Fruehjahr 1975 Herbst. Im Rueckspiegel, wie ein Aquarell, das flache Land, seine Heimat, zur Rechten vom roetlichen Schimmer der Morgensonne umkraenzt. Links waberte feiner Nebel auf Wiesen und Feldern. Einsame Hoefe schlafend, fetter fruchtbarer Boden. Ackerwege und Alleen, die von der Strasse abzweigten. Kriegsgraeber und Kiesgruben. Menschenleere. Vor ihm die schnurgerade Landstrasse, die sich irgendwo in der Ferne verlor. So ein Land gab es nirgendwo auf der Welt. Er liebte die Strecke. Anders als auf den uebervollen nervoesen Autobahnen mit ihrem Gedraenge und Lichtgehupe ungeduldiger Geschaeftsreisender, fuehlte er sich hier seltenfrei. Er trat aufs Gaspedal. Bassum ... Brinkum ... Delmenhorst; Namen wie aus Altgermanien. Cloppenburg, Quakenbrueck - naja. Kurz vor Bremen auf die Autobahn, da fiel ihm der Witz ein: "Zwei Maenner sitzen im Zug, der eine trommelt ploetzlich wie wild gegen die Scheibe ... Dann schob sich die Musik wieder in den Vordergrund seiner Wahrnehmung und das Dasein verlor sich in die Lausprecherboxen. Spaeter, bei Hamburg, musste er aufpassen, sich nicht im Gewirr der Autobahnkreuze zu verheddern. Und dann, sehr wichtig, die richtige Elbtunnelroehre, sonst war ein weiter Umweg ueber Fuhlsbuettel und Bahrenfeld faellig. Danach gleich runter von der Ueberholspur, einfaedeln nach Othmarschen. Eine Allee mit uralten Baeumen machte einer vierspurigen Schnellstrasse Platz, das Altonaer Krankenhaus, dieses Monstrum von 30stoeckigem Hochhaus, er wusste, hier wollte er niemals liegen. Bald wurden die Spuren wieder enger und die Parklandschaft faserte in Vor- und Nachkriegssiedlungen aus, einfoermige sechsstoeckige Bauten, grau, Traufhoehenverordnung, dahinter auch Industrieanlagen irgendwo, Boehringer Pharma, Wella. Dann rechts rein in den Hohenzollernring, mitten auf der Kreuzung die Kreuzkirche, dann Elbchaussee und gleich war er da. Hastig holte er die Reisetaschen aus dem Wagen, worin die Mutter Buegelwaesche verstaut hatte - die Kochwaesche machte er selbst, aber zum Buegeln reichte es nicht - und schleppte sie auf sein Zimmer. Er haette leicht darauf verzichten koennen (keiner seiner Freunde trug gebuegelte Oberhemden), wenn es ihr nicht so wichtig gewesen waere. Nachdem ihr Ein-und-Alles nun selbststaendig war und kaum noch etwas von ihr wissen wollte, hatte das Buegeln seiner Hemden etwas Troestliches, ein loses Band, das sie nicht auch noch verlieren wollte. Von den Anderen schien niemand da zu sein, auf den Fluren nicht und auch aus den Zimmern war kein Geraeusch zu hoeren. Richard ignorierte das subtile Gefuehl der Einsamkeit, das wie ein feines Spinnweb in der Stille hing, er nahm sich nicht die Zeit, ueberall anzuklopfen und huschte die Stufen wieder herunter. Begab sich ins Auto zurueck und fuhr wie geplant zur Uni, mal sehen was anlag, ... wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, dass die VV am Freitag den Streik beendet hatte. Die Ingenieure waren in einem Provisorium untergebracht, einer Art Containerdorf, auf dem Hinterhof des Campus errichtet und im Hinblick auf den bevorstehenden Umzug seit Jahren nicht mehr instandgehalten, so dass bei starkem Regen an manchen Stellen Wasser auf die Flure tropfte. Die Studenten hatten es trotzdem liebgewonnen, so nah am Puls des Lebens - in Harburg wuerde man in Betonsilos gefangen sein. Auf der ganzen Flaeche des Hauptcontainers hatten verschiedene Buende und Organisationen in regelmaessigen Abstaenden ihre Buecher- und Infotische aufgebaut. Im Moment standen die meisten verwaist und eine seltsame flachweite Einsamkeit lag wie ein sanfter Wind in dem weiten Raum. Breite rote bis zum Boden reichende Decken, welche mit weissen oder schwarzen, fuer uns Heutige unverstaendlichen Kuerzeln bedruckt waren, kaschierten das Provisorische der Klapptische, und auch die zum Verkauf ausliegenden Buecher hatten nichts mit dem Ingenieurwesen zu tun. Ueberall an den Waenden klebten Plakate, im krausen Chaos mehrerer Schichten, nur die oberste deutlich sichtbar, Aufrufe, Hinweise auf Musik- und Diskussionsveranstaltungen, Einladungen zu den Dritte-Welt-Abenden der evangelischen Studentengemeinde als Eintrittskarten fuer ein neues Bewusstsein, dazwischen aeltere Schichten, manches Schoene darunter, schoen fotografiert oder gelayoutet, was man sich zu Hause gern aufgehaengt haette, hier brutal ueberklebt, verendet, vertrieben von der naechsten Ankuendigung, auch Kneipen und Laeden, die von den Studenten lebten, Hifi- und Second-Hand-Shops klebten ihre Werbebotschaften darueber. Laengst hatte der Hausmeister es aufgegeben, fuer Ordnung zu sorgen. Es musste 3 Jahre her sein, dass er in einem Gewaltstreich alle Plakate abgerissen und die unterliegende Wand mit Lauge gewaschen hatte, eine Sysiphosarbeit, voller Ingrimm verrichtet, sein verzweifelter Vorgaenger war an der Anarchie dieser Jahre regelrecht zugrundegegangen, hinab ins Nirwana des vorzeitigen oeffentlichen Ruhestandes. Jetzt interessierte den Nachfolger ihr Schicksal nicht mehr, fuer den aesthetischen Zustand eines abrissreifen Gebaeudes machte einen niemand verantwortlich. Es gab insgesamt wenig zu tun, nur die Sicherheitsvorschriften mussten beachtet werden; aber in Harburg, da wuerde sich alles aendern, "wartet's nur ab", dachte er, waehrend er aufrecht und untaetig in seinem Kabuff neben dem Haupthoersaal stand und durch das Bullauge versonnen in die Halle stierte. Kuerzlich war der Zeitplan fuer den Umzug bekanntgeworden. Und gleich spielten die Studenten verrueckt, liefen Sturm dagegen, und man fuerchtete, dass sie wieder irgendwas anstellten, was den reibungslosen Verlauf des Umzuges stoerte. - Doch diesmal wuerde man sie an die Kandarre nehmen, wuerde nicht zurueckweichen; Harburg war auch die Chance, sie ein fuer allemal kleinzukriegen. Richards Blick glitt ueber den Hausmeister ebenso wahrnehmungslos hinweg wie ueber alles andere im Raum - er suchte nach bekannten Figuren. Wie's aussah, hatten sich alle heute freigenommen, die Halle war absolut leer; also strich er gleich zum Fachschaftsbuero weiter. Ein Raum mittlerer Groesse von drei Seiten mit Glaswaenden umgeben wie eine Vitrine, in der die Studentenvertreter urspruenglich gewissermassen zur Ausstellung freigegeben waren, und vielleicht zur Kontrolle, doch inzwischen waren die Scheiben voellig mit teils professionell gedruckten, teils handbemalten Plakaten beklebt, sogar von der Decke hingen Poster herab, wie riesige Abzuege in einem Photolabor. Der Raum war von mehreren, reichlich mit Papier und Aschenbechern beladenen Tische verstellt, worauf Fluegblaetter, Aufrufe, Positionspapiere und Dutzende leerer Cola-Flaschen herumlagen. Dazwischen zwei Schreibmaschinen, die unter dem ganzen Morast schier erstickten. Hinten stand eine Druckerpresse, daneben Stapel weissen Papiers, nur