WIE KOYOTE, AUF LANGE IRRFAHRTEN ZURUECKBLICKEND, RAHEL KENNENLERNT, SAMT HAUFEN ANDERER LEUTE (JAFFE, DICKFIELD, ALTMEISTER, BERTOLLINI UND DR TESCI), WIE ER RAHEL DURCH DIE FALSCHE AUSSPRACHE IHRES VORNAMENS FUER SICH EINNIMMT, JEDOCH VORLAEUFIG NICHT BEI IHR VORANKOMMT Er sei noch immer allein gewesen; eigentlich sei er die ganze Zeit allein gewesen, trotz der Massen von Leuten, die in Liberia staendig um einen herum schwirren (ich meine: bei der Ueberbevoelkerung!), und habe dies schon fuer sein Schicksal gehalten, unentrinnbares Schicksal, das irgendwie mit seiner Herkunft zusammenhaengen muesse. Oder dass, wie es manchen Menschen geht, er fuer ein Leben zu zweit nicht geeignet sei. Ganz klar, sagte Brunner. Fuer Frauen bist du etwas gewoehnungsbeduerftig. Um es zurueckhaltend zu formulieren. Beruflich habe er weniger Probleme gehabt. Sei als junger Geschaeftsreisender, unerfahren und relativ talentfrei, muesse man sagen, was die Geschaefte angehe, jedoch um so hemmungsloser, da ihm seine Defizite nicht bewusst gewesen seien, und immer heftiger rotierend, immer mehr Abschluesse auf einmal anstossend, durch die Gegend geduest - und nebenbei staendig irgendwelche Scheinbekanntschaften, das heisst, Frauen, die ihm, siehe Rahel, auf Bahnhoefen, in Zuegen und hoch in der Luft begegneten, und die er, nach kurzer Pruefung, ob sie als Operationsziel sich eigneten, geraeuschvoll angeschmachtet und die durchaus zurueck geschmachtet haetten, ohne dass dies jedoch irgendwelche praktischen Folgen gehabt haette, dass heisst, ohne dass sich an seiner Einsamkeit etwas aenderte. Als ob dieses Ueber-den-Weg-laufen und Einander-Erkennen in einem fluechtigen Aether sich abspiele, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat, so dass er im Laufe der Zeit zu der Schlussfolgerung gelangt sei, er interpretiere in diese langen Blicke, die er mit ihnen tauschte, in diese wortlose Uebereinstimmung, mehr hinein als sie tatsaechlich bedeuteten; das heisst, Gefuehle, die keineswegs erwidert wurden. Da koenntest du recht haben. Frauen baden nun mal gern in maennlicher Bewunderung. Auch dann, wenn sich ihr Interesse in Grenzen haelt. Auf jener Reise, an deren Ende er Rahel kennenlernte (ich meine: richtig!), sei er in dieser Hinsicht besonders 'erfolgreich' gewesen. Mindestens noch eine Italienerin und zwei indische Stewardessen. Ziemlich stressig also. Eine groessere Unternehmung. Holland, Spanien, Suedfrankreich, Hamburg, das sei so ungefaehr die Route gewesen. Wobei Hamburg zu dem Zeitpunkt fuer ihn eine Stadt wie jede andere gewesen sei, laengst nicht mehr der ausgezeichnete Ort, an dem sein Aufenthalt in der blassen Welt begonnen und der ihn am Anfang so beeindruckt habe. Kein Fixpunkt, Ausgangpunkt aller Plaene, wie fuer Brunner, fuer den Hamburg die Heimat sei. Es sei ihm wie vielen Geschaeftleuten gegangen; ueberall praesent, nirgends zuhause. Nirgendwo habe er richtig Wurzeln geschlagen (der Ort, beispielweise, an dem die Firmenzentrale voruebergehend residierte: nicht mehr als ein Feldlager), und mit der Zeit, wie viele seiner Fellow Travellers, die Bodenhaftung verloren, so dass er sogar mit ihren wirtschaftskonservativen Vorurteilen zu sympathisieren begonnen habe, die in allem, was der Gemeinschaft zugute komme, einen Anschlag auf ihre Verdienstmoeglichkeiten saehen und, wenn ueberhaupt Veraenderung, nur Kuerzungen im Sozialbereich und Steuererleichterungen goutierten. Genau, sagte Brunner. Nur wer in seine eigene Tasche wirtschafte, sei wahrhaft sozial. Wenn man dauernd mit solchen Leuten zusammenkomme, nehme man unweigerlich deren Weltanschauung an; wie ein Kind, das bei beschraenkten Eltern aufwachse: hinterher in dieselbe Wolle gefaerbt. - Das nervigste an dem ganzen Geschaeft sei aber das Reisen. Jedoch unvermeidbar. Warum nicht Geschaefte per Telefon? fragte Brunner. Weil man verkaufen wolle, muesse. Promoschens und Praesentaeischens ueber Konferenzschaltung, das bringt nach meiner Erfahrung nicht viel. Potenzielle Kunden ueberzeuge man am besten durch direkten Koerperkontakt. Du meinst Augenkontakt. Augenkontakt sei das eine, sagte Koyote, und bei einer guten Schaltung technisch durchaus herstellbar. Jedoch nicht ausreichend. Mit Augenkontakt allein erreichst du nicht viel. Vielleicht, sagte Brunner, habe es mit dem Transpirationsschweiss zu tun, der waehrend solcher Verhandlungen abgesondert werde. Gut moeglich. Ob das fuer einen Erfinder wie Koyote nicht eine interessante Herausforderung waere: Schweissuebermittlung per Telefon. Per Geruchsmaschine, die du am Zielort aufstellst und der du nur mitteilen musst, welche Gerueche sie ausschuetten soll. Ok, sagte Koyote, den mehr die theoretische Forschung interessierte. Bis es soweit sei, muessten die Geschaeftsleute weiter ihre Koffer packen. Da es bei ihm immer um dieselbe Anlage gegangen sei, die er den Leuten angedreht habe, immer dieselbe gute alte Margarinefabrik, vollautomatisch, und bis auf die kleinste Schraube hier oben im Kopf (tippte sich an die Stirn), habe er wenigstens nicht kistenweise Unterlagen oder Vorfuehrmodelle mit sich herum schleppen muessen. Rotterdam, Madrid, Montpellier, ueberall dieselbe Schose. Warum nicht, wie die Weissen, mit 3d-Animationen arbeiten, fragte Brunner. Kleinen, netten 3d-Animationen, ueberhaupt nicht schwer. Da guckte Koyote schief, und einen Augenblick schien es, als habe er den Faden verloren. Die Italienerin, sagte er dann, habe er im Aufenthaltsraum seiner Fluggesellschaft getroffen. Lounge, ja. Sehr schoene, intelligente, offene Augen. Offen? fragte Brunner. Empfaenglich, sagte Koyote. Und auch sonst sei einiges an ihr drangewesen. Verfuehrerisch. Beeindruckend. Fast schon mit Rahel vergleichbar. Etwas aelter, arrivierter. Aelter? fragte Brunner. Nicht zu alt. Daniela Bertollini, oder so, ihren Namen habe er behalten, waehrend die Erinnerung an ihr Gesicht, das diese Erinnerung inspiriere, an ihre dunkle suedlaendische Schoenheit mit den Jahren immer mehr verblasst sei. Sie Brunner beschreiben - das lasse er daher lieber. Ohnedies sei es schwer, das Gesicht eines Menschen mit Worten darzustellen, da das Erkennen von Gesichtszuegen eine hochgradig nonverbale Angelegenheit sei, auf das sich unsere Gehirne in Millionen Jahren spezialisiert haetten. Selbst hochentwickelten Rechenmaschinen falle das schwer. Erst kuerzlich habe er einen Artikel darueber gelesen. Eine Wissenschaft fuer sich. Manche deiner Hobbies sind mir zuwider, sagte Brunner. Ausser, man sagt, sie sieht aus wie die und die. Das versteht jeder. Italienerin, sagte Brunner. Das reiche ihm. Darunter koenne er sich was vorstellen. Blickte vertraeumt. Am Anfang abweisend, doch dann haetten ihre Augen sich irgendwie in seinen verfangen. Richtig tief eingetaucht. Verloren im blanken Nirwana. Und da habe er sie kurzerhand angequatscht. Ueberhaupt nicht scheu, die Dame. Empfaenglich, sagte Brunner. Ueber alles moegliche habe man sich ausgetauscht. Von der Verpflegung in Lufthansamaschinen ueber die provencalische Kueche bis zum Festspielplan von Verona sei man gut vorangekommen, bis sie sich nicht habe enthalten koennen, ihm in einem Nebensatz mitzuteilen, dass sie verheiratet sei. Jedes Jahr im Mai sehe ich mir mit meinem Mann dort den 'Nabucco' an, habe sie gesagt. Aha. Dadurch habe seine Hinwendung einen gewissen Daempfer bekommen; aber nur kurz, denn gleich anschliessend sei sie mit einer Geste gekommen, so: waehhhh, weg, samt eines deutlich abwertenden Kommentars. Dieser habe ihn nicht nur beruhigt, sondern sogar angespornt. Welche Frau, habe er sich gefragt, die nicht mit gewissen Hintergedanken spielt, gibt einem Fremden zu verstehen, dass sie ihren Partner leid ist, und sich um so blendender mit ihr unterhalten. Eine Viertelstunde spaeter habe sich dann ein Mann dazu gestellt. Ihr Mann, um genau zu sein. Hochgewachsen, gutgekleidet, sonngebraeunt, ein bisschen unsicher dreinschauend. So schlecht steht es offenbar nicht um diese Ehe, dass er sie nicht ueberall hin begleitet, habe er unwillkuerlich denken und den ueber sie hypothetisch zurechtgelegten Standpunkt notgedrungen raeumen und in eine unwuerdige Verteidigungsposition sich begeben muessen, aus der heraus er den Gatten ins Gespraech mit einbezogen habe, waehrend die Frau komischerweise weiterhin Interesse signalisierte, ganz als sei jener nur ein entfernter Bekannter, den solche Geplaenkel nichts angingen oder ein Hund, der froh sein durfte, dass sie ihn mitnahm und um dessen Ansichten sie sich nicht im Geringsten zu scheren brauchte. Eine unmoegliche Situation, wie ich fand; besonders fuer den Mann, der sich allerdings nichts anmerken liess und ganz cool und unbeteiligt tat. - Etwas spaeter, in einer Gespraechspause, die durch sein zunehmendes Unbehagen und Raetselraten ueber das Paerchen entstanden sei (denn wenn er raetselrate, koenne er sich auf keinen Flirt konzentrieren; schon immer Probleme, sich auf zwei Sachen gleichzeitig. Ja, ja, sagte Brunner), habe der Mann unmotiviert von seiner Krankheit zu sprechen begonnen, die ihn nicht nur daran hindere, nachts ruhig zu schlafen. Da sei er, Koyote, aber hellhoerig geworden. Auch er schlafe nachts schlecht; er wisse, wie man sich nach mehreren durchwachten Naechten fuehle und stufe automatisch jeden, der ebenfalls schlecht schlafe, als Leidensgenossen ein, mit dem er nicht anders als solidarisch umgehen koenne. (Die Tatsache, dass er sich nicht, oder nur schwer, auf zwei Sachen gleichzeitig konzentrieren koenne, haenge moeglicherweise auch mit seinem schlechten Schlaf zusammen. Nur, was Ursache sei und was Folge, wisse er nicht. Henne-Ei-Beziehung, sagte Brunner. Ein paar Themen in diesem Dunstkreis, die ihm ebenfalls schwer zu schaffen machen, sagte Koyote. Angst vor Krankheiten, beispielsweise. Wenn ein neuer Bekannter wie Herr Bertollini von einer Krankheit spreche, beschaeftige ihn das stundenlang. Erfasse ihn unwillkuerlich ein Drang, sofort davon zu laufen.) Und sehr nachdenklich, ob er nicht lieber die Finger von der Frau lassen sollte. Sondern auch, habe der Mann gesagt, Momente