontologie der Substanz

 

Substanz ist das Eine, woraus alles besteht. Sowohl die Natur als auch der Geist bestehen aus diesem Einen, nur erscheint uns der Geist subjektiv als etwas Anderes, Besonderes. In Wirklichkeit besteht er aus Hirnmasse, d.h. er ist letztlich aus demselben Material geformt wie der Rest der Natur. Unser Bewusstsein ist ein Teil der Substanz, allerdings einer, den wir subjektiv anders wahrnehmen als den Rest der Welt, weil er sich habituell zu einem sozio-biologischen Individuum abnabelt, um die übrigen Teile nicht nur wahrzunehmen, sondern sie auch zu erkennen, d.h. zu begreifen, nach welchen Prinzipien sie funktionieren. Wir können uns teilweise, aber nie vollständig, von der Welt lösen, um die Welt aus einer halbwegs objektiven Perspektive zu analysieren. Wie dieses 'halbwegs' genau zu verstehen sei, haben Philosophen und Physiker seit Jahrhunderten aus ihren je verschiedenen Blickwinkeln zu beschreiben versucht.

Die Substanz samt den auf sie und in ihr wirkenden Kräften ist die Ursache für alles, was wir sind und wahrnehmen und worin wir sind. Doch welches ist die 'Ursache' der Substanz? Wie und wodurch ist sie entstanden? Diese Frage kann zu diesem Zeitpunkt, beim gegenwärtigen Stand der Experimentierkunst, niemand verlässlich beantworten. Es kann nur gesagt werden, durch welche Ursachen bzw Wechselwirkungen die Substanz bewegt, d.h. in Form und Gestalt verändert werden kann - zum Beispiel durch die Zufuhr von Energie. Allerdings ändert sich bei solchen Vorgängen nie ihre substantielle Identität.

Letztere Aussage gilt in dem von mir vorgeschlagenen Weltmodell für die von der Tetronmaterie gebildete Substanz, die den von uns wahrgenommenen Teil des Kosmos vollständig ausfüllt und den Träger der Einsteinschen Metrik bildet. Da andererseits die gewöhnliche Materie aus Anregungen (von Tetronen) besteht, kann diese durchaus ihre Identität ändern, indem etwa beim Betazerfall ein Neutron in ein Proton übergeht.

Ebenso ist hier nicht die Rede von der 'Substanz' eines einzelnen Dinges, eines Tisches zum Beispiel, im Sinne der charakteristischen Eigenschaft dieses Tisches, die ihn etwa von einem Stuhl unterscheidet. Dies bezeichne ich eher als Funktion denn als Substanz, da sie für den Menschen, nicht aber für die Materie-an-sich von Bedeutung ist. Vom Standpunkt der Einen Substanz unterscheidet sich ein Tisch nicht von einem Stein oder von einem anderen begrenzten Stück Materie. Im Vergleich dazu sind charakteristische Eigenschaften - insbesondere von Gebrauchsgegenständen - etwas menschlich Subjektives, den Dingen durch unser Bewusstsein Auferlegtes, was mit der Einen Tetronsubstanz, von der ich spreche, nichts zu tun hat. Auch in der Biologie gibt es solche Funktionen, die sich die DNS 'ausdenkt', d.h. durch trial and error im Laufe der Evolution entwickelt, um ihren Fortbestand zu sichern. (Dieser wird nach allem, was wir wissen, eines Tages ziemlich jämmerlich zu Ende gehen, spätestens wenn der Sonne der Brennstoff ausgeht.)

Substanz ist auch nicht die Eigenschaft eines chemischen Elementes, welche es von anderen Elementen unterscheidet, sondern das Zentrale, Gemeinsame aller Elemente, die aus Leptonen und Quarks und einer noch tiefer liegenden, universellen Schicht von Materie bestehen. Der Begriff der Substanz meint hier also etwas Grundlegenderes, was allen Dingen gemeinsam inhärent ist und auch die materielle Basis für unsere Bewusstseine darstellt, welche über sie nachdenken.

Die Idee der Einen Substanz ist dem Monismus verwandt, der von einem einzigen Grundprinzip ausgeht, welches die Dynamik des Kosmos bestimmt; und ganz allgemein hat das theoretische Denken seit jeher versucht, die Phänomene der Welt nach einfachen Richtmaßen zu ordnen. Obwohl es damit zuweilen recht erfolgreich gewesen ist, steckt hinter der Suche nach ordnenden Prinzipien und letzten Urgründen der Hang des menschlichen Verstandes, Reduktionen vorzunehmen; nicht nur in Fällen, wo Prozesse allzu kompliziert und für ihn unbegreifbar sind, sondern er wendet sie leider oft auch dort an, wo ihm mit solchen Vereinfachungen wesentliche Aspekte des Untersuchungsgegenstandes entgehen.