darauf wartend, zu bedeutungsschweren Fluegblaettern verarbeitet zu werden. Leere Flaschen auch oben auf den Regalen, wo sie neben gesammelten Werken verstaubten. Ueber allem aber droehnte vergeblich ein alter, frontseitig mit Druckerschwaerze beschmierter Kuehlschrank. An geschaeftigen Tagen konnte man hier die jungen Politiker ein- und ausgehen und ihre Haendel austragen sehen, heute steckten immerhin 3 Kommilitonen eifrig ihre Koepfe zusammen. Richard wollte sich gerade abwenden, als er Dieter erkannte und kurzentschlossen auf ihn zuging, er wollte wissen, wie es mit dem Streik aussah, sonst haette er sich die Fahrt zur Uni schenken koennen. Wenn sowieso alle in Ferien fuhren, brauchte auch naechste Woche nicht herzukommen. Die andern beiden mussten zu den Elektrotechnikern oder Informatikern gehoeren. Im Moment beachteten sie ihn nicht weiter, so waren sie mit ihrem Disput beschaeftigt, nur Dieter nickte ihm kurz zu und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, er werde gleich Zeit fuer ihn haben, und in dieser nach unten gerichteten Handbewegung lag zugleich die wortlose Botschaft, wie wichtig ihm die Diskussion sei, dass eine Unterbrechung ihn stoeren wuerde, und vielleicht eine Geringschaetzung. Die Debatte wurde von einem lockigen Juengling dominiert, der in endlosem und bisweilen heftigem Stakkato auf die Anderen einredete, als sage er ein aus Ueberzeugung oder Leidenschaft auswendig gelerntes Buch in einem Atemzug herunter, nur gelegentlich von dem Dritten unterbrochen, der Rolf hiess und etwas aelter wirkte und nach eigener Einlassung erst neuerdings studierte und vorher bei Philipps Elektromotoren zusammengesetzt hatte, und dessen duennes straehniges Haar beim Sprechen wippte, weil er den Kopf am Ende jedes Satzes zurueckfahren liess wie eine aufgezogene Holzpuppe, waehrend Dieter zu alldem schwieg und nur durch gelegentliches Nicken oder Stellungswechsel oder schweres Schlucken oder kurzes heftiges Blinzeln zu verstehen gab, wie bedeutsam ihm diese oder jene der Ausfuehrungen erschien. Richard stand etwas abseits neben dem Trio und versuchte zuerst, den Argumenten zu folgen, doch als die Minuten verrannen, rueckte er gedanklich immer weiter von ihnen ab, nur noch Geschnipsel des hartnaeckigen Monologes drangen an sein Ohr, und schliesslich waere er beinahe frustriert abgezogen, wenn nicht der Vielredner sich ploetzlich und geradezu abrupt verabschiedet haette, nach dem Fluss der vorausgegangenen Saetze kam dieser Abgang fast schmerzhaft ueberraschend, er drehte sich auf dem Absatz und verschwand mit schnellen eckigen und zu dem phonetischen Muster seiner Saetze passenden Bewegungen aus dem Raum, es war, als ob dieser Mensch in einer anderen, schneller fliessenden Zeitwelt als andere Erdenbuerger lebte. Doch Dieter wandte seine Aufmerksamkeit nicht gleich dem alten Freund zu, sondern seine Augen verharrten bei Rolf, und es wurde schlagartig klar, des Lockigen lange Rede bildete nur den nahrhaften Teig, die kunstvoll gefertigte Robe, worin die eigentliche Kostbarkeit eingearbeitet war, die freundschaftliche Zuneigung zwischen Rolf und ihm, die sich erst soeben entfaltete, so dass es ihm schwerfiel, davon abzulassen. Schnell und widerwillig gab er Richard endlich die wichtigsten Informationen, "ja, der Streik wird fortgesetzt, nein, der ASTA hat die Leute dringend aufgefordert, sich nicht in die Ferien zu verabschieden; die dumpfe breite Masse wird sich aber nicht daran halten", sagte er mit wissenden Grinsen, er selbst zaehlte sich auch dazu, "morgen frueh fliege ich nach Marokko", sagte er, und mit leichtem Kopfnicken goutierte Rolf dieses Eingestaendnis, so wichtig nahm auch er die Studentenpolitik nicht. Die Beiden waren unversehens und geradezu unmerklich von der Politik zur Popmusik uebergegangen, jedenfalls ohne dass einer von ihnen ins Stutzen gekommen waere, und wo sie schon vorher groessere Gemeinsamkeiten festgestellt hatten. Rolf lud dann Dieter sogleich, aus der unbegruendeten Furcht, den Faden der Kommunikation zu verlieren, zu sich nach Hause ein, wo er ihm verschiedene musikalische Raritaeten vorspielen werde, und ohne Richard weiter zu beachten, erklaerte sich der Hofierte bereit, spornstreichs mitzukommen. Das Duo trollte sich dann zur U-Bahn, wo sie am Eingang kurz zoegerten, ob sie eine Fahrkarte kaufen sollten, und in einer Art gemeinschaftlichen Verschwoerertums umgehend darauf verzichteten. Dies brachte ihnen eine Viertelstunde den Stress von sich verfolgt fuehlenden Schwarzfahrern, denn sie mussten, waehrend sie sich unterhielten und die quietschende Bahn langsam ihrem Ziel entgegenruettelte, mit halbem Ohr und halbem Auge wachsam ihre Umgebung und besonders die Tueren beobachten, bereit, den Kontrolleuren davonzurennen, die sporadisch ohne Voranmeldung und gewoehnlich zu dritt in die Waggons stuermten. Sie redeten hin und her und konstatierten mit Genugtuung, wie die alte Dame auf dem Platz neben ihnen den Kopf schuettelte und dabei die Augaepfel verdrehte und sie dieserart schielend fixierte. Dabei presste sie, wohl aus Empoerung, ihre Lippen zusammen, was die Runzeln und Furchen in ihrem Gesicht zu vertiefen schien; doch sie sagte kein Wort. "...weil sie die absolute Freiheit verspricht", fuhr Dieter unbeeindruckt fort, er machte sich keine Gedanken, dass einer Rentnerin die Freiheit wenig bedeutet, wenn ihr jede Kraft fehlt, sie fuer ihr Dasein in Verwendung zu nehmen, dass ihr Glueck sich aus anderen Elementen zusammensetzt als das eines weltfremden und bis zum Halse in innerem Saft gaerenden Twens, der sie mit ueberheblichem Habitus voreilig von der Liste der Lebenden gestrichen oder mindestens ausgegraut hatte, da ihm auch bei genauerer Ueberlegung ihre wenigen verbleibenden Jahre leer und wertlos erscheinen mochten. Jugend tritt mit grossen Plaenen an, auch wenn es genau besehen gar keine Plaene sind, nur Traeume, und das Beduerfnis, besser zu sein als die Alten. Nicht immer trifft sie ins Schwarze. "Wenn ich die Hierarchien an der Uni sehe - Professoren, Dozenten, Assistenten und ganz unten die Studenten - wird mir ganz schlecht", fuhr er fort, "und in der sogenannten 'freien' Wirtschaft ist es noch schlimmer. Jeder strampelt mit allen Kraeften, dass er irgendwie nach oben kommt, oder zumindest nicht abstuerzt. In so einem System kann ich auf die Dauer nicht existieren. Meine Traum ist, in einer Gemeinschaft zu leben, wo alle gleich sind und keiner dem andern etwas vorschreibt." Dieter hasste die Anpassung, er war nicht bereit, sich der verbreiteten Ansicht zu beugen, dass die Ideen das Eine und die Realitaet das Andere seien, nicht bereit, sich ueberhaupt zu beugen. (... spaeter, in einem der Stuecke, die sie bei Rolf hoerten, wuerde es wie ein Kommentar auf seine Bekenntnisse heissen: "You may climb a mountain, swim