der Stille, wie der gewoehnliche Sterbliche sie regelmaessig geniesse, in denen er Kraft sammele, um im Alltag bestehen zu koennen, kenne er seither nicht mehr. Er rechne damit, demnaechst seinen Beruf aufgeben und vom Geld seiner Frau leben zu muessen. Eine Vorstellung, die ihn sehr zu bedruecken schien. Wieso denn bedruecken? fragte Brunner. Was denn fuer eine Krankheit, habe er, Koyote endlich zu fragen gewagt. - Tinitus. Seit der Einnahme eines Antibiotikums vor zwei Jahren leide er unter extremem Tinitus. Breitete, waehrend die Frau entnervt guckte, seine Leidensgeschichte vor mir aus. Wahrscheinlich, sagte Brunner hellsichtig, ist das seine Masche gewesen. Muesstest du, als Rahel-Geschaedigter, doch nachvollziehen koennen. Auch du hast doch deine Tricks gehabt, und, wenn die nichts fruchteten, den Kopf in den Sand gesteckt. Damals kannte ich Rahel noch nicht, sagte Koyote. Er habe statt auf die Frau auf die startenden Flugzeuge geschielt. Etwas anderes waere ihm nicht nur herzlos vorgekommen. Schliesslich habe er selber auch des oefteren Ohrensausen, verbunden mit heftigem Kopfschmerz, wenn er, nach langen, entnervenden Geschaeftsbesprechungen, schlaflos in seinem Hotelbett sich waelze und jeden Moment mit einem Schlaganfall rechne. Er sei schon vorgekommen, dass er es vor Schmerzen nicht mehr ausgehalten und sich, von Panik ergriffen, ins Krankenhaus habe chauffieren lassen. Wie denn chauffieren? fragte Brunner. Krankenwagen eins-eins-zwo. Blaulicht und Bahre? Stoert dich das etwa? Nein, nein. Keine Sorge; die Kosten musste ich selbst tragen. Uebernimmt die Kasse nicht mehr. Schon gut, sagte Brunner. Mach weiter. Von daher, sagte Koyote, habe er volles Verstaendnis fuer die Beschwerden und Sorgen des Mannes gehabt und sich sogar gefragt, ob sein eigenes haeufiges Ohrensausen mit der Einnahme des Antibiotikums zusammenhaenge, welches ihm ein Jahr zuvor wegen einer Zahnfleischbehandlung verschrieben worden sei. Die Aerzte, habe er gesagt und sei sich darin mit dem Ehemann einig gewesen, verschreiben heutzutage viel zu viel Medikamente. Auch wenn, wie bei meiner Zahnfleischbehandlung, gar kein richtiges Problem vorliegt. Und geroentgt wird auch zuviel. Es gebe Untersuchungen, nach denen in ***Liberia/Deutschland, wo er herkomme, statistisch doppelt oder sogar dreimal soviel geroentgt werde wie in anderen Laendern, in denen sich nicht jeder Hausarzt ein veraltetes Roentgengeraet anschaffen und damit Geld machen duerfe. Ja, sagte der Mann, bereits Roentgen selber, wie auch Madame Curie, haetten die Auswirkungen von zuviel Roentgenstrahlen spaeter zu spueren gekriegt. Die Frau sah aus, als ob sie uns gleich ins Gesicht springt. Das habe ihm, Koyote, in dem Stadium jedoch nicht mehr allzu viel ausgemacht, weil eine weitere unerquickliche Vision sich in seinem Kopf festgesetzt habe, die Vorstellung, wie es waere, mit ihr zusammen zu sein, also ganz konkret, mal abgesehen vom Bumsen, er wuerde anstelle ihres Mannes da neben ihr stehen, haette vielleicht auch schlecht geschlafen und muesse sich nun in der Flughafenlounge mit irgendwelchen Typen herum aergern, die hinter seiner Frau her seien, und ausserdem damit rechnen, hernach, weil er ihr die Tour vermasselt habe, statt schonend und verstaendnisvoll behandelt, grob angefahren und womoeglich bei naechster Gelegenheit abserviert zu werden. Nein, danke. Das moege keiner gern; mit einer solchen Frau tue sich niemand gern zusammen. Haettest du, sagte Brunner, Rahel man auch in einer solchen Situation kennengelernt. Du immer mit Rahel. Das Thema ist doch erledigt. Das Thema wird fuer dich nie erledigt sein. Du konntest sie noch nie leiden. Und hatte recht damit. Der Mann, sagte Koyote, habe von seinem HNO-Arzt erzaehlt. Anscheinend sein wichtigster Vertrauter. Oder Verbuendeter. Dr Tesci sei nicht so wie die anderen. Kein Apparatemediziner. Ein Gluecksfall, eigentlich, mit dem man sich ueber alle massgeblichen Fragen austauschen koenne: gesunde Ernaehrung, Yoga, Tai Tschi. In Bezug auf gesunde Ernaehrung sei er geradezu eine Koryphae. DIE alcabaneser Kapazitaet. Alcabaneser? habe er, Koyote, gefragt. Alcabano-del-Monte, Vorort von Pisa. Kommen wir her. Sehr schoen dort, hat die Frau gesagt und mich in einer letzten verzweifelten Aufwallung noch einmal angestrahlt. Aber keine Chance. Der Mann, nachdem ich als verwandte Seele geoutet war, hat sich von seinem Dr Tesci nicht abbringen lassen. In Pisa und Umgebung sei Dr Tesci bekannt wie ein bunter Hund wegen seines Einsatzes fuer die guten wichtigen Sachen. Das heisst, beruflich auch. Was der alles ueber Tinitus wisse! Da wuerden manche roemischen Spezialisten nur staunen. Wenn er sich einer guten wichtigen Sache verschrieben habe, verbeisse er sich regelrecht darin und lasse nicht eher davon ab, bevor nicht mehrere Artikel darueber in der Zeitung stehen. Er kennt den Redakteur. Ich dachte, du magst ihn nicht, habe die Frau eingeworfen. Nicht moegen ist uebertrieben. Frueher hast du immer gesagt, was fuer ein Schlitzohr. Ach das, habe der Mann gesagt, ist vorbei. Und zu mir: Er hatte nebenher was am laufen; andere Frau gebuerstet; uneheliches Kind. Aber damit ist es, wie gesagt, vorbei. Er war es leid, am Pranger zu stehen. Ihm stehe, hat er mir anvertraut, sein aelterer Bruder, der Fabrikant, vor Augen, der nach einer aehnlichen Geschichte und einem sich daraus ergebenden Herzkasper im Koma liege und keine unternehmerischen Entscheideungen mehr treffen koenne. Es sei ein offenes Geheimnis, dass Aufregungen im Zusammenhang mit ausserehelichen Affaeren der Koerpergesundheit nicht eben zutraeglich sind. Gerade fuer Fabrikanten, die in dieser Hinsicht besonders gefaehrdet seien. Wie gesundheitsschaedlich der aussereheliche Geschlechtsverkehr sei, sage Dr Tesci, stehe doch inzwischen in jedem Frauenmagazin. Fuer Maenner, wohlgemerkt. Es gebe Statistiken, nach denen ueber 40jaehrige ueberproportional haeufig Herzattacken waehrend eines aussereheliche Geschlechtsverkehrs erleiden. Was Frauen wohl denken, wenn sie so etwas lesen, sagte Brunner. Wuesste ich auch gern, sagte Koyote. Wie alt ist denn Dr Tesci? habe er aengstlich gefragt, nicht zuletzt, da seine Kopfschmerzen oft mit Herzrasen einhergingen. Die beiden, Dr Tesci und sein Bruder, gehen schon auf die 70 zu. Wobei Dr Tesci juenger ist und, aufgrund der gesunden Ernaehrung, wohl auch widerstandsfaehiger. Der Bruder war der Haupteigner des Familienvermoegens, eines florierenden, mittelstaendischen Lebensmittelunternehmens, irgendwo unten in Kalabrien, wo die Familie herkommt - und jetzt liegt er da. Lebensmittelunternehmen, fragte Brunner dazwischen, ob Koyote da nicht hellhoerig geworden sei? Natuerlich, sagte Koyote, habe er Bertollini und seinem Dr Tesci seine Margarine anempfohlen. Premium, fein, en gros. Aber habe der nichts von hoeren wollen. Bio. Ausserdem: Dr Tesci, habe er gesagt, hat, seit sein Bruder im Koma liegt, auf die Firma keinen Einfluss mehr. Denn die Frau, sagt Dr Tesci, also des Bruders, 30 Jahre juenger und entsprechend handlungsfaehig, keine Kinder und so, versuche, von der Enttaeuschung ueber den an ihr begangenen Ehebruch verhaertet, an ihm vorbei die Kontrolle ueber die Firma zu erlangen. Sei erfolgreich dabei, ihn rigoros auszubooten, weil sie ihn, nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Affaere, mit seinem Bruder in einen Topf werfe. Sie hat den Vorstand komplett ausgewechselt! Und die Schluessel. Auch eine Form von Enteignung, sagt Dr Tesci. Was der Mafia nicht gelungen sei ... Sein Anwalt, darauf angesetzt, schaetze die Erfolgsaussichten ziemlich duester ein. Ich an deiner Stelle, habe sein Anwalt gesagt, wuerde mein gutes Geld nicht weiter in dieses Verfahren stecken. Verliere dich nicht in den Untiefen Italiens und seiner Geschichte, sonst hast du gleich die ganze Welt im Theaterteller deiner Erzaehlung. Dazu fehlt nicht viel, habe er geantwortet, wenn sich nur jeder bedienen und genau merken wuerde, was der andere ihm berichtet, liesse sich alles ueber den Lauf der Dinge erfahren. Von A bis Z. Eine Mahlschaft, ein endloser Wirbel, ein Schneckenhaus. Aber man merkt sich ja nichts. Weil: letztlich sei alles nur Gerede, Geplaenkel, Verpiffpaff in leeren luftgezirkelten Geistraeumen, in denen prive-privissime Spielchen aufgefuehrt werden. Manche von uns haben wenigstens die Wahl, wo mitmachen. Die meisten werden gar nicht gefragt. Die einen Stuerzen sich mit Bravour ins Getuemmel und erringen Medaillen und Standfestigkeit, waehrend andere, die unten liegen, nicht mehr herauskommen und nolens volens als Fussvolk, als Stimmvieh enden, den Siegern als Fussabtreter, versirrsummen in Kwataraene, bis Ekolo hoch steigt, und von Vergangenem nicht nur der Geomanten Zeit in Allrichtung verschwiffschafft. Auf welche Art sich die geschichtliche Erinnerung historische Wahrheit viel beser konserwarmutiert haette als in laemmerschlicken Saergen und Maachen, verschwittschwetterte Kuritaeten hochwalken den Weg zur Erkennis, die uns Weisschaft in felsfalsen, fantastcolastigen Dickbuechern und -beulen tellerelliert, tabellfasiert, ohn zu bestanden die Xamies. Ja denen gebiehre das Vorsteiss, gebissbass filmarasiert, Wegerich streifen durch jeckes Gefilz, Kugelschwanzlachen haelt sich den Bauch, streift sich die Hose, faellt in die Jauch, hoert von den Tennen der nebberich Straf, guuuuuuuuu die Ruuuuuuuuine voll Nabokoooooooovs traf, nur in der vollritz ueberhoehten, siechen dreiarmigen Tetrasine vollziehe sich ein gelegtes Drumsen, dessen fuergemein sorgliches Eingefalte durch den Reim der Niedersachsen von oben sich Karwendelpass Majaland vollplantsche wie ein nasses Kind, dessen gello angepellerientes Gesaess sich entzuende bei Ansicht der Fehlschuh sicheren, bis unten heraus wische man den allbekannt braeulichen Sund, weil Hokusschrift auf Pokuspapier Doktores in Kittematengos, die auch wieder nixnax versaubeuteln als von gereimten, vollidiosympathischen Vorbildern zu faxen, den fuffzigen, aber nur halbiert kongruenten, in der nach oben offenen Kumensagratskala der Seltsamkeit mit hoechstem