Immerhin korreliert dem Einheitsprinzip des Monismus eine einheitliche Grundbeschaffenheit der Wirklichkeit, deren Träger man die Substanz nennen würde. Als Naturalisten geht es mir in erster Linie um die Vorrangstellung des Trägers über das Prinzip, da die Substanz etwas Materielles ist, ein Prinzip hingegen etwas Gedachtes. Natürlich ist auch der Substanzbegriff als Begriff nur etwas Gedachtes, aber er pointet eben auf den materiellen Träger der Realität.

Weiterhin hat die Eine Substanz den Vorteil, dass sie die Existenz von mehrerlei Prinzipien erlaubt, mit unterschiedlichen Facetten, aufgrund derer man die Vielfalt der Welt verstehen kann. Damit löst sie das Grundproblem des Monismus, der ja aus seinem Einheitsprinzip heraus alle in der Welt auftretenden Differenzen generieren muss. Denn es wäre schlecht abstrakt, zu behaupten, die erste Differenz sei durch den Gegensatz zwischen Sein und Nichts gegeben und daraus ließen sich alle anderen gewissermaßen durch Iteration gewinnen. Auch durch Hinzufügen des ebenso abstrakten Konzeptes des Werdens lässt sich die reale Vielfalt der Welt definitiv nicht erzeugen.

Wenn umgekehrt mehrere unterschiedliche Prinzipien existieren, stellt sich die Frage, wodurch denn diese in einer gemeinsamen Welt konsistent zusammengehalten werden. Darin sehe ich allerdings kein Problem, solange sie alle den Schattierungen der Einen Substanz entsprechen, welche die Welt bildet. Allein die Tatsache, dass wir in einem (mindestens) 3-dimensionalen Raum existieren, stellt eine Facette dar, die ein dogmatischer Monismus nicht verstehen kann. Wenn in einem solchen Raum auch noch eine große Anzahl von vielen verschiedenen Teilchen als Anregungen der Substanz auftreten, entstehen zwischen diesen Teilchen automatisch nichtlineare Effekte, eine Tatsache, die den Widerspruch zwischen der einfachen Basisstruktur der Substanz und dem scheinbar komplizierten Gewebe unserer Welt auflöst.

Aus der Endlichkeit und Wandelbarkeit der materiellen Erscheinungen darf man auf keinen Fall schließen, dass diese auf einem Urprinzip beruhen, dem eine größere Rolle zukommt als der Substanz. Sondern Sein, Erscheinung und Interaktionen der Substanz müssen zusammen betrachtet werden. Es ist doch ganz einfach: es gibt eine Substanz, eine universelle bisher nicht beschriebene Teilchenart, aus der alle anderen Teilchen bestehen bzw deren Anregungen sie sind, und diese Substanz tritt mit sich selbst in Wechselwirkung, derart, dass sie eine Art kristalline Struktur bildet, die den gesamten Kosmos ausfüllt. Die normale Materie, einschließlich des Menschen, seines Gehirns, seiner Gedanken und seines Bewusstseins sind Konglomerate der genannten Anregungen. Und schließlich entspringt die Gravitationswechselwirkung, die Einstein als metrische Verformung interpretiert hat, einer Elastizität des kosmischen Kristalls.

Eine solche realistische, materialistische Sichtweise steht natürlich im Gegensatz zu jeder Form von Idealismus und Antinaturalismus, wo das Individuum und seine Reflexionen und Wahrnehmungen das Maß aller Dinge zu sein beanspruchen. In der Konsequenz ist die idealistische Welt allerdings chaotisch, unerklärbar, schlimmer noch: nicht existenzfähig. Offensichtlich darf man daher das oberste Prinzip nicht in unseren Köpfen suchen, sondern muss sich an die Informationen der Wahrnehmung halten.

Das menschliche Bewusstsein stellt immerhin die Begriffe bereit, ohne die diese Informationen nicht gefiltert und weiter ausgeforscht werden könnten. Das heißt: ohne Begriffe gibt es zwar die Natur, aber kein Verständnis von der Natur.