the sea, you may jump into the fire, but you'll never be free, no, no, no, no".) "Ich habe doch gesagt, jeder soll seine individuelle Freiheit behalten", gestand Rolf ungeduldig zu, und endlich begnuegte sich Dieter damit. Mochte der andere meinen, ihn bekehrt zu haben, ein ueberzeugter Anhaenger seiner Gruppe wuerde er niemals werden, hoechstens vielleicht bei den naechsten ASTA-Wahlen ihr seine Stimme geben. Eben kroch die U-Bahn aus dem Untergrund wie ein Erdferkel aus seinem Bau, und gab den Blick auf den Himmel frei und die Rueckseiten alternder Hochhaeuser, befuhr eine Stahlbruecke, an deren Schweissnaehten herunterlaufender Regen in verschiedenen Brauntoenen seltsame rostige Kanaele gegraben hatte, und ploetzlich bei einer Weiche gab es einen dumpfen heftigen Schlag, dass die Furchtsamen unter den Fahrgaesten erwarteten, im naechsten Moment in die Tiefe zu stuerzen, sie aber beredeten weiter verschiedene Vorhaben ... - Die alte Dame hatte schon 2 Stationen vorher missmutig das Feld geraeumt. Dafuer, dass Dieter sie abgeschrieben hatte, war sie Rolf ziemlich leichtfuessig vorgekommen. "Ueber die Liveaufnahmen von der Genesis wirst du staunen", sagte er spaeter, und damit waren sie bei einem Thema, wo es garantiert keine Differenzen gab. "Echt geil", meinte Dieter, "Genesis ist immer gut." "Ich hab mir die neue Anlage erst kuerzlich gekauft. Die alte pfiff und zischte wie ne Diesellok. Wenn du dir damit 'Genesis' angehoert hast, dachtest du, die Endzeit bricht an." "Hast du auch schon die letzte Platte der Quicksilver, die sollte doch dieser Tage rauskommen." "Ich weiss, der Termin war Anfang des Monats, aber dann haben sie das Release verschoben, keine Ahnung warum. - Also jedenfalls, die Live-Mitschnitte, eigentlich sind sie illegal, aber wenn sie dir zusagen, spiel ich sie dir gern aufs Band." "Man kann wirklich sagen", fiel Dieter ein, "das Tonbandgeraet ist ein echter Schlag fuer die Musikindustrie. Sie hat alles moegliche ueberlegt, technisch und juristisch, um das Kopieren von LP's auf Tonbaender zu behindern oder wenigstens zusaetzlich Kohle dabei rauszuschinden, aber im Moment haben die Raubkopierer die Nase vorn." "Es ist ja sowieso eins Sonderleistung, etwas rein geistiges, was materiell nur eine sinnlose Abfolge akustischer Signale ist, zu einem profittraechtigen Gegenstand zu machen. Frueher, Landbesitz, das war noch was anderes, etwas richtig Reelles, aber heute! Und ich sage dir, es wird immer schlimmer werden, die Profite der Unterhaltungsindustrie werden die der Landbesitzer zigfach uebertreffen, Schauspieler, Entertainer und Schlagersaenger werden die reichsten Leute im Land sein, die neuen Ausbeuter sozusagen, die bei jedem armen Schwein ihren Obolus einsammeln ... dabei ist das Meiste nichts als verdummende Illusion ..." ------- "Soviel zur Qualitaet von Sandkastenfreundschaften", dachte der allein zurueckgelassene Richard unterdes. Man entwickelte sich doch auseinander und zog den alten Freunden ploetzlich ganz andere Typen und Charaktere vor. Er konnte sich nicht helfen, er fand, dieser Rolf mit seinen schiefstehenden stechenden Augen hatte etwas verschlagenes an sich. Er war sich nicht klar, dass Eifersucht bei seinem Urteil eine grosse Rolle spielte und man den wahrhaft Verschlagenen ihre Verschlagenheit ohnehin nicht ansieht, die sie hinter liebenswuerdigen Masken gut verstecken, ja, dass dies geradezu die Definition eines verschlagenen Menschen ausmacht, dass man also von einer Kreatur gar nicht sagen kann, sie sehe verschlagen aus, sondern dass es eben eine innere Charaktereigenschaft ist, die sich nicht anders wahrnehmen laesst als durch eine entsprechende, negative Erfahrung, die man selbst oder jemand anders mit dem Betreffenden macht oder gemacht hat. Und dann raetselte er, was Dieter wohl bei den Ingenieuren gesucht hatte, wo er doch Paedagogik studierte. Die Frage blieb wie vieles in dieser Welt unbeantwortet, und damit wandte sich der Alleingelassene gleichfalls aus dem Raum, bog in den Flur und zurueck in die weite einsame Halle, deren Decke ihm mit einem Mal niedriger als zuvor und gefaehrlich durchhaengend und im vergehenden Licht des Tages wie ein dunkler Schleier vorkam. Als er den halben Weg zum Ausgang zurueckgelegt hatte, bemerkte er am MSB Buechertisch eine reglose Frauengestalt, wie in eine Art Stillleben eingebettet vor dem trueben Hintergrund der gammelnden Waende, und irgendein unerklaerlicher Impuls (denn er machte gewoehnlich um MSB Buechertische einen grossen Bogen), seis wegen ihrer von Ferne schwachen aber wahrnehmbaren und gar nicht fragilen weiblichen Anziehungskraft, der er aus mueder Unkonzentriertheit nach der langen Autofahrt nicht widerstehen konnte, oder des momentanen Gefuehls der Verlassenheit wegen, das ihn spaetestens seit Dieters Abgang verfolgte, trieb ihn wie trockenes Laub auf sie zu, das auf der Strasse jaehlings von einer Boee mit maechtigem Schub in eine bestimmte Richtung geweht wird und vor einer Mauer abrupt zum Stillstand kommt; und so kam auch er jetzt vor ihrer Tischplatte zum Halten. Anscheinend regnete es draussen, denn sie trug eine graue unscheinbare und mit einigen Tropfen und Wasserflecken gesprenkelte Regenjacke, die sie nicht abgelegt hatte (sie fror) und die sie jetzt oeffnete, um ihm nicht ganz unfoermig entgegenzutreten, und unter dem Aufschlag nahm er die undefinierten Hebungen ihrer Brueste und und die niedrigeren ihres Bauches und Schosses wahr. Ihre Haare waren fest und dicht und die Zuege weiblich und eben, sie war insgesamt ziemlich aufregend und attraktiv, und auf den zweiten Blick nahm man zudem die schiere Lust am Leben in ihren Augen wahr, die jeden Kerl bei einer Frau unweigerlich anzieht, weil sie ein kostenloses Moment der Zukunft verheisst. Er verharrte vor ihr und wusste nicht, was er sagen sollte, und die Peinlichkeit der Situation kam ihm gerade zu Bewusstsein, als sie ganz unbefangen und mit weicher doch deutlich vernehmbarer Stimme fragte, ob er sich schon eingeschrieben habe, wenn nicht, solle er das moeglichst schnell und nicht erst am Anfang des Wintersemesters tun, das bringe viele Vorteile, kein Andrang im Immatrikulationsbuero, ausserdem bekomme er alle Papiere und Nachweise garantiert rechtzeitig per Post zugestellt; und da erst registrierte er hinter ihrem Ruecken das weisse Pappschild mit der Aufschrift 'Erstsemesterberatung'. Ah so, sie hielt ihn fuer einen Studienanfaenger. Er fragte sich fluechtig, ob er tatsaechlich so unbedarft wie ein Schulabgaenger aussah, oder spiessig und angepasst wie ein eben entlassener Wehrpflichtiger, und entschloss sich spontan, sie in ihrem Glauben zu lassen, Katz-und-Maus mit ihr zu spielen, mit den Leuten vom MSB war so was immer erlaubt. Ausfuehrlich liess er sich beschreiben, was man beim Immatrikulieren speziell und