Wuschtreiben verkohlten Rat erteilt, derweil das Kind durchgewringt und ausgesaust schon gluckslick bei mamman Mammalian, des erres Schangsen vergeben nach zittren, errekten Partien, wollest du Magaga faelschen, werdest vruckt sicksack gezaehmt. Lebt vondannen in Haus der Gazillen, Strafe der underbebuechsten Freigeizlieder, Nummero keine, mit Knopfsingern verseucht, die morns besams fuer ihro Klassiklo ueptierten, mit stengkrummen Kratzern auf Tuerschnell und Fielfallousie vor Fenster, damit Steueroase von Finis Beamten nicht ohne kleckes Gemogel angesicht werden kund, lebt dort auf Kosten der aeusserst gewinnlichen, aeusserst gerichtlichen, trutlangen Tanten, mutlos der Tag, traurig der Schacht, immer ausschneefelnder in masslosesten Schamehungen, die er den Nachbarn ausstoesst, bis sie voll mit Grimmkot eingedeckelt sind. Liess sie prahlen mit dero Nummeros und blinzblacken Schildchen, Wohnzimmeros an- und Comptorios ein- und Ehbettios schnur-gerichtet und penibel aufgehangselt, denn da kommt es an auf, bummbaumel zeicht man den liebes Kinnick, und in der Kueche rochs nach Edamer. Wenn nur der Koro nicht wegforo, nicht trank der Stedtstoro. Nich, nix und nochmals nix. Denn dies hier war der tittsamste Tinktank, total vertraeumt bis in die Niesswurz. Der verworfene Fussboden aber wie auch die gut schalleitenden Waende, luden uns ein, immer weiter entlang zu schwanken, bis wir nicht mehr melken konnten, aufrecht sitzen ungestuem liessen sich nichts karionten, zu schweigen wir ganz von den aufrechten Perversen. Kuh gebiert Milch in Faessern so wie wuchs steilberghahnwoelkspitze, bis kein elktriniger Nebel vor seinem Gluppauge Patz hatte. Dann reflektierte er und beschloss all seine Myriaden driftender Geistesverfassungen in einer einzigen. Er laeuste all seine Engagemente. Er kletterte uebers Sternengelaender. Er gab einen kindigen wolkischen Ursch von sich. Er verhirnrinnte die harmlose Saite, bis Wolkenklang aufstach. Er knodderte alle Fuesse der Stadt. Er umfingerte die weiche Hueftharmonie. Er samte die sexische Saele. Er sudelte den Glanzbrodder. Er verrichtete seine Nottorf. Er kongenialte alle Kollegen. Er kuendigte die Sicherungen. Er frattelte die morgige Poss. Er managazinte auch alle Zeitjungfern (hoert sich harnloser an als es ist). Er surchte den grossen Henz (und als er ihn fand, kugelten sie sich). Er lupfte den Tysamen. Er fegte sein Gartenlaub. Er komponierte fuer Igel, kompilierte fuer elegante Entensorgenlagen. Er gruppte in feuchtem Modder nach Nassem. Er irrmenschte durch verschiedene verschredderte Verlassungen, irrwischte der Puttputtfrau in ihrem guermantesken Leinenkorb, dass allem Plastilin schwimmfidelte und irrwixte durch sein altes Klassenzimmer, bis die Mitpulperinnen kreischten und kuemmelten. Niu, Niu. Ein Lichthemd flatterte. Und in dem Fluss, der ein Baechlein gewesen war, denn ein tausend von Traenen waren ihm Eon gegangen und er war dickfluessig und stockte beim Tanzen und sein beschmutzter Name war Liffi, da fiel eine Traene, eine singultne Traene, die lieblichste von allen Traenen, ich meine fuer jene Liebesleidfabelnfans mit ihrer Leidenschaft fuer die hoppschhuebsche Gemeinfratzenfeesorte, die du bei Rokoko antriffst. Doch der Fluss trippte leichenfasslos ueber ihm um und um, grell unentenwegs schlucksend als sei ihm das Herz zerbachen. Weh o weh so blode zu fliessen aber ich muss weiter. Oder pflegte darunter zu schlummern, falls es keine Hoffnung mehr gab und setzte sein halben Hut, wiederholte wie Schlingenrief, wie die faulte Zeit um den Stuhkl geh fuer Geld ueberall hin, damit die Feier all die Raenker verstotterte, um alles zusammen auch Stuecke von braun, der Bautur Entwieflung in Zeitgeistzeit in Einsicht und schaluppte in einem Flanell und genderte in Bananpull, balatschte zu Heimweh, um kein Doktor zu sehen. Und danach froh, sein Nachttentakeln kreisten und schlugen, taubten und zogen den Wengwitsch, so muerde sie auch warnen, um die Mitteldecks, auf die Wach zu ihren Windsbreiten in der Welle der Karparos, der klippenartigen, und die fuenf Viermaster von der Klufthoch, Floehe wechselten mit Anthroposophien, und vergass, nachdem alle Rinnsteine entwaessert, alle Trettelminen abgetaut und allen Sirenen die Ohren zugepfropfelt, bis sie entlandetsten der Kueste ihrer Amesofa waehrend der teure Trip zu dem kahlen Blauteer flehte zu den Katasterhemden, liess keinen Zeifel, dass er unbeschwert sei, dass er treustin sei. Denn seine Familie sei eine der grossen alten kalabrischen, die, weil sie Mussolini von Anfang an gegenueber stand, damals staendig Schwierigkeiten gehabt habe. Und dann kommt so ein dahergelaufenes Weibsbild. Erzaehlte von einem Neffen, der vor Jahren in die Stallen ausgewandert und was dieser ihm, anlaesslich seines lechzen Besuches ueber einen befriemelten Verleger anvertraut hatte, dessen aeltester Sohn gleichfalls von der zweiten Ehefrau aus der Firma gedraengt worden sei. Oder war's die dritte? Dieser Fall, wolle er damit sagen, komme alle Tage vor, sei geradezu typisch fuer den folgreichen Fabrikanten (selbst in progressiv faulsten Unternehmen, in denen man dies nicht erwarten wuerde, weil den Mitarbeitern ein gewisses, wenn auch niesichtlich gewisser Tendenzen nicht ausreichendes Mitspracherecht eingeraeumt werde, komme dieser Fall recht haeufig vor, und sei dann natuerlich ein besonderes Schlachtepahl fuer die Presse, den diese genuesslich immer wieder durchsiede), der bei den Frauen, seines Erbfolges wegen (und auch sonst, schon immer eigentlich), einen Schlag habe, dass sich nach seinem Tod, wenn die lenkende Hand sich nicht mehr ruehre, diverse Ehefs und Nachkommen um sein Erbe rauften, zum Vergnuegen Unbeteiligter und unter handfesten verklappten Mixmitten konkurrierender Firmen, dass dem Undertaker, waere er noch am Leben, angst und bange werden wuerde, aber andererseits auch wieder ganz wohlig, denn der cleverste trete am Ende als Sieger hervor Stapfen und das sei dann auch der, welcher die Firma, hoffentlich, sage ich mal, und wenn sie nach all den lausigen Raempfekaenken noch steht, am besten leiten koenne. Ein solcher Rat eines Anwalts sei doch so honorig wie selten und sicherlich ernst zu nehmen. Er, das heisst Dr Tesci, wolle sich in Zukunft wieder mehr um seine Frau kuemmern. Das sei gesuender. Ein Glueck, dass sie nicht so nachtragend sei. Und steht sie auch noch. Ausserdem, sagte Herr Bertollini, kann er sich jetzt auf seine wichtigen, guten Projekte und Initiativen konzentrieren, und manchmal zieht er mich sogar als Ratgesponst und Leitfaden hinzu. Gesunde Ernaehrung, zum Beispiel, da darf ich ihm ab und zu helfen. Erst kuerzlich ist wieder einer der beruehmten Artikel in der Zeitung gestanden, mit denen er seine Feldzuege einzuleiten pflegt. Diesmal geht's gegen die Spritzmittel, die, wie bekannt, in Italien exzessiv verantwortungslos und teilweise illegitim eingesetzt wuerden. Davon habe ich auch schon gehoert, dass sie bei euch wie verrueckt spritzen, habe er, Koyote, gesagt. Der Redaktsteuer hat sich nicht eingemischt. Im Kampfsport Anzeige versus Auflage zieht Dr Tesci regelmaessig den laengeren. Er kaufe darum Entschuldigung kein Italobst mehr. Nixuldigung. Kann ich gut verstehen, habe Bertollini gesagt. Wie oft habe ich meine Frau bekniet, kauf nicht die Aepfel, die gut aussehen, die stehen bis zur Huelse in Gift, wir werden uns alle damit was holen, kauf die gesunden, wo 'ohne Spritzmittel' drauf steht. Aber glaubst du, sie haelt sich? Es habe so ausgesehen, als wolle die Dani an dieser Stelle etwas einwenden. Doch blieb sie still, still blieb sie, knirrrrrrrrrrrrrrrschend, bliebstillsie, stillsieblieb, siestillblieb, stieeeeeeeeeeeeeeledieb. Blistiesie Rimdisi, stilibli Brindisi, silisti Zehnzehli. Sie kuemmert sich ueberhaupt nicht darum, fuhr Berto zu provozieren fort, was ich sage. Meine Wuensche sind ihr egal. Piep. Knallforsch steht sie zu ihrem Schatten. Kaltschatten. Das habe ihm, sagte Koyote, ebenfalls zu denken gegeben. Eine Frau, wenn ihr die Wuensche des Partners egal seien, koenne noch so schoen, talentiert, kultiviert und sexuell ausziehen. Ausser wenn Granate im Bett, sagte Brunner. Im Bett Granate und seine Wuensche missachten, dass sei ihm entschieden zu anstrengend, sagte Koyote. Erzaehl mir doch nichts, sagte Brunner. Du bist der erste, der auf solche Weibe hereinfaellt. Jetzt nicht mehr. Ob sich Frau Bertollini nicht verteidigt habe? Sowas lasse man doch nicht auf sich sitzen. Zuerst nicht. Solche Frauen haben sich normalerweise ziemlich gut unter Kontrolle. Aber der Mann habe unausgesetzt weiter in dieselbe Kerbe gehauen. Soll sie doch in ihre schoenen Aepfel reinbeissen! Mit den roten Backen. Sie wird schon sehen. Madame Curie war auch zu bloed, habe er gesagt. Und damit sei der Rubikon ueberschritten gewesen, da habe sie nicht mehr zurueck halten koennen. Ach du! Madame Curie! habe sie gehoehnt. Kauf doch deine Aepfel selber! Ohne Spritzmittel!, das glaubt doch ausser dir keine Menschenseele. Das sind die letzten Kruecken, die niemand essen mag, auch du nicht, du schmeisst sie hinterher immer nur weg, und dafuer soll ich das doppelte berappen. Damals, als wir die Obstbaeume erbten, haettest du dir deine gesunden Aepfel pfluecken koennen. Gratis. Geh pfluecken, habe ich zu dir gesagt. Aber dazu ist der Herr zu faul gewesen. - Wieso? Wenn du die Wiese verkaufst. - Ja! Nachdem das Obst zwei Jahre auf den Baeumen vergammelt ist. Ganz schon was auszuhalten, sagte Brunner, mein lieber Mann. Und alles nur, weil du auf Flughaefen fremde Frauen anmachst. Schliesslich, sagte Koyote, seien alle froh gewesen, als sein Flug aufgerufen wurde. In der Luft sei er durch zwei Inderinnen etwas entschaedigt worden, Schwestern, mit denen er sich sehr nett unterhalten habe. Die eine definitiv huebscher als die andere, wie meist bei Geschwistern. Oberflaechlich sehen sie sich aehnlich, doch in einer zweiten, direkt unter der Haut durchscheinenden Schicht, die viel mehr vom Wesen des Individuums verraet als die materielle Koerpersilhouette und die wahrscheinlich nur wir Menschen wahrnehmen koennen, waehrend sie zum Beispiel Ausserirdischen, falls diese eines Tages auf der Erde auftauchen, bestimmt verborgen bliebe, bestehen enorme Unterschiede. Mitunter scheine es gar, als habe die Natur auf gleiche koerperliche Anlagen mutwillig voellig entgegengesetzte geistige Temperamente gepfropft, die die eine Schwester cholerisch eigenwillig, die zweite hingegen fuegsam nachdenklich geraten lasse und sich natuerlich auch auf die erotische Anziehungskraft auswirke, da diese vom Charakter massgeblich mitbestimmt werde (beziehungsweise beide von Sexualhormonen gespeist), bei diesen beiden in der Weise, dass die eine ihn an Kaesmauken erinnert, die andere dagegen eine ziemliche Sinnlichkeit ausgestrahlt habe, allein schon die Augen, glutvoll und so ... Du meinst: Granate, unterbrach ihn Brunner. Nicht unbedingt. Er rede von dieser gewissen aeusseren Sinnlichkeit. Viele aeusserlich sinnliche Frauen versprechen nach meiner Erfahrung mehr als sie halten. Das heisst, zuerst ziehen sie einen unweigerlich in ihren Bann, und du bekommst richtig Lust, dich mit ihnen zu unterhalten. Zu schaekern, sagte Brunner. Drehst als Mann richtig auf. Wobei es in dem Fall schwierig gewesen sei, sich auf die eine zu konzentrieren, seinen Charme auszuspielen, ohne befuerchten zu muessen, die andere zu verletzen. Sie sass mir gegenueber und konnte genau sehen, wohin ich glotze. Ist sie wahrscheinlich gewohnt, sagte Brunner. Trotzdem. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Unbegruendet, wie sich heraus stellte. Sie hat sichs naemlich nicht verdriessen lassen, sondern im Gegenteil versucht, das Gespraech an sich zu ziehen, hat mich immer wieder unterbrochen, mir alles moegliche aus ihrem Leben offenbart. Irgendwann hat sie dann erzaehlt, eine Schulfreundin lebe seit Jahren mit ihrem Mann in Sueddeutschland. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, sagte Brunner. Vergeblich, sagte Koyote. Und die andere wiederum, die habe, wie an gewissen Reaktionen festzustellen gewesen sei, kein Interesse an ihm gehabt. Das uebliche Spielchen, sagte Brunner. Glutaeugige koennen es sich erlauben, Ansprueche zu stellen. Uebrigens kenne er die Geschichte mit den Inderinnen schon. Zaehl mir von Rahel. So sei das damals auf Reisen gewesen, sagte Koyote. In Rotterdam, Madrid und Lyon; und nach den Lyoner Besprechungen, nach einem wahren Marathon an Ueberzeugungsarbeit, wo ich mir den Mund fusselig geredet habe und vor Stress wieder nicht schlafen konnte, stellte sich am Ende heraus, sie wissen noch gar nicht, ob sie das Geld ueberhaupt aufbringen koennen, sie haben Katz und Maus mit uns gespielt, und, weil der Wechselkurs spaeter so absackte, letztlich bei der polnischen Konkurrenz geordert. Und warum sackte er ab? Nur wegen ein paar doesiger Devisenspekulanten. Nur darum habe er in seiner Firma hinterher Schwierigkeiten gekriegt. Kein Abschluss, keine Praemie: so einfach sei das. Es rege ihn heute noch auf, wenn er daran denke. Vergiss es, sagte Brunner. Die Hamburger haetten urspruenglich versprochen, ihm ein Zimmer zu reservieren, aber dann waren alle Hotels ausgebucht, von wegen der Bootsmesse. E-Mail von Rahel. Ich habe sie aufgehoben. Und schaust sie dir jeden Tag an. Sie koenne mir jedoch eine Pritsche auf dem Firmengelaende anbieten, mit fliessendem Wasser. Einmal wird das schon gehen, habe er gedacht und beschlossen, den letzten Abend, statt nach Hamburg zu fliegen, in Lyon zu verbringen. Und kaum hatte ich ausgestoepselt, war mir, als ob ich in eine andere Welt trete, auch innerlich, da ich mich endlich Jackett und Krawatte entledigen durfte, eine Welt der Sorglosigkeit, Unbeschwertheit, in der weder Soll und Haben noch geschaeftliche Misserfolge oder materielle Reichtuemer noch die Einbildungen, welche jene in unseren Gemuetern hervorrufen, fuer Aufregung sorgten, sondern bestenfalls die momentan extreme Witterung oder die Moeglichkeit oder Wahrscheinlichkeit bevorstehender Niederschlaege. Indem ich durch die immer noch bruetende, die Stadt wie mit einer Glasglocke abschliessende Nachmittagshitze, wenngleich sie die mittaegliche Gnadenlosigkeit eingebuesst hatte, den Weg mir bahnte, durch grelle Strassen, in denen selbst ein Wechseln auf die Schattenseite - wenn es sie gab - keine Erleichterung brachte, weil die vielstuendige, unnachgiebige Sonnenbestrahlung jeder Mauer, jedem Winkel, jedem Pflasterstein so erbarmungslos sich eingespeichert hatte, dass sie die Waerme selbst ueber Nacht kaum los wurden, ueber breite, ueppig mit Platanen (deren Blaetter bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr das fuer jeden Betrachter hoechst pittoreske, indessen eher von Wassermangel als von pflanzlicher Wollust zeugende Herbstgelb angenommen hatten) bewachsene, von eindrucksvollen sandsteinernen Klassik- und marmornen Jugendstilbauten gleichermassen wie von modernen Stahlglashochhaeusern (die samt und sonders einen lange anhaltendem Wohlstand wiederspiegelten) gesaeumte Avenuen, einige einsam daliegend, weniger befahren als ein Feldweg, andere vor Verkehr berstend wie eine Autobahn in der Ferienzeit, schier ueberquellend wie ein schlecht berechneter Kuchen, manisch, aggressiv, hysterisches Hupen, schleifende Bremsen, bedrohliches Anfahren, so dass man sich als Fussgaenger selbst auf den breiten Buergersteigen nicht sicher fuehlte, an seltsamen riesigen, leblosen, in dicken Schichten den Staub des Zerfalls ***tragenden Steinquadern vorbei (was mochte da drin wohl vorgehen, in jenen stickigen, lichtlosen Hoehlen?), an ungeraeumigen, von symmetrisch mit gestutzten Zypressen und fruchttragenden Palmen bepflanzten, von ausgetrockneten Wasserlaeufen (die sonst durch im Schatten des Haupthauses, eines von seinen Erbauern laengst verlassenen, nunmehr der staedtischen Gaertnerei als Stuetzpunkt dienenden Schloesschens liegenden Brunnen gespeist wurden) durchzogen und von hohen schwarzen oder dunkelgruenen Gusseisengittern mit nach oben spitz wie Pfeile zulaufenden Stelen bewehrt, Parks vorbei, hinter deren Eingang sich ein eigener sozialer Kosmos auftat, der traegen, Tauben fuetternden Alten und der mit Kies und allerlei Plastik rastlos beschaeftigten Kleinen, die sich um den sich naehernden Mann in mittleren Jahren nicht scherten, die Tauben freilich sichernd, wachsam aeugend, dann hochflatternd und in raetselhaften kollektiven Kurvenbewegungen zu Schwaermen aufsteigend und kaskadierend auf Baeume oder in einen anderen, weniger belebten Teil sich zurueckziehend, waehrend ich, scheinbar unbeeindruckt durch diese in ihrer Gesamtheit und angesichts der umgebenden Hitze doch betraechtlichen Kraftentfaltung, weiter voranschritt, bis ich den Zaun erreichte, hinter dem der Fels, auf dem die Stadt erbaut ist, steil abfaellt und man in einen schwindelnd engen Talkessel blickt, von dem man sich unwillkuerlich fragt, welcher urzeitliche Flussgeist eine derartige Spalte in die Tiefe getrieben haben mag, durch enge, Waescheleinen bespannte Gassen ueber provisorisch und schlampig verlegtes Kopfsteinpflaster, hurr-di-purr hingehauen, das nun schon 80 Jahre an Rollern, Schubkarren, Fahrradkulis und dreiraedrigen Lastwagen auf dem Buckel hatte und, angesichts einiger Modernisierer unter den Stadtraeten, die ihm neuerdings ans Leder wollten, wohl bald unter Denkmalschutz gestellt werden wuerde, an kalkweissen, ungleich weniger eindrucksvollen Wohnhaeusern, aus denen himmelwaerts Essensgerueche stroemten, geschlossenen Rollaeden vorbei, kleinen Laeden unter Markisen, gerade erwachend und bald Tomaten, Getraenke und Kaese feilbietend, waehrend die Hitze wie ein enges Spinnennetz auf meiner Haut lag und und der Schweiss in Rinnsalen zwischen allen Koerperfalten floss, waehrend die Sonne mich anbruellte wie eine brutale unertraegliche Conquistadorin und mich zur Unterwerfung unter ihre immer noch kraftvollen Strahlen zwang, waehrend ich fortwaehrend ueber huebsche dunkelhaarige Maedchen in hellen Miniroecken stolperte (einer besonders reizvollen sei er gefolgt, wenn auch in gehoerigem Abstand, um nicht moeglicherweise missverstanden zu werden, doch sie hatte es eilig und schliesslich habe er aufgegeben, wozu auch, sinnlose Anstrengung), liess die Verzweiflung ueber meine Erfolglosigkeit immer mehr nach, wich einer schicksalsergebenen Melancholie und ich entspannte mich langsam, kam zu der (weniger rational erschlossenen als) gefuehlten Erkenntnis, ich sei jung, vital, dynamisch und meine Erfolglosigkeit werde nicht anhalten, es werde wieder aufwaerts gehen, und eines Tages werde ich ueber die laehmenden, mein Gesichtsfeld augenblicklich verengenden Existenzaengste, die sie heute in mir ausloeste, nurmehr lachen (laut lachen, und damit die minenmuerben Mauern meiner persoenlichen Historie zum Einsturz bringen), wenn nicht aus einer Position des Erfolges, so doch aus dem Bewusstsein, wie nichtig mein Streben in dieser dann vergangenen Zeit gewesen sei, und irrte, waehrend ich also mit dem Wasser irgendwo zwischen der Rue Concorde und der Rue Malange auch meinen Aerger ausschwitzte, irrte, um den Vorgang der Beruhigung zu verlaengern, weiter, und naeherte mich auf Umwegen, immer neue Haken schlagend, dem merkantilen und kulturellen Zentrum, wo der Verkehr quirliger wurde, lebensfroher und an manchen neumodischen Laeden grosse Menschentrauben hingen, wo aus unsichtbaren Lautsprechern Pop-Musik scholl, wo sich alle Wege ploetzlich weiteten und in den riesigen offenen mit Alabaster ausgelegten Platz ergossen, der zusammen mit dem an der Stirnseite gelegenen Theater, das seinen Namen traegt, die Stadt seit dem Mittelalter beruehmt gemacht hat, wo dutzende Cafes unter weissen Sonnenschirmen Tische aufgestellt hatten, mit hunderten Muessiggaengern, zu denen auch ich mich jetzt zaehlen durfte, still dasitzend oder vielsagend gestikulierend, bunte Cocktails schluerfend oder ihre Loeffel in Milchkaffee tauchend oder in schlagfesten Sahnekuchen steckend, und wo, wie ich wusste, spaeter, denn den Platz kannte ich von frueheren Besuchen, ein Strauss alter Baeume mir den Weg zum