Es ist also die Substanz NICHT wie bei Aristoteles das Wesen eines Dinges - weil dieses Wesen etwas rein Gedachtes ist und daher von verschiedenen Betrachtern verschieden definiert werden kann. Sondern die Substanz ist eben das Meer der Tetronen und Tetraeder, auf denen sich die konkreten Dinge als Konglomerate von Anregungen bewegen können. Da es real ist, ist dieses Meer aber auch nicht reine Potentialität - oder höchstens in dem Sinne, dass es den verschiedensten Anregungsformen erlaubt, sich auf ihm auszubreiten.

Auch nicht sollte man das Gesetz, welches die Bildung des Tetraedermediums beschreibt, ein erstes und oberstes Prinzip nennen, nur weil es wegen der homogenen Verteilung der Tetronen an jedem Punkt des Raumes gleichartig wirksam ist. Ein Prinzip und ein Gesetz setzen ein Gehirn voraus, das diese innerhalb eines begrifflichen Rahmens formuliert. Nur wenn die Begriffe 'Prinzip' und 'Gesetz' so verstanden werden, dass sie Zeiger auf ein entsprechendes systematisches Verhalten, d.h. auf eine Eigenschaft-an-sich der Materie sind, kann man weiter voranschreiten und versuchen, dieses Verhalten genauer zu verstehen. So könnte etwa hinter jenem 'Prinzip' eine unbekannte neue Kraft stehen, die durch ein bisher unbekanntes Bindeteilchen mit durchaus komplexen Eigenschaften hervorgerufen wird. D.h. das, was man zuvor als ein oberstes Prinzip angesehen hatte, erweist sich im Verlauf der Erkennt-nisgeschichte als ziemlich vermittelt.

So wie der menschliche Geist von der Natur getrennt aber letztlich doch mit ihr verbunden, aus ihr geformt und von ihr abhängig ist, gibt es eine aus Bewusstseinen zusammengesetzte gesellschaftliche Substanz, die mit der physikalischen Substanz scheinbar nichts zu tun hat. Descartes hat diese Art der geistigen Substanz als res cogitans bezeichnet, und er hat hiermit durchaus eine bedeutsame wenngleich nicht besonders tiefsinnige Feststellung getroffen. Denn die Trennung von hyle und morphe nimmt das Gehirn vor. Die Dinge an sich, so sehr sie anthropologisch die Entwicklung unseres Geistes mitbestimmt haben, sind für dieses zunächst eine große Brache, die benutzt und erkannt werden will, aus möglichst vielen, unterschiedlichen Blickwinkeln, und dazu bedarf es einer res cogitans.

Das heißt nicht, dass ein Ding-an-sich strukturlos wäre. Sondern nur um die Struktur an sich zu erkennen und ihr einen Namen zu geben, bedarf es des Verstandes. - Was andererseits eine Trivialität ist, da die Einführung und Verwendung von Bezeichnungen und Definitionen ein System des Denkens voraussetzt. So sind auch die Seinsstrukturen-an-sich des Ding-an-sich, da sie nichts Sprachliches oder Begriffliches enthalten, von anderer Art als die vom Verstand benutzten, jene Seinsstrukturen freilegenden Methoden und Denkmodelle.

Obwohl diese DIFFÉRENCE, wie von verschiedenen Philosophen besonders der Moderne hervorgehoben, dem Menschen eine Reihe von Chancen eröffnet, sowohl im Hinblick auf sein eigenes Ich als auch seinen Umgang mit der Welt, darf man den menschlichen Geist und dessen Substanz auf keinen Fall zum Maß aller Dinge verklären, nur aufgrund der im Grunde Selbstverständlichkeit, dass wenn ein Ich die Welt betrachtet, es diese Welt distanziert durch seine eigenen Augen hindurch wahrnimmt, und dass es sie nach Prinzipien ordnet, die der Natur des Verstandes, welcher aufgrund seines Entstehens von praktischer Art sein muss, genehm sind und damit seine Sicht auf die Welt beschränkt.

Der Mensch konstituiert die Welt, doch nicht die Welt-an-sich, sondern eine, die ihm durch sein Gehirn und seine Wahrnehmung gezeigt wird, und eine, die er aufgrund seiner Vorurteile und -erfahrungen schon kennt oder zu erkennen meint. Genaugenommen sind alle diese Aussagen trivial, sie beschreiben nur, wie Hirn und Bewusstsein funktionieren. Anders könnte es gar nicht sein, denn anders kann gar keine Weltsicht entstehen. Das eigentliche, vermutlich unlösbare Geheimnis liegt eher darin, woher die außermenschliche Welt, d.h. die Welt-an-sich und ihre oben beschriebene Substanz stammen.