beim Studieren generell zu beachten habe und wo die wichtigsten Organisationen auf dem Campus ihre Bueros hatten. Auch mit manchen Empfehlungen hielt die Dame nicht zurueck, die Richard einem Anfaenger keinesfalls gegeben haette. Doch wozu sich herumstreiten?, er fuehlte sich seltsam geborgen, ja gluecklich in ihrer Naehe, und folgte weniger dem Inhalt der Rede als der Intonation ihrer Stimme, von der er sich wie in ein anderes Reich versetzt fuehlte, in dem weder Studium noch Politik noch sonst etwas irgendeine Rolle spielten. Waehrend sie redete, hielt sie seinen Blicken stand; mehr als das, sie reagierte mit langen, aufmerksamen Augenaufschlaegen von intensiver, irritierender Klarheit. Als sie aber zum Ende kam, betrachtete sie ihn pruefend, denn nun erwartete sie ihrerseits und zu recht, dass er sich mit dringenden Kommentare und Nachfragen ins Zeug legte. Doch ihm wollte partout nichts einfallen, so erfuellt war er von dem Glueck, sie nur anzusehen, ausser einer beleidigend nebensaechlichen Erkundigung ueber die Mensa, die Essensmarken und die Rueckmeldung bei Semesterende, welche er nur aus Hoeflichkeit stellte, weil er die Antworten natuerlich alle kannte und um das Bild nicht zu stoeren, das sich soeben in ihr entwickelte. Unter der Ebene des Sprechens und Informationengebens wurde sie naemlich von einer unerklaerlichen Zuneigung fuer diesen unsicheren Juengling erfasst, der sie so eindringlich anstarrte und anscheinend keinen vollstaendigen Satz zusammenbrachte, ein allzu bekanntes Verhaltensmuster, welches sie gewoehnlich mit Abweisung quittierte, in diesem Fall aber, wiewohl sie es schnell und nuechtern als ordinaere erotische Anziehung identifizierte (womit sie ihm bei der Analyse und Bewertung der Situation meilenweit voraus war) liess sie es bereitwillig ueber sich ergehen, badete geradezu in den Sonnenstrahlen seiner Bewunderung und waehrend er sich weiter in seinem Luegengespinst verhedderte, ueberlegte sie bereits, wie und was aus der Begegnung zu machen sei. Sie bot ihm an, er koenne sich jederzeit an sie wenden, wenn er nicht zurechtkommen sollte, bekanntlich sei das Studieren fuer jeden am Anfang ein Graus; ihm aber direkt ihre Telefonnummer aufzudraengen, wenn er nicht selbst danach fragte, soweit mochte sie doch nicht gehen. Er tat es nicht; aus dem schiefen Blickwinkel seines Rollenspiels fiel ihm in dieser Richtung nichts ein; zwar zu gern waere er noch viel laenger in ihrer Naehe geblieben, gab aber keinen guten Grund dafuer als die Wahrheit, dass er sie begehrte, ihr zu gestehen, vermochte er nicht. So meinte er, aus Hoeflichkeit den Rueckzug antreten zu muessen, signalisierte dies durch Haltung und gewisse Bewegungen des Rumpfes und Kopfes, und sie verstand sofort, dafuer hat jede Frau eine Antenne, wenn einer sich von ihr entfernen will, und zog sich ihrerseits zurueck, sammelte alle Wunschbilder und Erwartungen wieder ein, die sich in ihrem Kopf ausgebreitet hatten. Verstoert verabschiedete er sich, ohne auch nur ihren Vornamen zu kennen, zoegernd und mit versteinerten Zuegen, schon jetzt mit jenem bitteren Geschmack von Versaeumnis und Wehmut im Mund, der sich oft nach verpassten Gelegenheiten ueber die Zuckerkristalle unseres Gluecks legt. Nie vorher hatte er sie hier gesehen und konnte, wenn sie an einem anderen Fachbereich studierte, nicht davon ausgehen, sie bald wiederzutreffen, nicht bei den Tausenden Studenten, die hier herumliefen, und vielleicht wuerde er sie ueberhaupt nie wiedersehen, die vom MSB wurden von ihren Funktionaeren mal hierhin, mal dahin expediert, je nachdem wo sie gebraucht wurden, es war nicht wie bei den Sponties, wo die Laune zaehlte; das sah man an Tagen wie diesen, alle Buechertische verwaist, nur der MSB hielt die Stellung. Und obwohl er das alles haarscharf erkannte, war er nicht faehig, sie nach ihrem Namen zu fragen, mehr noch, erst im Abwenden kam er ueberhaupt auf diese Idee, und je weiter er sich in der Halle von ihr entfernte, desto mehr bedrueckte ihn sein Unglueck, und er musste sich geradezu zwingen weiterzugehen - alle Sinne, Gefuehle, Gedanken schienen ihn zurueckzutreiben, nur die truebe, grausame Wirklichkeit und eine sonderbar verwirrte Vernunft zwangen ihn voran, ein genauerer Beobachter als das nun doch hilflose Maedchen haette leicht feststellen koennen, dass seine Schritte tatsaechlich langsamer wurden - und endlich hinter der schweren Glastuer ins Freie zu treten. Er erreichte sein Auto und verliess den Parkplatz, ohne irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, vorbewusst wie ein Tier, am Dammtor haette er fast die Fussgaengerampel uebersehen, erst die kreischenden Bremsen holten ihn aus der Versunkenheit, und zwei Kreuzungen spaeter beschloss er umzukehren, impulsiv aus einer vagen Idee (nicht aus Ueberlegung, da die Vernunft ihn immer noch straeuben machte), schnell links um die Insel und das Gaspedal durchgetreten, und ohne zu wissen, was er ihr sagen wollte. Natuerlich fand sich kein Parkplatz, nur ganz hinten, und den haette er in seiner Panik fast uebersehen, im letzten Moment bog er hinein, verfehlte um Haaresbreite einen Kotfluegel, stieg aus, warf die Autotuer zu und eilte mit langen nervoesen Schritten ueber den Platz, unsteten Ganges, und endlich, keuchend erreichte er das Portal, versuchte fuerchtend und hoffend durch die staubigen Fenster ihre Gestalt zu erkennen und begriff im naechsten Moment, dass sie verschwunden war. Dann trat er ein. Die Halle lag voellig verlassen, als habe die Frau nie existiert. Sicherheitshalber streifte er einmal in weitem Bogen an allen Waenden entlang, spaehte in alle Gaenge und Flure, doch nichts regte sich; selbst der Hausmeister, der die ganze vorige Szene aus seinem Bullauge unbemerkt und neugierig beobachtet hatte, war von seinem Posten verschwunden. Auch draussen war nichts von ihr zu sehen, auch bei den Fahrraedern nicht. Da schlich er sich fort, ins Auto zurueck, klammerte sich eine Minute ans Lenkrad und liess endlich den Motor an. Dass er unterwegs Britta mit einem neuen Lover im Arm herumziehen sah, gab ihm fuer heute den Rest, er fragte sich, was manche Leute an sich hatten, dass sie es immer wieder schafften; und als er die Klopstockterasse erreichte, hatte seine Verstoerung einem masslosen Aerger ueber sich selbst und seine Lahmarschigkeit Platz gemacht, ueber die Zeit, die er jedesmal brauchte, zu einer Entscheidung zu kommen, wo andere, gluecklichere Menschen mit ihrer zupackenden Art laengst das Ihre gefunden haetten. Er war zu jung, um zu wissen, dass solche Erfahrungen wie das Destillat unser aller Leben sind. Wir sind Figuren eines Schauspiels, bei dem wir ohne Konzept auf einer riesigen Buehne erscheinen (der Weltbuehne), doch ehe wir uns genauer bedenken koennen, was sich aus dieser grandiosen Situation machen