Hotel weisen wuerde. Ich trank nicht nur Kaffee. Ploetzlich sah ich sie. Nicht fuer Kinder. Ihren Ruecken, um genau zu sein. Herrlich. Fantastisches Schweissbad. Auch in dieser Stadt allein. Die fuenfte Wurzel aus -1. Dasselbe Kleid. Das ewige Los des Handlungsreisenden. Es war eindeutig ihr Ruecken. Der Logarithmus von -1, oder -5, oder von i. Unwahrscheinlich, ihm hier zu begegnen; doch: Alles machbar. Alles schierling machbar. Schweigend unter den Arkaden. Derselbe ... also was nach unten abgeht. Schweigend allein vor den Schaufenstern. Alles mit e. e hoch i mal pi. iiiiiiiiiiiiiiiiiiiii. Fuesse weiss nicht. Auch. Schweigend zwischen Menschen, deren Sprache ich nur unzureichend verstand. Interessanteste aller Zahlen. Aber gibt es sie auch? Das gibts doch nicht, dass sie dir hierhin gefolgt ist, dachte ich. Was Menschheit, wenn der letzte Kaffee getrunken ist? War dabei, Obst zu kaufen. Nur ein Buchstabe. Undenkbarer Buchstabe. Letztes Mittel vor dem Verstandesgau. Wuehlte in den Kisten. Was der Verkaeufer widerstandslos hinnahm, weil er a einer wie ihr niemals widersprochen haette, sondern lieber in den Ausschnitt guckte, oder weil es b in Lyon alle so machen. Plizieren klar von defi. i mal i gleich minus 1. Wahrscheinlich c. Sind ja nicht alles solche Schmuddelinge. Dieren klar von Weltgestand. i add i gleich zwei daphooooooooooooooooooooon. Altmeister! Scheisse, dachte ich. Und nur ganz wenige etepetete Verkaeufer, bei denen auch nur ganz wenig ete-pe gekauft wird. Wahrscheinlich nicht da, wahrscheinlich nur Toooooooool. Lass klingen den Jung. Der haette sie schon, dachte ich. Aber sie drehte sich nicht um. Sonst schwupp-di-wupp, und ich weiss nicht, was ich gemacht haette. Was sie gemacht haette. Ein Buchstabe vereinfacht die Sache. Sieben Meilen. Sie suchte die rotwangigen Pfirsiche. Ich in der Sonne. Sollte ich hin zu ihr? Nur vorsichtig umgehen. Gauss-sichtig. Wenn sie doch endlich zahlen wuerde. Noch Euler hat in Petersburg manchen Fehler gemacht. Und auch zugegeben. Sie anquatschen? Aber was sagen, nachdem ich am Airport so eindeutig zu ihren Ungunsten Position bezogen hatte? iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii. Eilig tuend weiter. ij. Drehte sich noch immer nicht um. Nein, ij macht keinen, oder nur einen hoeheren Sinn. Quaternionen. Wozu auch, von ihrer Warte? Wobei noch die Frage ist, ob die wirklichen Zahlen in dem Sinne existieren. Blieb stehen. Ich auch. Schoenes Schaufenster. Hob ein Bein. Zerrte an den Schnallen ihrer Sandalen. Wie man in solchen Schuhen laufen kann! Sie sind Begriffe und existieren in demselben Sinn, in welchem Begriffe existieren. Lassen sich auch veranschaulichen, wie sich Begriffe veranschaulichen lassen. Existieren, existieren, du mit deinem existieren, rief Brunner. Was existiert denn ueberhaupt? Wenn du dich an der Tischkante stoesst, dann weisst du mit Sicherheit, dass du existiert. Begriffe seien Hilfsmittel, und was durchgehe, gehe durch, sagte Koyote beleidigt. Auf seine Mathildung hielt er. Das Zaehlen, zum Beispiel, gehe bestimmt durch. Von Geld, zum Beispiel. Und mit i zu rechnen, gehe auch irgendwie durch. Waden hatte die. War sie es ueberhaupt? Danielas hatte ich nicht so drauf geachtet. Eher nicht. Fuelliger. Auch hier wollte ich nicht so deutlich drauf achten. Zu viele andere achteten auch. Verwechslung. Fata Morgana. Sinnestaeuschung zugunsten matter Traeumereien. Edler Schmuck, angeleuchtet fuer den ich im Moment wenig Sinn hatte. Im Moment? fragte Brunner. Ploetzlich weg. Du sitzt beim Essen. Du drehst dich um, weil du dich mit jemand unterhalten willst, und, schwupp-di-wupp, hat dir jemand was ganz leckeres vom Teller stibizt. Natuerliche Zahl? Treibt andere vor sich her. Und Massen, durch die du nicht durchkucken kannst. An Kette. 1d. Da war sie. Jetzt aber schnell. Ich hastete, stolperte, draengelte durch die Menge. Geo vor Alge in Philo. Alge vor Geo in Prax. Die Suedlaenderinnen sehen alle gleich aus, sagte Brunner. Gleich huebsch, meine ich. Hinten war sie definitiv breiter. Sogar huebscher, wie ich nun fand, als ich schnellen Schrittes einen Blickriss kierend an ihr vorbei rauschte. Unerreichbar. Ich habe mal eine vorm Kino kennengelernt, sagte Brunner. Beim Kartenkaufen. Beim Kartenkaufen kommt man sich naeher, weil, da gibt es oft was zu schwatzen. Preise, Sitzreihe, Reservierung. Bloeder Film. War wie geschaffen. Fass mich an. Silbertellerblick. Naeheres wollte er nicht auslassen. Jetzt was Schoenes: Logarithmus von i gleich x? Log umdehrt umheckt umkehlt e. Also i gleich e hoch x. Schreibe x gleich i mal alpha. Schon siehst du, dass alpha gleich pi halbe sein muss. So einfach ist das auf dem Einheitskreis. Wie meist Frauen um so begehrenswerter erscheinen, je weiter sie von einem entfernt sind. Da nicht, sagte Brunner. Operiere und rotiere und optiere. Operiere bis zum rotieren. Kapitt. Und dann herrlaenglich baden. - Als ich mich gerade alkohol-beseelt hingelegt hatte, klingelte das Handy schon wieder. Ach, vergessen. 23 Uhr 30, er schien es noetig zu haben. Oder mein Fehlschlag hatte sich schon herumgesprochen. Bereithalten, hat er bedeutungsvoll gesagt. Wofuer? habe ich gefragt. Besoffen ist man bekanntlich ehrlicher. Bist fuer Boston gebucht. Boston, habe ich gedacht, auch das noch. Wann denn? Freitag. Freitag? Diesen Freitag? Fliegst gleich von Hamburg los. Maschine schon reserviert. Ich habe keine sauberen Klamotten mehr. Musst du dir besorgen. Aha. Jetzt nochmal ehrlich sein! Aber dazu reichten die Promille denn doch nicht: Ihr mit eurem sinnlosen Aktionismus. Boston! Reaktion der Firma auf die schlechte Ertragslage. Dabei haette ihnen klar sein muessen, allein schon aus geopolitischen Gruenden, dass man nach USA niemals eine Margarinefabrik wuerde verkaufen koennen. Die hatten damals schon alles dicht gemacht. Nicht mal ein halbes Pfund Butter konntest du dahin ausfuehren, geschweige vollelektronische Ruehranlagen. Aber nicht widersprochen, immer schoen brav die Anweisungen befolgt. Anders kamst du mit einem wie Altmeister nicht zurande. Heute ist er so klein mit Hut, sagte Brunner. Widerspruch, erst recht solcher, aus dem sich ergebe, dass man seine Entscheidungen fuer Schrott haelt, habe er nicht geduldet. So habe er, Koyote, sie meist kommentarlos abgenickt. Mit fatalen Folgen, wie sich spaeter heraus stellte. Und um den Preis, dass er wieder Herzbeschwerden gekriegt habe, weil ihm die US-Reise staendig durch den Kopf gegangen sei. Sie habe ihn innerlich so durcheinander gebracht, dass die Unruhe, die ihn die ganze letzte Zeit verfolgt hatte und die er waehrend seines Spazierganges ueberwunden glaubte, mit einem Schlag wieder da gewesen sei. Und als er dies spuerte, habe er gleich gewusst, er werde nachts, trotz Duschens und Klimaanlage, wieder nicht schlafen koennen. So kam es dann auch. Er habe sich wie ueblich lange im Bett gewaelzt und zum Schlafen zu zwingen versucht, waehrend der Strassenverkehr, statt abzuflauen, ihm im Gegenteil immer lauter vorgekommen sei. Es ging einfach nicht; und als gegen 3 die sommerliche Morgendaemmerung einsetzte, da ging gar nichts mehr, und er fragte sich, wie er den Tag ueberstehen und vor allem, wie er Jaffe, in der Laune, in die er nach schlaflosen Naechten unweigerlich verfiel, seine Margarinefabrik schmackhaft machen konnte, wenn er selber an gar nichts Interesse hatte als endlich einmal jene ersehnte Ruhe zu finden, die den von suessen Schlummern verwoehnten Rokkies so selbstverstaendlich ist, dass sie gar nicht darueber nachdenken, sondern tatenvoll und wohlgemut sein Tageswerk beginnt. Von dem Irrsinn, der ihn in Boston erwartete, wolle er gar nicht reden. Musst du auch nicht, sagte Brunner. Was mit Schlafmitteln sei? Kommen fuer mich nicht in Frage. Da sei er, ganz abgesehen von der gesundheitsschaedigenden und suechtigmachenden Wirkung dieser Mittelchen, von denen jeder Arzt, von Apparatemedizinern einmal abgesehen, heutzutage abrate, ganz Pollweins, und auch Dr Tescis, Ansicht und lange von ab. Nach Schlafmitteln fuehle er sich am naechsten Tag nur noch erschoepfter. Selbst das vielgeruehmte Johanniskraut, obwohl rein pflanzlich, mache es ihn benommen. Als haette ich einen mit dem Vorschlaghammer. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Und auch die Unruhe bleibe. Ja dann, sagte Brunner, faellt mir auch nichts mehr ein. Er also: innen muede, zerschlagen; aussen gefettet mit dem widerlich klebenden Schweiss der Schlaflosigkeit. Es gebe, nach seiner Erkenntnis, eine ganze Reihe von Schweiss-Arten. Jede sei anders. Neben dem angenehm beruhigenden Schwitzen des mit sich und der Welt zufriedenen Wanderspaziergaengers, der in den Schluchten der Grosstaedte umherstreife oder auf endlosen, einsamen Feldwegen bedaechtig und ausdauernd flaniere: den hitzigen Panik-Schweiss des in hoechster Gefahr direkt vom Tode bedrohten, den vor allem in Wirtschaftskreisen verbreiteten kalten Stress-Schweiss waehrend einer Praesentation und der sich anschliessenden Verhandlungen, in denen man, mit schiefwinkligen Luftstroemen aus unsichtbaren Klimaanlagen befeudelt, die Leute nicht nur von der technischen Qualitaet beziehungsweise Superioritaet einer Margarinefabrik, sondern auch von dem fuer sie heraus springenden finanziellen Vorteil ueberzeugen und in manchen Faellen sogar mit privaten Qualitaeten glaenzen muesse, die der Vertriebler der Konkurrenz nicht vorweisen koenne, den gut durchbluteten Sportler-Schweiss, unter den sich bei Wettbewerben und Turnieren ebenso viel Stress-Schweiss mische, den wuerdigen, stoischen Schweiss des den ganzen Tag gleichmaessig rackernden Arbeiters, der wisse oder davon ausgehe, dass seine Arbeitskraft morgen und uebermorgen noch genauso benoetigt werde wie gestern und heute, und schliesslich eben den klebrigen, in seiner Temperatur stark variierenden Schweiss des verzweifelt nicht schlafen Koennenden. Sex, sagte Brunner. Schwitzen beim Sex. Er also: muede, geraedert. Und aufgeregt-aengstlich, weil er fuerchtete, ihm koennten, wie in der Vergangenheit vorgekommen, der Muedigkeit wegen Fehler