Entsprechend diesen Ausführungen darf die Wissenschaft günstigstenfalls hoffen, die Vorgänge in dem Ding-an-sich unseres Kosmos näherungsweise und funktional zu begreifen. Das ist viel und wenig zugleich. Um zur Erkenntnis zu gelangen, bedarf es beider 'Substanzen', der abgeleiteten des Geistes und der fundamentalen der Materie; und innerhalb der ersteren drittens uns SUBJEKTE DER FREIHEIT, ohne die überhaupt keine Erkenntnis wäre. Erkenntnis und Freiheit finden vollständig im Medium der Materie statt, zu dem auch unsere Gehirne und letztlich auch unsere Bewusstseine gehören. Eigentlich substantiell sind also nur das materielle Universum und seine gesetzliche Dynamik, auf dessen Fundament sich alles abspielt, die materielle Realität ebenso wie der erkennende, in und auf ihr agierende Geist.

Raum und Zeit

Raum und Zeit werden benötigt, damit die Substanz sich zu der Welt entwickeln kann, welche der Kosmos ist.

In der modernen Physik, besonders bei hohen Energien, hat es sich eingebürgert, Raum und Zeit zusammen zu denken. Die Relativitätstheorie hat bewiesen, dass Räumliches und Zeitliches ineinander transformiert werden kann. Man könnte dadurch zu der - allerdings irrigen - Annahme verleitet werden, zu glauben, Raum und Zeit seien von durchaus verwandter Natur. Tatsächlich wird in der Relativitätstheorie häufig von einem Raumzeitkontinuum gesprochen, was ebenfalls die scheinbare Ähnlichkeit von Raum und Zeit insinuiert. Das Zusammenspiel von Raum- und Zeitkoordinaten, wie wir es in Lorentztransformationen kennen, auf denen die Konzepte der Relativitätstheorie aufbauen, hat aber vor allem damit zu tun, dass wir in einer Welt der Wellenanregungen leben und selber aus solchen Anregungen bestehen. Die Wellengleichung, deren Symmetriegruppe die Lorentzgruppe ist, verschränkt Raum und Zeit in wohldefinierter Weise, ohne dass diese beiden Konzepte von ihrer tieferen Natur her etwas miteinander zu tun haben müssten.

-Die Substanz muss sich innerhalb von etwas ergießen. Dieses nennen wir Raum und beschreiben es durch Koordinaten und Koordinatenachsen. Seiner Natur nach besteht er in nichts Anderem als eben dieser Koordinatisierbarkeit. Damit die Substanz sich ausfalten kann, stehen grundsätzlich eine unbekannte Anzahl von Dimensionsachsen zur Verfügung. Dass wir genau drei wahrnehmen, ergibt sich im Tetronmodell aus der Dynamik ihres Kristallisationspro-zesses.

-Seit Boltzmann wird die Zeit oder zumindest ihre Gerichtetheit mit der Entropie und dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in Verbindung gebracht. Die kosmische Zeit entwickelt sich parallel zum Anstieg der Entropie, also in Richtung auf immer wahrscheinlichere Zustände, ein Faktum, dass sich unmittelbar aus der wahrscheinlichkeitstheoretischen Basis der Boltzmannschen Thermodynamik ergibt; und man kann daraus auf die Existenz eines Zeitpfeiles schließen.

Die Behauptung allerdings, Thermodynamik und Entropie reichten völlig aus, um das Wesen der Zeit zu verstehen, ist falsch. Das erkennt man am besten anhand der Betrachtung von elementaren Teilchenprozessen, bei deren zeitlicher Entwicklung die Entropie erkennbar keine wesentliche Rolle spielt. Auch ist bekannt, dass bei solchen Elementarprozessen eine Orientierung des Zeitpfeils nicht a priori vorgegeben werden muss. Jeder dieser Prozesse kann auch rückwärts verlaufen (modulo Vertauschung von Teilchen und Antiteilchen).

Wir wissen also nicht, was das Wesen der Zeit ist; möglicherweise besteht es wiederum in nichts Anderem als ihrer Koordinatisierbarkeit. Immerhin wissen wir aber, dass Zeit benötigt wird, damit die Substanz und besonders ihre Anregungen sich fortentwickeln können. Und dass nur eine einzige Zeitkoordinate vorhanden ist, entspricht der Tatsache, dass sich der Prozess des Daseins nur einen einzigen Weg seiner Entwicklung suchen kann.