laesst, ist der Vorhang schon wieder gefallen. Zuerst versuchte er sich damit zu beruhigen, dass er ihr Verhalten vielleicht missinterpretierte und sie gar nichts von ihm gewollt hatte, dass sie, wenn er's genau bedachtete, zuviel ueberlegene Erfahrung und ueberhaupt kein erotisches Interesse ausgestrahlt hatte, er meinte sogar etwas Lauerndes habe neben aller Nettigkeit in ihrem Blick gelegen. Von der Sorte, die ihm freundlich kamen und spaeter, wenn man ihnen hoffnungsfroh zuleibe rueckte, auf Distanz hielten, gab es genug, Vera zum Beispiel; mit der war er letzte Woche verabredet gewesen, und hatte gedacht, nach vielen vertrauten Gespraechen sei es nun endlich soweit ... Doch als er sie anfassen wollte, wies sie ihn ab, und er wusste nicht warum. Vielleicht konnte sie vertraute Gespraeche nur mit Leuten fuehren, die sie als Liebhaber von vornherein ausschloss. Dabei musste sie sich doch denken koennen, wenn sie staendig mit irgendwelchen Typen ankam, dass auch er meinte ... - er verstand nicht, warum sie gerade an ihm ein platonisches Exempel statuierte. Vera war eine andere Geschichte wie das Maedchen eben, hing aber doch irgendwie zusammen. Das Grundproblem, dass er keine Frau fand, beziehungsweise dass es ihn jedesmal einen wahnsinnigen Zeit- und Kraft-aufwand kostete, eine zu finden, die obendrein meist schnell wieder die Kurve kratzte, blieb immer dasselbe. Seine Freunde schienen es wesentlich leichter zu haben, sie waren in Hinblick auf Frauen viel effektiver, dachte er in einem Anfall sinnlosen Neides. Um so deprimierender, wenn er seltene Gelegenheiten wie heute nicht ausnutzte; denn genau betrachtet und wenn er die Szene geistig noch einmal durchspielte, ihre Worte aus den weichen Lippen, ihre warmen Blicke mit dem unbedingten Laecheln, ihre ganze Zugewandtheit, hatte er DOCH das Gefuehl, dass er sie haette haben koennen. So wanden sich Aerger und Enttaeuschung in seiner Psyche wie die Schlangen um Laokoon und wollten nicht nachgeben; tatenlos und phlegmatisch verbrachte er den Rest des Tages in seinem Zimmer, jedermann meidend. Erst spaetabends hatte er sich wieder unter Kontrolle und begleitete Ali in den Erpel, wo sie ueber alles andere als ueber Frauen redeten. ------- Wir verlassen jetzt Richard fuer einen Augenblick und wenden uns Britta und ihren Geschichten zu. Sie hatte den ganzen Tag im heissen Buero gesessen. Sie war verschwitzt und frustriert und ausgetrocknet. - Ihre Gedanken und Wuensche aber waren klar und direkt wie frisches Regenwasser: "Seit Wochen habe ich keinen Sex gehabt, niemand, der zaertlich zu mir ist, mich streichelt und sich in mir bewegt." Sie sass vor ihrem Zeichenbrett und verging fast vor einer Sehnsucht, die seltsam abstrakt war, weil nicht auf ein bestimmtes Individuum oder einen bestimmten Augenblick gerichtet, auch etwas wie Aerger war dareingemischt, weil sie mit Gewissheit meinte, ihr entgehe etwas, worauf sie Anspruch hatte. "... und gleich wieder die Blicke der alten Knacker in der U-Bahn", dachte sie, als sie die Zeichenstifte wegraeumte, "die werden mir den Rest geben. - Mir reicht's endgueltig, heute muss was passieren, mit der Aussicht auf einen trueben einsamen Abend werde ich nicht nach Hause gehen." Wozu arbeitete sie in der City?, sie wuerde einfach die Moenkebergstrasse runterschlendern, in den Nippeslaeden stoebern, eine Kleinigkeit einkaufen, und es nebenbei darauf ankommen lassen. Vorher reichlich Makeup auftragen und die Haare ein bisschen wild zurueckkaemmen, und den Spiegel befragen, dann wars auch schon Zeit. Die Tueren hinter sich zuwerfen und hinein ins Vergnuegen. Naja, richtiges Vergnuegen auch wieder nicht. Wohin man blickte, Angestellte, die eilig einkauften oder zur U-Bahn hasteten und keinen Blick nach links oder rechts verschwendeten, Muetter mit plaerrenden Kindern, die den reibungslosen Abfluss der Massen behinderten, bloed-glotzende Teenis und die allgegenwaertigen muessigen Rentner, die junge Frauen mit ihren Blicken auszogen. Im Sommer gab es nicht viel auszuziehen, ausser ihren Sandalen trug Britta nur ein duennes weisses mit einem pastellenen Bluemchenmuster bedrucktes Minikleid, welches hinter ihr herflatterte wie das Faehnlein Fieselschweif. Das helle Licht zeichnete die Linien von Slip und BH nach und unterstrich ihre unvermittelte erotische Praesenz und Lebendigkeit. (Sie war damit nicht auffaelliger ausstaffiert als andere 20- bis 30-jaehrige. Dass viele Frauen in Miniroecken oder engen Hosen durch die Stadt rennen, ist eigentlich eine Form von Exhibitionismus - fuer ihre Fortpflanzung hat es sich anscheinend ausgezahlt. Sie tragen ihr Geschlecht wie ein Drittes vor sich her, zusaetzlich zu ihrem Koerper und zu ihrer Persoenlichkeit, wie koestliche Trauben an einem eher unscheinbaren Weinstock.) Wenn die Chefs manchmal komisch guckten, liess Britta das kalt, die wuerden sich schon wieder einkriegen. Ausserdem war es im Buero bei der Hitze anders gar nicht auszuhalten. - Im Moment schien ihre Aufmachung aber nicht viel einzubringen, seit 20 Minuten lief sie herum, ohne dass irgendetwas passierte. Etwas ruhiger, Britta, nicht so hektisch, dann behaeltst du den Ueberblick, den kann man in dem Gewimmel leicht verlieren, und kommst nicht so ins Schwitzen. Etwas spaeter fing sie den langen Blick eines Mannes auf. "Der kommt in Frage!" ahnte sie und liess ihn erst im letzten Moment wieder los, als sie fast aneinander vorbei waren, er verrenkte sich regelrecht den Hals nach ihr. Und sie reagierte ganz cool, wurde langsamer und stoppte wenig spaeter bei einer Juwelierauslage. Ein Blick zurueck, aha, da stand er, vor dem Schaufenster des naechsten Ladens und tat, als ob er sich fuer die Schuhe interessierte. - Er hatte angebissen. Doch wie jetzt Kontakt aufnehmen? Ihn ansprechen?, so emanzipiert war sie nicht, den ersten Schritt musste der Typ machen. Klar, es waere schade, wenn er mir-nichts-dir-nichts in der Menge verschwaende, aber letztlich koennte sie dagegen nichts tun. Zoegernd bewegte sie sich am Schaufenster entlang in seine Richtung. "Wahrscheinlich geht es ihm genau wie mir", ueberlegte sie, "er moechte mich anmachen, aber es ist ihm peinlich, Aufmerksamkeit zu erregen, besonders falls er abgewiesen wird, er kann nicht sicher sein, dass ich seinetwegen stehengeblieben bin. Also noch mal intensiv zu ihm ruebergucken, das wird ihm Beine machen." Aber er ruehrte sich nicht. - Vielleicht war es besser, in die Seitengasse abzuzweigen, wo nicht so viele Leute herumliefen, wenn er wirklich interessiert war, wuerde er schon nachkommen. "Zu riskant", entschied sie, "wahrscheinlich denkt er dann, dass ich es mir ueberlegt habe." Es lohnte sich nicht, ueber solche Eventualitaeten nachzudenken? Man sollte die Dinge mehr auf sich zukommen lassen. Also, Britta, konzentrier dich auf den schoenen Schmuck