unterlaufen, irreparable Fehler, bei der Vorfuehrung oder schon vorher beim Small-Talk mit Jaffe. Oder einfach irgendein Unfall - bumm. Im Strassenverkehr, auf dem Weg zum Termin. Die Gefahr eines Verkehrsunfalles duerfe bei Muedigkeit nicht unterschaetzt werden. Bei der Art und Weise, wie in Hamburg gefahren werde. Er habe ein amerikanisches Ehepaar gekannt, gar nicht so alt, die haben sich nicht mehr getraut, in Hamburg ins Auto zu steigen, obwohl sie eins da hatten, sondern lieber Bus oder Taxi genommen. Wobei die Hamburger Taxis lebensgefaehrlich seien. Wie die fahren! Das koenne sich niemand nicht ansehen. Haende am Sitz festkrallen, Augen zu, Beine geschlossen halten, so fahre er, wenn ueberhaupt, in Hamburg Taxi. ***[Wieso geschlossen halten? fragte Brunner.] Erst kuerzlich habe er eine Statistik ueber die Unfallrate Hamburger Taxis gesehen. Enorm hoch! Jedes ertraegliche Mass ueberschreitend. Und dann kommst du an, muede und mit den Nerven am Ende, und weisst, schon die Begruessung kann alles verderben. Bei der Begruessung musst du hoch konzentriert sein. Wenn du bei der Begruessung nicht aufpasst, die Haende nicht im richtigen Augenkon-Takt schuettelst oder einmal zuviel oder zuwenig blinzelst, oder falsch, die Falten zu wenig oder allzu verzerrend, laechelst, bist du weg vom Fenster. Kannst alles andere vergessen. Ich weiss aus Erfahrung, wenn ich muede bin, wirke ich holzig, unangenehm und aufdringlich. Die Wahrscheinlichkeit, etwas zu verkaufen ist dann viel geringer als die, mich unbeliebt zu machen und daher auch, zu weiteren Terminen, etwa wegen einer Joghurt-Fabrik, nicht eingeladen zu werden. - Hin musste ich trotzdem. - Wecker um 6, Flieger um 7, Hamburg um 8. Setzte dem damals noch neuen Grossflughafen auf, den sie weit draussen in die holsteinische Pampa getonisiert haben. Jetzt leichte Beute der Amis und eines von Grofratz Graebern, sagte Brunner. Soldaten und Besatzungen, soweit sie nicht vorher getuermt seien, widerstandslos (freiwillig?) abgefuehrt. Duerfen jetzt in den Steinbruechen ran. Freude-Reminiszensen? So gehe es hoffentlich allen Tyrannen. Kein Aufstieg in die hoehere Liga der Sklavenhalter. Fallrueck in Faustkeil-Fussball. Gepaeckabholung. Warten auf Mietwagen. Dankbar plumpste ich in den blumig-plueschigen Sessel, den ein Wohlmeinender in die hinterste Ecke der Halle gestellt hatte, streckte die Beine, faltete die Haende ueber der Brust und schloss die Augen. In Gedanken war ich dann schon wieder dabei, meine Krawatte und sonstwas zu checken. Ich rief sie an. Zu dem Zeitpunkt muss sie gerade erst ins Buero gekommen sein. Die Chefin sah es nicht gern, wenn man zu spaet kam; also warf sie hastig den Computer an und tat, als ob sie schon mindestens 10 Minuten fleissig arbeite, obgleich sie wusste, wie aussichtslos solche Massnahmen in einem von der Plummerin gefuehrten Grossraumbuero waren. Also, hier bin ich, rief sie trotzig. Das Telefon klingelte. Ja bitte, sagte sie ueberdeutlich und von der Strassenbahn noch einigermassen atemlos. Entschuldigen Sie, sagte ich. Spreche ich mit Rahel Berkowitz. Ihren Namen hatte ich mir aufgeschrieben. Bat, mich fuer die und die Zeit bei Jaffe anzumelden. Sag mal, Jaffe, ueberlegte Brunner. Ist das nicht der Klon-August ... Der sich kuerzlich so spektakulaer umgebracht hat, ja. Aber unterbrich mich nicht immer. - Im ersten Moment wusste sie nicht, wer gemeint war. Der Name, wenigstens die letzten Silben, kam ihr zwar merkwuerdig bekannt vor; dazu hatte sie ihn in ihrem Leben ein paar Mal zu oft gehoert, als dass sie rundheraus 'unbekannt' haette antworten koennen, 'falsch verbunden', wenn einer 'Berkowitz' zu ihr sagte. Ja, es war eindeutig ihr Nachname, den sie zusammen mit eine Reihe anderer, mit seltsamem, schwer einzuordnendem Akzent ausgesprochenen Worten durchs Telefon gehoert hatte. Nur der Vorname, der liess sich nicht identifizieren, nicht ohne weiteres jedenfalls, so sehr war sie die strenge, wie eine kaputte Lokomotive, die gleichwohl mit hoher Geschwindigkeit puenktlich ihr Ziel erreichen will, schleifende, waschbeckenbreite, nervensaegende, naaaastige Aussprache desselben durch ihre Landsleute gewohnt (mit der sie haderte, seit sie denken konnte; sie erinnerte sich genau an jenen Moment, als ihr seine Haesslichkeit zum ersten Mal so richtig aufgestossen war (Ja! Viel deutlicher als an das erste Mal Sex.), zumal in Verbindung mit dem mit harten Konsonanten vollgestopften Familiennamen, und an die ins Bewusstsein sich draengende Frage, warum ihre Eltern ihr keinen anderen ausgesucht hatten; sie war jemand vorgestellt worden, jemand fuer sie sehr wichtigem, an den sie sich heute gar nicht mehr erinnern konnte; nur an die Situation konnte sie sich erinnern, wie sie ihm die Hand gab und ihr ploetzlich messerscharf aufging, dass man bei einem solchen Vornamen am besten gleich im Boden verschwindet; und dann abends im Bett, wo man bekanntlich am hellsichtigsten ist: Verzweiflung), dass sie diese mit der Zeit fuer die einzig moegliche und richtige nahm und sich nun, konfrontiert mit dem feinkomponierten, zartweichen, weiblichen Klang, kaum selbst erkannte und sich, gewissermassen aus von der ihren Namen kalt und scheusslich aussprechenden Allgemeinheit uebernommenem Gewohnheitsrecht, fast doch geweigert haette, sich als die nachgefragte Person zu erkennen gegeben haette. Denn mit unserem Namen, den wir angehaengt bekommen haben, ohne jemals gefragt worden zu sein, und immer aufs neue angehaengt bekommen (so dass er uns oft unwillkuerlich im Ohr klingt, wenn wir an uns selber denken, und beinahe den Stellenwert eines Charaktermerkmals annimmt, das, wie alle Charaktermerkmale, nicht ohne Folgen bleibt, fuer die einen die Allgemeinheit taeglich in Schutzhaft nimmt), ob wir ihn moegen oder nicht, wie unschoen er objektiv auch sein, wie geschmacklos oder gar abstossend er uns zu Zeiten, wenn wir uns seines Klanges bewusst werden, auch erscheinen mag oder wie greulich unsere Umgebung ihn auch maltraetiert und entstellt, ohne dass wir den geringsten Einfluss darauf haben, jedenfalls nicht wirklich, identifizieren wir uns mindestens ebenso sehr wie mit unseren positiven Charaktereigenschaften, auf die wir zu recht stolz sind, und Menschen gegenueber, die ihn anders aussprechen, scheinen sich an jemand anderen zu wenden, jemand mit anderen Qualitaeten jedenfalls, die wir, wenn wir wie gewoehnlich angesprochen wuerden, nicht vorweisen koennten, jedoch in dem Augenblick, da wir uns der Sonderheit der Ansprache bewusst werden, zumindest in Ansaetzen uns aneignen. Es ist dann, als vollziehe sich mit der neuen Benennung in uns eine Wandlung, als sollten offizielle wie auch private von dem Fremden an uns herangetragene wie auch durch den neuen Klang in uns ausgeloeste Erwartungen befriedigt werden, die wir normalerweise gar nicht erfuellen koennen, und auch nicht zu erfuellen gedenken wuerden, wenn wir ueberhaupt auf Idee kaemen, jemand koenne je solche Erwartungen an uns herantragen; das heisst, wir koennen uns wahrscheinlich gar nicht vorstellen, dass es solche Erwartungen ueberhaupt gibt, die dann, instinktsicher, leichthaendig und wie automatisch von uns erfuellt werden. Und diese Wandlung, wenn sie sich auch nicht mit jenen inneren Transformationen vergleichen laesst, die wir in laengeren Zeitraeumen, im Verlaufe der Jugend und des Aelterwerdens durchmachen und in denen wir uns jedesmal ueberrascht als fast voellig neue Menschen entdecken, die mit den vorhergehenden Daseinsformen zwar die Erinnerung (oder einen Teil davon; da sich nur derjenige Teil der Erinnerung ueber die Abgruende des Wandels hinwegrettet, der reisserisch genug ist, sie zu ueberspringen, oder banal genug, sich unter gewissen, wie Schleppnetze aufgespannten Barrieren hindurch zu mogeln, oder der neuen inneren Epoche maskiert gegenueber tritt, so dass er ihr oberflaechlich als der ihre erscheint, und erhaltenswert, und erst bei naeherem Hinsehen die Fremdheit und Entfremdung der Vergangenheit offenbart), nicht aber die Seele teilen, erstreckt sich vielleicht ueber einen groesseren Teil unseres Selbst als jede andere uns von aussen aufgegebene Veraenderung, sei es der Mode, des Wechsels des Freundeskreises oder der beruflichen Taetigkeit, auch wenn uns ein letztes Urteil darueber, da sich all dies in der Zeit abspielt, in ein und derselben Zeit, und sich innere und aeussere Ursachen meistens nur schwer voneinander trennen lassen, im allgemeinen nicht moeglich ist. Und genauso war auch die Rahel, die mir jetzt antwortete, eine andere als die, welche vorhin ihre Arbeit aufgenommen und den Hoerer abgehoben hatte, war faehiger, begabter, auch scharfsinniger, wacher, offener, vorurteilsfreier und wie in Erwartung von etwas Neuem, gaenzlich Unverhofftem, das ihre Perspektiven grundlegend beeinflussen wuerde. Haeufig, wenn uns etwas bekanntes in neuer, ungewoehnlicher, wenn auch durchaus gefaelliger Form dargeboten wird, empfinden wir dies zuerst als schwierige, ueberfluessige und mindestens gewoehnungsbeduerftige Zumutung. Nicht so Rahel. Denn sie wurde von dem durch die Aussprache ihres Vornamens geweckten Zauber, wie von einem veritablen Zauber wohl auch erwartet werden darf, ganz unmittelbar und ohne besondere Reflexionen eingenommen, gleichsam, als habe ein Fluss, der lange umgeleitet worden ist, sich endlich durch einen einzigen, in Sekunden vollzogenen Sprung sein urspruengliches Bachbett zurueck erobert, als sehe ein von einer schweren Krankheit Genesener, der aus dem Blick in den Spiegel nur sein verquollenes Fiebergesicht kennt, sich unverhofft einem makellosen Teint und markanten Profillinien gegenueber oder als werde eine Frau, die sich jahrelang mit dicken Schichten von Schminke verunziert hat, unter irgendeinem besonderen Umstand, durch den sie auf ihr Make-up verzichten muss, in jaehem Erkennen ihrer natuerlichen Schoenheit gewahr. In ihr wuchs eine seltsam warme innere Freude und, wie in einer Art Deja-vu, ahnte, wusste sie ploetzlich, dass sie ihren Namen nun erst eigentlich kennenlernte und dass diese Art der