Zusammengefasst können Zeit und Raum als 'Umgebungsbedingungen' für die prozesshafte Entwicklung bzw Entfaltung der einen Substanz begriffen werden.

Sein/Seiendes - Ontologie Natur

Der Begriff des Seienden umfasst sowohl unser Bewusstes und Unbewusstes als auch die äußere Welt, welche (in jeder realistischen Philosophie) unabhängig von diesem Bewusstsein existiert. Zum Sein gehört also nicht nur alles Denk- und Vorstellbare, das sich in unseren Köpfen abspielt, sowie unsere normale tägliche Umgebung, sondern auch all das, was außerhalb der direkten Wahrnehmung liegt und gewissermaßen jenseits der Ränder unseres persönlichen und physikalischen Kosmos existiert.

Im Ganzen unterscheide ich 2 plus 2 grundlegende Seinskomponenten:

(1a) Das Unbewusste, welches all jene Gehirnprozesse umfasst, an denen das Bewusstsein zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht beteiligt ist

(1b) Das subjektive oder Ich-Bewusstsein der Gehirne, das durch Interaktion mit anderen Bewusstseinen einen objektiven Charakter gewinnt und zusammen mit ihnen und der kulturellen Umgebung die menschliche Gesellschaft ausmacht. Jedes Ich definiert sich sowohl antagonistisch als auch einträchtig im Verhältnis zu den anderen Bewusstseinen, was den beiden Polen von Individualismus und Kollektivität entspricht. Seine 'Existenz' ist das Resultat der subjektiven Innenperspektive eines aus organischen Molekülen aufgebauten Gehirns. Alle möglichen emotionalen Zustände und Fähigkeiten wie zum Beispiel Empathie, Verliebtsein oder Angst verleihen ihm 'gefühlt' einen anderen Charakter als der Summe von Strömen und Eiweißmolekülen, aus denen es gebildet ist, und dieses Muster des sich subjektiv anders Fühlens setzt sich in der Wahrnehmung der äußeren Welt fort. So bedeuten uns z.B. Musikstücke meist mehr als die Abfolge von Geräuschen, aus denen sie ja eigentlich nur bestehen.

(2a) Auch wenn sie auf der Ebene von Ich und Inter-Subjektivität ein eigenes Leben führen, gehören das Bewusste und das Unbewusste als Teil des aus organischem Material bestehenden Gehirns zur Gesamtheit der Materie im Kosmos. Die Erscheinungsformen der Materie entsprechen verschiedenen Anregungen (salopp gesagt Schwingungsmoden) der einen Substanz, welche den Kosmos vollständig ausfüllt. Obwohl die Materie in Formen so fest wie Stahl und Diamant vorkommt, ist ihre Festigkeit nur relativ. Letztlich sind alle diese Anregungszustände nur flüchtige, wandelbare Schatten, die sich jederzeit auflösen lassen. Metaphorisch ausgedrückt: wir und alle Materie sind nicht die Bäume eines Waldes, auch nicht die Blätter eines Baumes, ja nicht einmal der Wind, der durch die Blätter rauscht. Sondern wir sind das Rascheln der Blätter.

(2b) die Substanz als das fundamentale Material des Daseins ist elastisch, besitzt aber eine diskrete Substruktur aus inneren Tetraedern, das heißt sie wird von einer sich wiederholenden Sequenz von vier Fundamentalobjekten, den sogenannten Tetronen gebildet. Deren Eigenschaften spiegeln sich in den Eigenschaften der Anregungszustände, aus denen wir zusammengesetzt sind.

Für die Untersuchung des Ich-Bewusstseins und der Gesellschaft ist (2b) allerdings völlig unerheblich. Ohnedies haben die geistigen Inhalte des Gehirns (1a,1b), die in der Form von Eiweißmolekülen vorliegen und nur für uns dies und jenes bedeuten, eine andere Seinsbasis als das reale Sein der Materie, das ein einfaches So-Sein darstellt, in dem das Funktionieren und selbst die Abgrenzung von 'Gegenständen' im engeren Sinne gar nicht vorkommen, weil sie bereits eine Beimischung unseres Wahrnehmungswillens und unserer von Interessen gesteuerten Erkenntnis enthalten. Das Ich-Bewusstsein lässt sich mit den auf einem Rechner laufenden Softwareprogrammen vergleichen, deren reale Grundlage völlig unabhängig von der Bedeutung und Funktion, die die sie für uns haben mögen, als System von Magnetisierungen des Speichermaterials existiert, welches in dieser Analogie die Rolle der Eiweißmoleküle im Gehirn einnimmt.