vor deiner Nase! Keine Minute spaeter stand er neben ihr und wieder warf sie ihm einen ihrer langen Blicke zu. Aus der Naehe sah er ja nicht so toll aus. Sein Gesicht hatte etwas haengendes, die Augen, die Nase und die Lippen, alles floss nach unten weg. "Was solls?" dachte sie. "Den schoensten Mann Hamburgs werde ich heute nicht mehr finden. Ausserdem ist er jung und ziemlich gut gebaut, was man so sehen kann, vielleicht ein bisschen zu geschiegelt, die WG wird die Nase ruempfen, wenn ich ihn mitbringe." "Hallo", sagte er ploetzlich, "wahnsinnig heiss heute", und strich sich ueber die Stirn. "Was halten Sie davon, mit mir ein Eis zu essen?" Er sprach leise und mit einer sonderbar vorsichtigen Intonation, solche Feinheiten konnte sie im Moment allerdings vor Aufregung nicht wuerdigen. "So was Einfallsloses!" dachte sie stattdessen, und ein freches "Wie kommen Sie denn darauf?" lag ihr auf der Zunge, er war wahrlich kein so toller Typ, dass er sich solche Plumpheiten leisten konnte, doch dann resignierte sie: "Ich muss mich entscheiden: will ich heute abend wieder allein sein oder nicht. Wozu mach ich mir schliesslich die ganze Muehe?" Da er den ersten Schritt getan hatte, war jetzt sie an der Reihe. Mit einer der sommerlichen Hitze ueber dem Pflaster angemessenen langsamen Drehung wendete sie ihm die Front ihres Koerpers zu, so dass sich ihr Kraftfeld wie ein Laserstrahl auf ihn konzentrierte, hastlos sparsam wie ein Reptil richtete sie sich auf, so dass Schoss und Busen gefaehrlich hervortraten, und laechelte ihn aufmunternd an. "Warum nicht?" sagte sie. Das naechste Cafe befand sich quasi in Sichtweite (wenn die vielen Fussgaenger die Sicht nicht behindert haetten) und sie bewegten sich schweigend und wissend durch das Gedraenge darauf zu. Am Tisch entpuppte er sich als passabler Unterhalter, der sie in Stimmung bringen und einmal gewonnenes Niveau auch halten konnte. Britta war gegen Maenner eher vom schweigsamen Typ, der mit einem imaginaeren Kokon aus Worten und Gesten und Blicken umgarnt werden will, bevor er sich auf sie einlaesst, der sprachliche Kosmos, den der Mann entwirft, ist der Naehrboden ihrer Bereitwilligkeit. Sie selber begehrte nichts ausser zu laecheln und gelegentlich einen Scherz einzustreuen, was ihn sicherer machte, auf dem richtigen Weg zu sein, den Rest besorgten ihre Figur, ihre Haut, ihre Augen usw. Er legte sich auch gehoerig ins Zeug und machte sie alles vergessen, die Arbeit, das Leben, die laute geschaeftige Einkaufspassage, sogar die grelle Helligkeit und Hitze des Himmels. Sie unterhielten sich wohl eine halbe Stunde, und es wurde bald klar, dass sich etwas entwickelte, schiere Lust machte sich in ihrem Unterleib breit, als werde der auf ihn gerichtete Strahl ihrer Weiblichkeit durch seine Rede wie durch einen Hohlspiegel reflektiert, wobei er seine Zustandsform aenderte, um in der koerperlosen Welt hinter ihren Sinnen als Leidenschaft zu kondensieren. Endlich! Er meinte zuerst in einem begreiflichen Missverstaendnis, ihr Verlangen sei ein noch zu zartes Pflaenzchen, man muesse behutsam vorgehen,duerfe sich keine Schnitzer erlauben, mit bestimmten Themen auf keinen Fall kommen, (zum Beispiel von seiner Freundin erzaehlen, naja das war klar, kleiner Scherz am Rande). Er wusste ja nicht, wie sehr sie danach lechzte, mit ihm, mit irgendjemand zu schlafen, und waehrend er auf sie einredete, ueberlegte er fieberhaft und zweifelte, ob sie ueberhaupt und wenn ja, gleich diesen Abend ... und diese Gedanken steigerten seine Begierde ... oder ob sie eine war, die lieber erst bei der zweiten Verabredung ... Je laenger er auf sie einredete, um so deutlicher wiesen die Signale - ihr unausgesetzt einladendes silbernes Laecheln und haeufiges helles Lachen, das Schnurren der Stimme und die Art, wie sie sich zu ihm vorbeugte - auf ein gleich-jetzt-sofort, und er entschloss sich spontan, einen Vorstoss zu wagen, so viel Zeit hatte er heute nicht, und wer wusste denn, was morgen war, und "Was machen wir mit dem angebrochenen Abend", fragte er, als sie gerade ihr Eis ausgeloeffelt hatte. Sie wusste sorecht keine Antwort darauf, die Wahrheit liess sich schlecht sagen, oeffnete aber die Lippen, so dass ihre Zunge sichtbar wurde, um die sich die Zaehne wie ein dashweisses Perlband gruppierten. Dann fiel ihr ein: "Wir koennen ja mal zur Alster runtergehen und uns ein bisschen die Beine vertreten." Damit war er sofort einverstanden. "Ja ok", sagte er, "ich habe heute auch den ganzen Abend Zeit." Sie versuchte die etwas unpassende Bemerkung zu ignorieren, aber die Woertchen 'heute' und 'auch' verstimmten sie. "Irgendwie ist das mit dem kein guter Anfang, trotz all seinem Gerede", musste sie denken. Wenn man ein festes Ziel vor Augen hat, darf man jedoch nicht zimperlich sein, und sobald sie den Trubel der Strassen hinter sich hatten und ins Gruene traten, wo vom See ein frischer Wind herueberwehte, nahm er wie selbstverstaendlich ihre Hand und spaeter legte er den Arm um sie, und noch spaeter, an einer entlegenen Stelle, bei einem schattigen Baum, zog er sie auf die Bank und begann sie zu kuessen und an allen moeglichen Koerperstellen ungeniert zu befingert, es schien ihm ganz gleich zu sein, dass sie beobachtet werden konnten. Sie liess es geschehen, mehr nicht, pro forma stoehnte sie ein bisschen. Jetzt, wo ihre Wuensche so bald erfuellt werden wuerden, hatte sie ploetzlich die Nabelschnur ihrer Lust verloren, konnte sich nicht mehr auf ihre Erregung konzentrieren, alle Vorfreude war verflogen und nur eine Art Pflichtgefuehl uebrig, gegenueber diesem doch reichlich mittelmaessigen Typ, und waehrend ihre Ruempfe sich aneinanderdrueckten, gruebelte sie ueber den Sinn dieser Anstrengung. "Lass uns zu mir gehen", schlug sie resolut vor und dachte: "Hier kommen wir nicht weiter. Dass wir einfach hinter die Buesche verschwinden und es schnell hinter uns bringen, ueber die Phase bin ich hinaus, sowas macht man mit 17. - Wozu bin ich bei meinen Eltern ausgezogen? In der WG hat noch keiner was gesagt, wenn ich einen anschleppe, hoechstens dass sie bloed gucken, ich kann mir schon vorstellen, was sie denken, aber ist mir egal, solange sie's fuer sich behalten und keinen Stress machen." "Hoffentlich ist es nicht zu weit", dachte er ungeduldig. Sie erreichten den 117er-Bus justintime, das heisst sahen ihn schon von weitem ums Muehleneck biegen, wo das Ungetuem Muehe hatte, nicht die anliegende Gaststaette zu streifen, und da nahmen sie sich wie von selbst bei der Hand und rannten so schnell sie konnten und waren dem Bus um Sekunden voraus, und lachend und keuchend erklommen sie die Stufen und liessen sich auf die beiden Plaetze direkt hinter dem Fahrer fallen. Und als er sie dann waehrend der Fahrt beruehrte und seine Augen in ihre versenkte, meinte sie und war sich