Aussprache diejenige war, welche ihrem wahren, unter alle moeglichen Schichten von Erziehung und Anpassung, Manieren, Konventionen, Selbstzweifeln und schlechten Erfahrungen verborgenem Wesen am naechsten kam. Und an die Stelle morgendlicher Griesgraemigkeit, in der die Triebe auch junger Frauen auf nichts als eine moeglichst schwarze Tasse Kaffee fixiert sind, die uns zwar fit fuer die Arbeit macht, aber auch in einen unnatuerlichen Spannungszustand versetzt, in dem wir zwar einigermassen ins Geschaeftsleben passen, aber die urspruengliche und unverfaelschte organische Wirklichkeit nicht mehr wahrnehmen koennen, weder im Gesamten noch im Detail, und auch subtile Gefuehlsregungen nicht differenziert zu unterscheiden vermoegen, trat ein gaenzlich unerwarteter, koestlicher Zustand der Bewusstseinserweiterung, in dem ihr Geist und alle Sinne sich wichtigen Wahrheiten oeffneten, eine Art von entspanntem Rausch, in dem sie im Raume und ueber den Lappalien des Alltags zu schweben schien und der sie, zumindest vorlaeufig, von gewissen Zwaengen befreite, denen sie als Angehoerige ihrer Stellung, ihres Milieus und ihrer Klasse normalerweise zu gehorchen hatte, und der sie eingefahrene und buergerliche Gewohnheiten unwillkuerlich verachten liess und fuer neue Erfahrungen frei machte, so dass sie, derart berauscht, beinahe unabsichtlich herausgeplatzt waere (was soll das Telefonieren? wir kennen hier niemanden dieses herrlich wohlklingenden Namens!), wenn er nicht gleichzeitig, beseelt durch den Zauber der Aussprache der zwei vorangestellten Silben, die nichts, aber auch gar nichts mit der ihr bekannten Aussprache ihres Vornamens zu tun hatte, diesen voellig anderen, anmutigen und, wie sie fand, auch maechtig beeindruckenden, ja eben verzauberten Charakter gewonnen haette, der sie unwillkuerlich an zart duftende Elfenwesen in spaetsommerlichen italienischen Landschaften denken liess, an vergnuegte Mondscheinspaziergaenge hand-in-hand in lauer Luft oder sorglose Sonnenuntergaenge am Meer, rauschender Wellen Gestade, alles Assoziationen, die sie im Zusammenhang mit sich und ihrer Persoenlichkeit nie fuer moeglich gehalten haette, und der Wunsch nach Verlaengerung (nicht auflegen! auf keinen Fall auflegen! wir sollten uns unbedingt einmal sehen!) in ihr geboren wurde, das Gespraech solange als moeglich fortzusetzen, in der stillschweigenden Hoffnung, ihn noch einmal, und vielleicht auch anderes, ebenso verfuehrerisch und authentisch ausgesprochen zu hoeren. Genau wie Situationen (wenn etwa zwei junge Maenner sich ein kleines Hotelzimmer teilen, und sie dafuer vom Personal und den uebrigen Gaesten, die mit ihnen das Abendbrot einnehmen, schief angesehen werden, obwohl sich nichts weiter als Sparsamkeit dahinter verbirgt), koennen auch Worte und Klaenge in denjenigen, die dafuer empfaenglich sind, beabsichtigt oder unbeabsichtigt ungeheuer bunte, intensive Fantasien ausloesen, die den Bereich logischer Schlussfolgerungen weit hinter sich lassen. Ich brauche nur von den , ohne auf eine bestimmte Kirche Bezug zu nehmen, schon erscheint im Kopfe dessen, der sich fuer das Ulmer oder das Strassburger Muenster besonders begeistert, das vollstaendige Bild eben dieses Bauwerkes, das er vielleicht zuletzt vor Jahren oder nur auf Photos in Bildbaenden bestaunt hat, das heisst, er sieht ausser der Balustrade und dem Hauptportal das gesamte Schiff, den Turm mit dem Glockenstuhl in allen moeglichen ihm zufaellig in den Sinn kommenden Einzelheiten. Oft bedarf es gar nicht einer derartigen Beredsamkeit, um innere Eindruecke freizusetzen, sondern es reicht ein kurzer Hinweis, ein Wort ... Ich weiss, sagte Brunner milde. Wir Hamburger sprechen den Namen nicht sehr elegant aus. Plump und knieckig. Im Munde von uns Hamburgern hoert sich 'Rahel' nicht an. Wobei er, wie ueblich, 'Raetschel' sagte. ***[Wie man ihn im mittleren Westen eben ausspricht. Von wo sie, wie Rahel, fast alle urspruenglich herkommen.] Es habe ihn immer gewundert, dass Koyote, der sich doch in so vielem der Brunner-Kultur, und auch -Sprache, erfolgreich angepasst habe, beharrlich bei seiner ungewoehnlichen Aussprache von 'Rahel' geblieben sei. Er habe geahnt, dass da was dahinter stecke. Eigentlich habe er, sagte Koyote, unsicher wie er auszusprechen sei, ihren Namen mehr so dahin gehaucht. Sie war die erste Rahel, die ich in meinem Leben kennenlernte, und in aehnlichen Situationen habe er durchaus schon Ueberraschungen erlebt; sich jedoch grundsaetzlich angewoehnt, Unbekannte erst mal so anzusprechen, wie es ihm sein natuerliches Sprachgefuehl eingebe. Er muesse aber zugeben, mit dieser Vorgehensweise auch schon hereingefallen zu sein, wenn naemlich gewisse Leute, zum Beispiel Geschaeftspartner, die sich in die Lage eines ihrer Sprache nicht voll kundigen Auslaenders offenbar nicht versetzen koennten oder wollten, sich von dem fremdartigen Ton ihres Namens oder der eigenwilligen Bezeichnung eines altvertrauten oder wichtigen Gegenstandes irritiert, wenn nicht sogar beleidigt gefuehlt haetten, mit zuweilen verhaengnisvollen Folgen fuer den Ablauf mancher Vertragsverhandlungen, und sei nur durch den Volltreffer, den er in diesem einen, fuer ihn so wichtigen Fall gelandet habe, fuer die sonstigen Misserfolge entschaedigt worden. Na ja, sagte Brunner. Eine Zeitlang wart ihr gluecklich. Wahrhaft entschaedigt, wiederholte er. Neulich hast du gesagt, all das Unglueck, das du dir mit ihr eingehandelt hast ... Ach das. Ja. Und doch ... (winkte ab) ... bleibt die Erinnerung. Denn schon in der ersten Antwort, waehrend der ersten paar Saetze, spuerte ich ein besonderes Bemuehen in ihrer Stimme, einen feinen, weiblichen Tonfall, wie ich ihn von Frauen kannte, die mich fuer sich einnehmen oder sich fuer ein Kompliment revanchieren wollen, so dass ueber der Wegbeschreibung, die sie mir mitgab, ueber diesem simplen, nuechternen, fast moechte ich sagen, mechanischen, Informationsaustausch eine Oberschwingung zu liegen schien, eine private Verbindung, intimes Signal, das, aehnlich wie in der Rundfunk- und Fernsehtechnik, wo die Toene und Bilder den hochfrequenten elektromagnetischen Wellen huckepack aufgesetzt sind, den eigentlichen Inhalt und Bedeutung des Gespraeches transportierte. Ich habe, trotz meiner Muedigkeit und der Stoergeraeusche aus der Flughafenhalle und meiner generellen Unfaehigkeit, Situationen psychologisch richtig einzuschaetzen, schnell geahnt, dass hier etwas im Gange war und dass ich mit dem Telefonhoerer in diesem Moment moeglicherweise den Fetzel einer besseren Zukunft in der Hand hielt. Und noch etwas anderes schwang, wie sie mir spaeter sagte, in ihren ersten Gefuehlen mir gegenueber mit. Vor Jahren war sie mit einer Freundin durch Liberia gereist, das ganze Land hatten sie besichtigt, alle Staedte und Landschaften erkundet, von den Bergen bis ans Meer, aehnlich wie ich damals, nur eben freiwillig, und waren dabei an eine Grenze gestossen, die sie aus wahrscheinlich unbegruendeter Furchtsamkeit nicht zu ueberschreiten gewagt hatten - ein Versaeumnis, das sie bald bereute, weil, wie sie heute weiss, hinter dieser Grenze die blasse Welt aufhoert und eine eigene Zeitrechnung beginnt, wo bemerkenswerte, urspruengliche Wesen mit anderen Beduerfnissen und anderen Schicksalen leben, die fuer junge, unternehmungslustige Brunner-Damen, wenn sie davon Wind bekommen, eine Herausforderung oder sogar Versuchung darstellen. Und um so mehr bereut, als wegen der umfassenden Brandrodungen, die seither vorgenommen worden sind, keine Aussicht besteht, je wieder dort hin zu gelangen. Wie wir denn oft in unserem Leben an Grenzen kommen, die wir in dem Moment, in welchem ihre Uebertretung leicht moeglich waere, nicht zu uebertreten wagen, waehrend wir spaeter, wenn wir den Wagemut aufbringen wuerden, wahrscheinlich untaetig zu Hause sitzen. Schon bei der Rueckkehr hatte sich in ihr die Meinung heraus gebildet, dass dieser Ort, diese Grenze, die uebrigens ihre Freundin voellig kalt gelassen hat, etwas ausstrahlte, ihr etwas bedeuten koennte, was sie bisher nicht kannte und noch nie erlebt, eine Art Heimatgefuehl, das ihr Hamburg immer vorenthalten hatte, ein dort-waere-ich-gern-fuer-immer-geblieben Gefuehl. Ja, diese Idee hatte sich in ihr festgesetzt, und sie hat, wie sie mir spaeter sagte, die Stimme am Telefon zurecht mit dieser Grenze in Verbindung gebracht. Trotz der Stoergeraeusche, sagte Brunner. Genau. Das sei ja eben der Trick bei der Technik der Oberschwingungen. Die Stoergeraeusche wuerden ausgefiltert. Manche Frauen, sagte Brunner, fuehlen sich von Fremden staerker angezogen als von Einheimischen. Das sei ein bekanntes Phaenomen. Wohl genetisch bedingt. Hat mehr mit Biologie als mit Wohlklang zu tun. Diesen Einwurf ueberging Koyote. Bereits bei der Einfahrt zur Autobahn, sagte er, sei er mit seinem Mietauto ziemlich in Bedraengnis geraten, weil die Hamburger, wie gesagt, viel zu schnell fuehren. Und er das Autofahren nicht gewohnt. Niemand halte sich an die Geschindigkeitsbegrenzungen, was bei den Schlagloechern und dem Zustand der Fahrzeuge schon fast kriminell sei. Und wenn einer wie er dann mit moderater Geschwindigkeit ... der werde zur Seite gedraengt, zu Tode gehupt und, im Notfall, glatt ueber den Haufen gefahren. Ich kann's mir vorstellen, sagte Brunner. Schmidtchen Schleicher. Wenn er nicht geschlafen habe, fahre er noch langsamer als sonst. Siehst du. Kann doch nichts passieren. Ausser jemand rast in mich hinein. Und dann sinkt der Schadensfreiheitsrabatt. Bei dem, nicht bei dir. Eben. Er sei dann noch in Stau gekommen, Rush Hour, kilometerlang, in beiden Richtungen, und habe Gelegenheit gehabt, die Fahrer auf der anderen Seite zu beobachten. Genauso genervt wie ich. Hingen wie tote Froesche ueber ihren Lenkraedern. Die Stadt zum Greifen nahe und doch unerreichbar fern. Meinen Termin, habe er gedacht, den kann ich vergessen. Diese ganzen sinnlosen Anstrengungen, die ganze Fahrerei, nichts gebracht, keinen einzigen Abschluss werde ich mit nach Hause bringen. Der Tag schien mir auf einmal, trotz oder gerade wegen des