Daraus folgt, dass wir Menschen zusätzlich zur physikalischen Wirklichkeit eine eigene Bewusstseinsrealität zu imaginieren in der Lage sind. Ohne dass man seine naturalistische Grundhaltung aufgeben müsste, ist in diesen Nebenrealitäten Platz für ideelle, moralische, egozentrische, betriebswirtschaftliche usw Konzeptionen der Welt und etwa auch für die Erfahrung des Bösen als von Menschen zu verantwortendes Handeln.

Jene vertrauten Gefühle der Verlorenheit und Unversöhntheit in und mit der Welt, welche den Ausgangspunkt der meisten kritischen und existentialphilosophischen Theorien bilden, gehören ebenfalls zum Ich-Bewusstsein als Teil dieser imaginierten und letztlich unvollständigen, doch für jeden von uns essentiellen Nebenrealität, in die am Ende der Tod als physisches Finale hineinbricht, von dem es keine Heilung geben kann. Nicht einmal unserer Gattung wird es vergönnt sein, auf immer zu überleben. Wie alle anderen wird auch sie am Ende vom Globus verschwunden sein.

Aus dieser Sicht wird offenbar, dass es kein objektives geschichtliches Telos geben kann und angebliche Gesetzmäßigkeiten wie die des historischen oder dialektischen Materialismus, die derartiges behauptet haben, nur eingebildet sind. Es gibt zwar durchaus Gesetze, denen die gesellschaftliche Entwicklung folgt, weil es auch in Soziologie und Ökonomie Ursachen und Wirkungen gibt, aber diese sind meist nicht so zwingend wie in den Naturwissenschaften. Und sie lassen sich aushebeln, durch technische Innovationen beispielsweise oder eine spontan aufkommende neue Geistesströmung. Daher gibt es zwar einen Fortschritt in der Geschichte zu konstatieren, doch ist er ständig vom Entgleisen bedroht, und eigentlich ist niemals ganz klar, wohin er uns führen wird.

Darin liegt allerdings zugleich ein Basiselement der Freiheit, zumindest für die 'Eliten' einer Gesellschaft. In manchen historischen Situationen können diese nicht nur zwischen verschiedenen Fortschrittsoptionen wählen, sondern der Welt auch weitgehend ihren Stempel aufdrücken. Der Druck der Machthaber und der Traditionen ist es auch, der die übrigen Einzelnen meist so handeln lässt, wie die Gesellschaft von ihnen erwartet. In welchem Sinne sie trotzdem noch als Individuen frei ist, wird später im Teil über Existenzphilosophie erörtert.

An dieser Stelle will ich stattdessen zur allgemeinen Seinsproblematik zurückkehren, die auch das Sein der Materie (2a+2b) umfasst. Das Sein ist diejenige Eigenschaft des Seienden, bezüglich der sich alle oben aufgezählten Komponenten der Wirklichkeit gleichen und die es uns erlaubt, sie zu einem Gesamtkosmos der Realität zusammenzufassen, der 'Welt'.

Eine Frage in diesem Zusammenhang, die sich die abendländische Philosophie seit jeher gestellt hat: ist diese Eigenschaft mehr als ein formales, oberflächliches und ziemlich triviales Ordnungsmerkmal oder reicht sie in tiefere Schichten der Psyche und der Materie hinein? Und verweist sie darüber hinaus sogar in eindeutiger Weise auf ein zentrales Grundprinzip als notwendige und hinreichende Bedingung für die Eigenschaft des Seienden, zu sein - also auf eine monistische Struktur im Sinne einer Einen Substanz?

Die letzte dieser Fragen ist zu verneinen, insofern sie impliziert, dass die Seinsebenen (1ab) und (2ab) identisch sind oder einen gleichberechtigten gemeinsamen Ursprung haben. Wie bereits früher diskutiert, liegt stattdessen eine Hierarchie der Seinsebenen vor, d.h. (1ab) ergibt sich aus der Subjektivität des Bewusstseins innerhalb der durch (2ab) gegebenen physikalischen Realität. Zwar wird das Erkennen derselben durch (1ab) modifiziert, nicht aber ihr Wesen bzw ihr Sein.