ganz sicher, ihre Lust sei zurueckgekehrt. Und waehrend des ganzen Weges kam keine jener gezwungenen Pausen und Peinlichkeiten auf, welche frische Bekanntschaften der Geschlechter gewoehnlich bedrohen, und Britta vergass ihre vorherige Missstimmung, und auch als sie vor der Haustuer verharrten, um nach dem Schluessel zu kramen und aufzuschliessen und zwar niemand im Flur doch in der Kueche ausgerechnet Dieter (auch gerade erst heimgekommen) und Guenter trafen, war nicht der Moment fuer Zoegern und Zaudern, hier war dringend eine psychologische Huerde zu ueberwinden, es wuerde doch nicht so einfach sein, ohne eine Art von schlechtem Gewissen an den beiden vorbeizukommen, das spuerte sie schon, als sie die Stimmen hoerte. Sie haette gern wie die Andern ein Zimmer gehabt, das direkt vom Flur abging, dann haette sie bei Bedarf schneller verschwinden koennen, doch ihres war nur durch die Kueche zu erreichen, sie hatte damals keine Wahl gehabt, weil sie als letzte eingezogen war. Sicher, keine schlechte Behausung, gross und hell und lag zum Vorgarten raus, in subtilen Situationen wie dieser nervte es jedoch gewaltig, dass man erst durch die ganze Wohnung musste, und sobald jemand von den andern auszog, Dieter zum Beispiel, der staendig vom Landleben und Biogemuese schwaermte, wuerde sie sofort in sein Zimmer ziehen. Kein grosser Aufwand, soviel Klamotten und Kramzeug hatte sie nicht, nur neu streichen musste man es unbedingt, es war ziemlich verlottert. Auf solche Dinge legte er zu wenig Wert, fuer ihn waren das Aeusserlichkeiten, allein darum wuerden sie nie zusammenkommen, Guenter war in der Hinsicht noch schlimmer, er warf seine total verdreckten Klamotten einfach auf den Boden, wenn er fuer die Hafenstrasse mal wieder in der Kanalisation herumgekrochen war, und machte nie bei sich sauber, da sammelte sich der Dreck bis er schimmelte, der Abfall stapelte sich bis zur Decke, und wurde erst rausgetragen, wenn man sich ueberhaupt nicht mehr ruehren konnte. Bei der Kuechenarbeit konnte man sich wundersamerweise auf ihn verlassen, da war Otto viel nachlaessiger, fuer den inzwischen die Freundin fast alles erledigte. Britta wunderte sich, wie Ulla es mit dem stinkfaulen Typ aushielt, der vorigen Freundin war es zuviel geworden, glaubte sie (in Verkennung der Realitaet, die immer auf Seiten von Leuten wie Otto ist). Naschoen, Otto war allzeit gut drauf, mit dem hatte jede Frau garantierten Spass - auch wenn einem sein staendiges Grinsegesicht vielleicht mit der Zeit auf den Wecker ging ... wer wusste das schon. Aber wahrscheinlich war das genau das Geheimnis einer funktionierenden Beziehung, dass die Frau alles klaglos einsteckte, die Arbeit machte und der Mann seinen Hobbies nachgehen konnte. Solche 'Kompromisse' aber wollte Britta nicht eingehen, zumindest jetzt noch nicht ... Nun also Dieter und Guenter am Kuechentisch. Die Kueche war nicht allzu geraeumig und so stand Britta, bevor sie zu ihrer Zimmertuer abdrehen konnte, fuer einen kurzen Moment mit ihrer Eroberung direkt vor ihnen, wie zum Appell, und sie gruesste die Beiden mit verkrampftem Hallo, und deren Reaktionen blieben ihr nicht erspart. Was Guenter dachte, war unwichtig und schwer zu erraten. Mit Dieter war es anders, und wie bei einer nahenden Gefahr, obwohl zu konkreten Befuerchtungen wirklich kein Anlass bestand und sie moeglichst in eine andere Richtung haette schauen sollen, um sich gar nicht erst von seinen Gefuehlen behelligen zu lassen, konzentrierten sich ihre Sinne, wenn auch nicht geradezu, aber doch aus den Winkeln heraus, auf sein Verhalten, sie merkte wie sich seine Mimik veraenderte und nahm eine langsame sonderbare Bewegung des Unterkiefers wahr, die sie an das Mahlen oder Schmatzen eines Nilpferdes erinnerte, und erriet oder glaubte zu erraten, dass er schwer schlucken musste; und in dem gleich darauffolgenden ploetzlichen Wegrucken seines Koerpers lag so viel Ablehnung und Abwehr gegen die Verletzung oder Beleidigung, als welche er den Auftritt des Fremden empfand, dass sie einen Augenlidschlag-lang irritiert innehielt. Diese Ereignisse, eigentlich waren es keine Ereignisse, sondern Keime von Ereignissen, die nur zu Ereignissen haetten werden koennen, wenn Dieter sich zu etwas haette hinreissen lassen, was ihm jedoch voellig fern lag, weil er viel zu sehr mit sich selbst und seiner ihn ploetzlich ueberfallenden wohlbekannten Melancholie beschaeftigt war, welche ihn ebenfalls daran hinderte, Brittas Wahrnehmung seiner Affekte zu bemerken, fanden in Bruchteilen von Sekunden statt, und wenn man es im Nachhinein betrachtet, fiel es ihr nicht schwer, sich zuegig von ihnen freizumachen und entschlossen ihrer Zimmertuer zuzuwenden. Mit einer hochfahrenden ungeduldigen und selbstbewussten Bewegung ihres Kopfes drehte sie sich zur Seite, und dabei schuettelte sie ihre Maehne (und schuettelte damit auch Dieter von sich ab). Es war ihr einfach egal, was er dachte, sie wollte sich jetzt auf keinen Fall um ihn kuemmern oder ihm gar aus der Falle seiner Gefuehle heraus helfen, sie fuehlte sich viel zu sehr vom psychischen Misslingen ihres eigenen Vorhabens bedroht, um sich mit den Empfindsamkeiten anderer Leute zu beschaeftigen. Die zoegernden 'Hallos' als Antwort auf ihre Begruessung trafen sie schonmehr in Ruecken, und schweigend folgte ihr der Besucher und erleichtert legte er seinen Pullover auf den einzigen Stuhl, den sie ihm anbot, und seine Jacke aufs Bett, wo sie mangels anderer Sitzgelegenheiten Platz genommen hatte; und er fand, das war ein gutes Omen. Sie wollte ihm zu trinken anbieten, unterliess es aber, dazu haette sie nochmal in die Kueche gemusst. Und indem sie sich ueber diese Beschraenkung klar wurde, brach die erotische Spannung zwischen ihr und dem Fremden zum zweiten Mal zusammen, die draussen auf der belebten Strasse und noch vor der Wohnungstuer fuer jeden Betrachter so auffaellig war wie ein helles buntes Kleid auf einer Trauerfeier. Sie wusste, es war Dieters Schuld, eine durch ihn personifizierte Barriere, die ihre Lust straucheln und in unsichtbaren Kanaelen versickern liess. Denn unsere Gefuehle sind launisch wie leichter Seegang ueber einem grossen Meer; wenn irgendwo in der Tiefe eine Stoerung oder Stroemung oder gar ein Wirbel entsteht, geraten sie alsbald aus dem Takt, ausser Kontrolle und verlieren sich in der Weite des Wassers. - Brittas Wellengang war besonders unberechenbar, davon konnten ihre Lover ein Lied singen. Als nun der Gast sich unaufgefordert neben sie setzte und begann, ihr die Bluse auszuziehen, wobei er wortreich die Schoenheit ihrer Schultern und ihres Busens lobte, bevor er seine Kuesse darauf verschwendete, breitete sich die Furcht in ihr aus, es werde sich wiederholen, was sie schon mehrfach erlebt hatte, dass sie bei dem lange ersehnten Verkehr keine Lust empfinden