Sie ist aber zu bejahen, insoweit das Sein die Seinsgleichheit alles materiell Seienden präjudiziert und damit einen Parallelbegriff zur Einen Substanz darstellt. Denn alles Seiende beruht letztlich auf dem Sein der Substanz.

Wie aber können sich auf dem Hintergrund der einen Substanz Materie und Bewusstsein bilden? Der hier vertretene Standpunkt ist, dass es die Eine Substanz in der konkreten Form der Tetronmaterie (2b) durchaus gibt. Während alle normale Materie aus Anregungen der Einen Substanz besteht, schaffen unsere Bewusstseine 'nur' eine imaginierte Seinsebene in Form einer 'Software', die für-uns ist und die es uns allerdings erlaubt, zu denken und z.B. die Grundprinzipien der physikalischen Dynamik der Materie und ihrer Substanz zu erkennen. Ich habe das 'nur' in Anführungsstriche gesetzt, weil dies natürlich eine äußerst wichtige Funktion darstellt, da der gesamte Rest der existierenden Materie, sofern er überhaupt wahrnehmbar ist, nur tot herumliegt oder Energie getrieben durch die Raumzeit wirbelt und sozusagen nichts mit sich anzufangen weiß. Solange nämlich die Wirklichkeit nur existiert, ohne erkannt oder bearbeitet zu werden, gibt es nichts außer dem (fraglos wahren) So-sein der Materie. Dieses So-sein ist zwar Folge einer komplizierten physi-kalischen Dynamik, doch diese bedeutet wenig, solange niemand sie erkennt und nutzbar macht.

Das Monismus-Pluralismus Problem stellt sich auf der Seinsebene von Bewusstsein und Gesellschaft anders als in der Physik. Während dort durch die Tetronen eine - wenn auch nur bedingt - monistische Struktur vorgegeben ist, kommt hier ein Einheit stiftendes Prinzip dadurch zustande, dass alle menschlichen Gehirne ähnlich strukturiert sind und sich zu einer kommunikativ interagierenden Menge, der Gesellschaft, zusammenschließen können. Allerdings ist diese Einheit durchlässig; es handelt sich um eine dialektische Einheit, in deren Rahmen Gegensätze ausgelebt werden und andauernd Freiräume und Spannungsfelder entstehen, indem sich zum Beispiel Einzelne oder auch Gruppen von den Anderen abgrenzen oder sich Herrschaftsansprüchen verweigern. Dies alles sind höchst subtile und mitunter fruchtbare, aber auch risikobehaftete Prozesse, die im Extremfall zum Zerfall und Auflösung der Gesellschaft führen können.

In vielen Philosophiekonzepten seit Platon hat das Allgemeine, Umfassende und Einheitliche (beispielsweise eine Gattung) einen höheren ontologischen Rang als das Spezielle, Vereinzelte und Komplexe (beispielsweise ein einzelnes sinnlich wahrnehmbares Objekt). Aufgrund der später diskutierten Bedeutung von Randbedingungen und multikausalen Effekten muss diese Sichtweise jedoch als zu einseitig abgelehnt werden. Sie entsteht ohnehin nur aufgrund des landläufigen Missverständnisses, welches Pointer auf Dinge mit den Dingen-an-sich verwechselt. Innerhalb der menschlichen Bewusstseine sind sowohl das Allgemeine als auch das Spezielle nur Denkstrukturen(=Pointer), die - von den Eiweißen abgesehen, als die sie abgespeichert sind - zunächst überhaupt keine ontologisch-materielle Existenz aufweisen.

Es ist auch nicht so, dass das Allgemeine in einem kausalen Sinne oder gar ontologisch das Besondere bewirkt und dass es aus diesem Grunde jenem übergeordnet wäre. Sondern die Wirkungen kommen im Besonderen durch Besonderes zustande. Ein wichtiger Faktor ist natürlich die Replikation, d.h. die praktisch unendliche Wiederholung von Basiselementen, z.B. von Atomen und Molekülen oder den Individuen einer Spezies. Zum anderen müssen bei der Analyse des Besonderen Vielteilcheneffekte in der Form des ungeregelten Zufalls und der Freiheit berücksichtigt werden. Wie die Natur den Kosmos im Speziellen ausgestaltet hat, lässt sich also aus einem allgemeinen Prinzp kausal nicht ableiten. Um das anschaulich zu begreifen, muss man nur in den Himmel der Sterne und auf die Erde der Wölfe schauen: da sieht man, welch ungeordnetes Chaos anstelle einer Wohlordnung des Allgemeinen unsere Welt ist. Über den Himmel zum Beispiel kann man höchstens ganz allgemein sagen, es ist Materie hingeworfen, die sich als erratisch verteilte Galaxienhaufen organisiert hat.

Dieser konkrete und spezielle Kaffeesatz des Daseins ist in einem ethischen oder ästhetischen Sinn vielleicht böse und unvollkommen, doch als Wirklichkeit ist er wahr, hermetisch, unleugbar materiell und vollständiger als unsere Gedanken, die sich irren können und oft in inkonsistenten Weltbildern zuhause sind. Manche haben noch das Glück, als allgemein verbreitete Ideen für Generationen im Bewusstsein der Gesellschaft zu überdauern, und einige sind derart stationär, dass sie für Jahrhunderte Bestand haben, im Idealfall aus dem einfachen Grund, weil sie der Wahrheit über die Dinge-an-sich sehr nahekommen. Zum überwiegenden Teil besteht jedoch der Inhalt unserer Köpfe aus ungereimten Einbildungen, schlampig zusammengefügt anhand unpräzi-ser Begriffsfiguren und damit alles andere als vollkommen.

Das aus Abstraktionen und Universalien zusammengesetzte Allgemeine existiert nur in unseren Bewusstseinen. Allerdings können wir mit seiner Hilfe Regeln und Gesetze und weitere nützliche Einsichten über die Dynamik der materiellen und sozialen Welt herleiten. Denn auch wenn diese Welt der geistigen Wesenheiten nur im Kopf existiert, haben doch die meisten Erkenntnisse, am Anfang und am Ende eine Beziehung zur Wirklichkeit. Als Pointer reflektieren sie Eigenschaften der Wirklichkeit, und wenn wir sie analysieren, liefern sie uns nicht selten nützliche Vorhersagen für das Verhalten der Materie und, sofern sie Gesellschaft oder Individuen betreffen, auch des Geistes.

In der Konsequenz dieses Kapitels lässt sich festhalten, dass die häufig vorausgesetzte Hierarchie zwischen allgemeinen Ideen oben und der speziellen Materie unten gewissermaßen auf den Kopf gestellt werden muss. Aristoteles hat einen Anfang gemacht, indem er die Ideen der platonischen Ideenlehre als Wesensbegriffe der sinnlich erfahrbaren Einzelgegenstände interpretiert. Dabei darf man ihm allerdings nicht allzu weit folgen, da er die Begriffe fälschlicherweise in das Innere der Dinge verlegt. Er will sie universell machen, übersieht jedoch, dass sich die fraglos vorhandene Universalität des Begriffebildens aus dem genetisch bedingten ähnlichen Aufbau der die Welt betrachtenden Gehirne ergibt. Tatsächlich existieren die Begriffe und Ideen zuallererst in unseren Köpfen und pointen nur auf Strukturen-an-sich, die in den Dingen-an-sich enthalten sind. Primär liegen sie im Bewusstsein, betreffen und reflektieren aber natürlich Seinsaspekte der materiellen und psychischen Dinge. Das ist eben genau die Art und Weise, wie wir in der Welt sind und denken und in die Realität eingreifen können.

Zu guter Letzt sei noch einmal darauf hingewiesen, dass alle hier diskutierten Punkte ganz gezielt unter der Leitlinie der beiden Seinsebenen (1ab) und (2ab) - dem physikalischen Sein und dem imaginierten Bewusstsein der menschlichen Köpfe - analysiert wurden. Diese beiden Ebenen finden sich in unterschiedlicher Fassung bei vielen Autoren, etwa bei Descartes und dessen Zwei-Substanzen-Lehre mit einer ausgedehnten und einer denkenden Substanz. Auch die beiden 'Seinsregionen' Sartres lassen sich hier wiedererkennen, wobei er als Existenzialist dem Sein des Bewusstseins (des Ich, des Anderen und der Gesellschaft) eine ungleich wichtigere Rolle zumisst als dem physikalischen Sein. Das physikalische Sein erschöpft sich bei ihm in einer Gesamtheit von vordergründigen Erscheinungen, aus denen die materielle Wirklichkeit besteht, wohingegen das Bewusstsein eine Auslegung von sich und der Welt, ein Seinsverständnis, besitzt. Auf der erkenntniswissenschaftlichen Ebene entspricht dies der obigen Feststellung, dass die Welt ohne Erkenntnis nur da-liegende Substanz wäre.