und die ganzen vorherigen Anstrengungen also vergeblich sein wuerden, und eine grenzenlose und nicht ganz berechtigte Wut auf Dieter erfasste sie, der seinerseits nebenan in der Kueche sich kaum noch aufs Abendessen konzentrieren konnte, weil ihn die Vorstellungen dessen verfolgten, was bei ihr vorging, und darum sich Guenter schnellstmoeglich empfahl. Es war ihm ein schieres Raetsel, wo sie die Typen immer aufgabelte. Sie schienen aus dem Nichts zu kommen und ihr anzuhaengen wie dem Narren die Schelle. Und er wurde damit jedesmal weniger fertig, es war, als wuerden sie seine Gier nach ihr steigern und ihm zugleich die Lebenskraft beschneiden, bis zur Erschoepfung bohrten sie in seinen Gedanken. Brittas Besucher nahm von alldem nichts wahr, er wollte seine Triebe befriedigen; nicht mal das Zoegern, mit der sie auf seine Avancen reagierte; denn ihre Reaktion war nur noch vom Kopf gesteuert, ihre Begierde nur vorgespielt. Er zog ihr die Hose herunter und befummelte sie ueberall, wie es ihm gefiel, und sie liess es geschehen, obgleich sie schon laengst die graue Ebene erreicht hatte, wo keiner Lust mehr zu helfen ist, und als seine Handflaeche ueber ihren Bauch zur Scham fuhr, wich sie zurueck und da sie dies anscheinend nicht leiden konnte, griff er (innerlich achselzuckend) nach ihrem Hintern, und zog sie zu sich heran, und alles geschah nahezu gesetzmaessig, das Ausziehen, das Naeherruecken, Vorwaertsdraengen des Mannes und Zurueckweichen und -lehnen der Frau, bis schliesslich ihre Leiber aufeinanderlagen und er ohne viel Federlesens in sie eindrang. Er kam nicht umhin festzustellen, wie trocken sie war (und sie konnte nicht anders als darauf sich zu fixieren, dass er es bemerkt hatte, und weiter knickte ihre Leidenschaft ein), und seine Erfahrung fragte ihn, wie das sein konnte, nach dem Spass, den sie im Bus gehabt hatten; er war aber zu grob, sich zu unterbrechen und und liess nicht von ihr ab, sein Geschlechtstrieb war so eingestellt, dass er noch mit unwilligsten Frau geschlafen haette, er meinte, bei genuegender Stimulation werde sie ihm schon noch folgen, ins Reich der Ekstase. Doch bald begann es beide stoerend zu scheuern, und in Brittas Unterleib presste sich etwas zusammen, und es war nicht die Lust, und waehrend sie empfindungslos und ergeben ihr Zimmer von unten betrachtete, den Stuck an der Decke mit den feinen Rissen und an einer Stelle war etwas herausgebrochen, Spinnweben hinter den Vorhaengen, schief an der Tuer haengende Kleidungsstuecke, Regale voller Buecher und Strass und Nippessachen, zwei aus einer grossen Vase in ihren Blick ragende Pfauenfedern schienen ihr zuzunicken, setzte er unbeirrt und sonderbar monoton seine Bemuehungen fort, obwohl ihre Trockenheit jetzt auch ihn auf dem Weg zum Gipfel zurueckwarf. Und endlich liess sie ab von der vergeblichen Anstrengung, zwanghaft ihrer Lust und Befriedigung nachzujagen, liess ihn gewaehren, gab sich und eigene Wuensche auf, sie schloss die Augen und da entspannte sich etwas in ihr, und da sie bemerkte, dass auch er seine Schwierigkeiten hatte und nicht gleich kommen konnte, hatte sie Zeit, die Einbildung zur Hilfe zu nehmen, um ihre Lust zu steigern, die Einbildung naemlich, wie sie von einem voellig unbekannten namen- und gesichtslosen dunklen Schattenmann gevoegelt wurde, der sich auf ihr abarbeitete. Sie schob die Rechte zwischen ihrer beider Baeuche zur Scheide hinunter und streichelte sich mit den Fingern, was ihn zuerst irritierte, da er schon genug Not hatte, seine Erregung aufrecht zu halten; Frauen, die beim Bumsen an sich herumfummelten, konnte er nicht ausstehen und haette den ganzen Vorgang beinahe entnervt abgebrochen, zumindest bewegte er sich langsamer. "Mach weiter" fluesterte sie aber und drueckte seinen Kopf mit der Linken an ihren Mund, und da stiess er wieder zu, etwas vorsichtiger jetzt, er hatte verstanden ... Und da spuerte er, wie sie feucht wurde und ihre Abwehr unter seinen Bewegungen zusammenbrach, einladend oeffnete sich die Scheide, so dass er endlich problemlos und bis zum Heft in sie eindringen konnte, problemlos das war das richtige Wort, und ihre unverhoffte Erregung machte ihn dermassen geil, dass er nach 30 Sekunden zum Hoehepunkt kam. Er hatte nicht mehr warten wollen; nachher waere sie wieder trocken geworden, sowas hatte er schon mal erlebt, er wollte nichts riskieren; und nachdem sie solche Zicken machte, meinte er ihr in dieser Hinsicht auch nichts schuldig zu sein. Er stiess noch einigemal zu, und als er ploetzlich ganz aufhoerte und reglos schnaufend auf ihr liegen blieb, war Britta zuerst enttaeuscht, sie hatte gehofft, vielleicht selbst noch zu kommen, obwohl ihr das nur selten gelang, doch dann spuerte sie, wie ihre Lust schon wieder nachliess und war ganz froh, es hinter sich zu haben. "So viel zu den Freuden der Erotik", dachte sie deprimiert. Wenn Dieter wuesste, was sich hier eben abgespielt hatte, wuerde er nicht soviel Aufhebens machen. - Denn dass er jetzt irgendwo allein hockte und gruebelte und Aufhebens machte (hoffentlich nicht in der Kueche), das war ihr klar. Ihr Liebhaber fand es an der Zeit, seinen immer noch steifen nun aber antriebslosen Penis aus ihr herauszuziehen, er stemmte sich hoch und legte sich neben sie und wollte entspannt noch kurz mit ihr plaudern. In bereits guter Kenntnis des Raumgefueges griff er nach hinten und fischte Feuer und ein Paeckchen Gauloise aus seiner Jacke, wovon er Britta anbot, bevor er sich selbst eine anzuendete. Und wieder hoerte sie auf den Schwall seiner Rede; doch was in der Vorfreude und Hitze der Innenstadt ihren Geist wie eine kuehle Erfrischung belebt hatte, stiess ihr jetzt wie Saeuerling auf, albernes, bloedes, entseeltes Gerede - was interessierte sie schon, welche Zigaretten und Weine er liebte und an wen sie ihn ganz ganz stark erinnerte. "Ich muss mal eben", sagte sie ploetzlich und verschwand durch die Kueche im Bad, wo sie sich auf der Kloschuessel niederliess, aber gleich wieder hochsprang, um die glibbrige Samenfluessigkeit mit Klopapier abzuwischen, die an den Schenkeln herunterlief und etwas spaeter entdeckte sie im Spiegel den Ekel in ihren Pupillen. Als sie zurueckkam, sass er auf dem Stuhl, er hatte sich die Hose uebergestreift und war gerade dabei, seine Schuhe zuzubinden. "Du ich muss los", sagte er, "mir ist eingefallen, ich habe heute abend noch einen dringenden Termin, ich rufe dich an", und verschwand, ohne ihr seine Adresse oder Telefonnummer anzubieten, und Britta, ganz ueberrascht von der Eile, war zu stolz und zu teilnahmslos, ihn danach zu fragen, nicht mal seinen vollen Namen kannte sie. Und als er 2 Wochen spaeter tatsaechlich anrief und sich erneut mit ihr treffen wollte, wies sie ihn ab. 2 Wochen sind eine lange Zeit, in der einem so manches durch den Kopf gehen kann.