seltsamen Telefongespraeches, das ich eben gefuehrt hatte, als der schwaerzeste meines Lebens. Und ich bekam Angst. Angst vor der Blechlawine, die mich eingekeilt hatte, Angst vor dem unumgaenglichen Eingestaendnis meiner Niederlagen und meines Unvermoegens genauso wie vor den Erwartungen, die man immer noch in mich setzte, Angst, dass ich dem Druck nicht standhalten wuerde. Der Laden liegt in der Hafengegend, die bei den Firmen so beliebt ist, vielleicht weil sie meinen, etwas von dem Flair und der Weltlaeufigkeit und der damit verbundenen geistigen Wirksamkeit uebertrage sich, wenn nicht ideell, so doch wenigstens kommerziell, auf den Ruf ihrer Firma, dass sie Unsummen fuer Bueromieten ausgeben und damit die Immobilienspekulanten der 80er Jahre nachtraeglich bestaetigen. Neumuehlen? fragte Brunner. Genau. Sie residierten in einem der neuen Hochhaeuser aus Edelstahl und Rauchglas direkt unten am Fluss. Wo wir frueher oft am Strand gesessen haben. Jetzt kein Strad mehr. Jetzt sitzen die da in ihren Bueros, sagte Koyote. Der Eingang: illuster. Eine hohe, auch an Regentagen lichthelle Halle; so nah beim Kai, dass man meint, die Elbe flutet gleich hinein. Dann mit dem vollautomatischen, vollglaesernen Fahrstuhl nach oben. Die erste, der man nicht umhin konnte, ueber den Weg zu laufen, war Frau Plummer. Wer? Frau Plummer. Sie war, ihrem Namen zum Trotz, eine jener schmalen, kleinen und unscheinbaren Mitvierzigerinnen, denen die meisten Chefs einiges zutrauen und hatte es, als ich sie kennenlernte, in ihrer Firma bereits zur Aufseherin ueber alle Sekretaerinnen und Empfangsdamen in Jaffes Abteilung gebracht. Und das waren nicht wenige; Jaffes Abteilung gehoerte zu jenen, in denen viel monotone und stumpfsinnige Fleissarbeiten anfielen, fuer die Frauen, in Dickfields Augen, von Natur her geschaffen sind. Hatte, ohne Intelligenz oder Arbeitskraft sonderlich zu strapazieren, ihren Laden voll unter Kontrolle. Notizen durcharbeiten, Faxe entgegennehmen und auf ihre Dringlichkeit einstufen, dasselbe bzgl e-mails, die an sie statt an Jaffe gerichtet waren, haeufiges hin und her eilen, um Papiere zu einzusammeln und Arbeitsauftraege zu erteilen, bei jedermann und im grossen ganzen einen kompetenten Eindruck hinterlassen, selbst dem schwierigen, oft aufbrausenden Dickfield gegenueber nie die Fassung verlieren, und, vor allem, keine Bewegung in dem Grossraumbuero, das der Firma zugleich als Empfangshalle diente und das sie von einem leicht erhoehten Sitz aus kontrollierte, sich entgehen lassen. Wenn sie auch ihre Schaefchen wegen kleinerer Verfehlungen nicht sofort tadelte, keineswegs, denn sie war tolerant durch und durch und litt innerlich, das heisst, ohne dass dies nach aussen hin sichtbar wurde, permanent unter ihrer Unterforderung; eine Malaise, die sie, wie ich aus Erfahrung weiss, mit vielen Chefs teilt, deren Auswirkungen jedoch, seis in Form schlechter Laune oder nervoeser Unausgeglichenheit ein Chef, im Gegensatz zu gewoehnlichen Sterblichen an Andere, das heisst, seine Untergebenen, weiterleiten kann. Nicht so Frau Plummer, die immer ausgeglichene Frau Plummer, die alle Arbeiten gewissermassen nebenbei und im Teillastbetrieb erledigte. Bei Rahel, zum Beispiel, das weiss ich, hat sie sich nie schadlos gehalten. Kein Wunder, dass sie in ihrer Freizeit nach einem Ausgleich strebte, der sie mehr und in umfassenderer Hinsicht ausfuellte als jede Buerotaetigkeit. Wer jetzt auf irgendeine Form der Leibesertuechtigung tippt, seien es ihrer Altersklasse gemaesse kontemplative Entspannungsuebungen wie Yoga oder Extremsportarten wie Bungee, Freeclimbing oder Canyoning, taeuscht sich betraechtlich. Ganz abgesehen davon, dass Rokkies und Rockerinnen, die sich solche Hobbies aussuchen und einigermassen professionell betreiben wollen, in Hamburg nie voll auf ihre Kosten kommen, sondern andauernd weite nervenaufreibende Reisen in Kauf nehmen muessen. Sie habe hasste weite Reisen. Es gab sicher keinen Kollegen, keine Kollegin, der sie in ihrer voellig an den Erfordernissen des oekonomischen Rationalismus orientierten taeglichen Fron scheinbar mit unermuedlichem Eifer, um nicht Hingabe zu sagen, und sogar einer gewissen sproeden Anmut, aufgehen sah, der geahnt haette, dass sie in ihrer Freizeit der Sucht und dem Aberglauben des Kartenlesens, Wuenschelrutengehens und Wahrsagenlassens anheimfiel. Denn um eine Sucht handelte es sich bereits, die sich ihrer zu allen Zeiten (ausser waehrend der Arbeitsstunden), besonders aber nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, bemaechtigte. Dann pflegte sie ihre Freundinnen anzurufen, die in den dunklen Stunden bis zur Daemmerung ebenfalls nichts besseres zu tun hatten, um mit ihnen ueber die auf dem letzten Tarotkongress gewonnenen Eindruecke zu fachsimpeln oder von dem neuen Buch zu erzaehlen, das sie auf dem Nachhauseweg im Esoterikbuchladen erworben hatte. Oder einfach still da zu liegen und ueber den Verlauf der Wasseradern in ihrem Hause nachzudenken, oder die Bedingungen der Moeglichkeit des Auftretens von Geisterscheinungen oder andere verwickelte Theorien, mit einer Klarheit und Praezision, die jeden Wisenschaftler zum Staunen gebracht haetten. Ihr Schreibtisch war auf der dem Eingang gegenueberliegenden Seite aufgestellt und diesem daher weit entfernt, jedoch sass sie so, dass sie die grosse Schwingtuer jederzeit in den Lidern hatte und, sobald diese sich oeffnete, automatisch den Kopf hob und mit unter den im Alter buschig gewordenen Augenbrauen, die so unuebersehbar waren, dass sich selbst der kurzsichtigste Neuling unwillkuerlich von ihnen ertappt fuehlte, den Eintretenden musterte, jeden Eintretenden wohlgemerkt (und wenns nur der Buerobote war, knackiger Mitzwanziger, der oefters herein kam, nach ihrer Meinung viel zu oft, und das hatte sie ihm auch bereits mitgeteilt, wenngleich ohne nennenswerten Erfolg, denn er war einem anderen Abteilungsleiter unterstellt, um mit den jungen Dingern den Kopf zusammen zu stecken, je juenger, je besser, dachte sie aergerlich, und auf Rahel schien er besonders zu stehen), um nach diesem Mustern, dem ein schnelles, keineswegs jedoch vorschnelles, inneres Urteil folgte, den Kopf wieder zu senken, ausser bei besonders wichtigen Gaesten, denen sie persoenlich entgegen zu eilen pflegte, was diese, nicht nur auf Grund besagter Unscheinbarkeit nicht eben goutierten. Auch sie waeren lieber von der unschuldig-ansehnlichen jungen Dame empfangen worden, die gewoehnlichen Besuchern zur Verfuegung stand. Ich mochte Dickfield nicht. In seiner Gegenwart habe ich mich nie wohl gefuehlt. Am Anfang nicht, und auch spaeter nicht. Ich habe ihn immer am liebsten von hinten gesehen. Als er in die Halle kam, waere ich am liebsten rueckwaerts wieder hinaus spaziert. Er war ein Patriarch, ein Pate, der sich, nachdem er die Firma mit Glueck und Chuzpe hoch gebracht hatte, nur noch mit treuen Vasallen umgab und sich bereits mit Anfang 40 in grossen Erfolgen sonnen konnte, waehrend andere, vielleicht ebenso agressive und geschaeftstuechtige, die weniger Glueck gehabt haben als er, mit hohen Schulden der Allgemeinheit auf der Tasche liegen, und wieder andere, mit weniger Chuzpe, den Buckel noch mit Ende 50 krumm machen muessen. Wie gesagt, ich mochte ihn nicht. Keiner mochte ihn. Aber ziemlich viele mussten fuer ihn arbeiten. Er war damals hauptsaechlich damit beschaeftigt, den optimalen Zeitpunkt abzupassen, um sein 'Lebenswerk' mit groesst moeglichem Gewinn zu verscherbeln, um anschliessend in hoeheren Gefilden, das heisst, auf Marlloca, Marbella oder an der Cote d'Azur einem begueterten Publikum so elitaere Figuren wie den gelangweilten Nabob, den wissenden Mann von Welt, den unbequemen Nonkonformisten oder den harten aber fairen Sportsmann vorzuspielen. Solange er diesen noch nicht fuer gekommen hielt, begnuegte er sich damit, diese Rollen vor seinen Angestellten schon mal einzuueben. Ansonsten gehoerte er zu denen, die andere Meinungen nur gelten lassen, wenn sie absolut sicher ist, dass sie ihnen materiell nicht zum Nachteil gereichen, die glauben, alles, was sie erreicht haben, mit vollem Recht zu besitzen, und legte sich mit jedem an, der ihn daran hindern wollte, noch reicher zu werden, Buergermeistern etwa, die auf den Umweltschutz in ihrer Gemeinde pochten, in der er mit staatlicher Foerderung eine neue Fabrik hochziehen liess (nachdem sie ihm wegen der Aussicht auf eben diese Fabrik jahrelang hoffiert hatten, diese verlogenen Schweine!) oder dem Finanzamt, das ihm mit immer neuen Steuern zusetzte, und ueber kurz oder lang noch in den Ruin treiben wuerde. Bei ihm war eine Wesensart besonders ausgepraegt, die vielen Menschen in geringerem Masse eigen ist, dass sie naemlich alles, was ihren Interessen dient, a priori fuer in hoechstem Grade logisch und vernuenftig halten, wohingegen ihnen alles, was sie Geld oder Besitz kostet oder moeglicherweise in Zukunft kosten koennte, von vornherein als unvernuenftig und unrechtmaessig erscheint. Solche Menschen identifizieren ohne viel Federlesens und mit der Absolutheit eines Sonnenkoenigs das Rationelle mit dem Rationalen, das Nuetzliche mit dem Vernunftmaessigen und nehmen also, wenn es um ihr eigenes Wohl geht, eine Art allgemeine Position ein, waehrend die Interessen der anderen, der Allgemeinheit, als etwas spezielles, untergeordnetes betrachtet werden, fuer das der alte Adam Smith schon sorgen wird. Und, wie man sieht, sie kommen gut durch damit. Jedenfalls, wenn sie, wie er, das noetige Quentchen Glueck gehabt haben. Ich darf wohl getrost so ueber ihn urteilen. Ich habe ihn von Anfang an so beurteilt. Ich brauchte ihn nicht. Jaffe war mir viel lieber. Er war, obwohl er gelegentlich etwas arrogant wirkte, die Liebenswuerdigkeit in Person. Auch als Vorgesetzter. Immer von heiterer Laune, und dadurch unheimlich beliebt, bei allen, die ihn kannten. Wegen seiner allzeit freundlichen, zuvorkommenden Art, die echt aus dem Herzen zu kommen schien. Freundlichkeit war ein Grundwesen seines Charakters, welches das andere Grundwesen, die fuer seine Stellung erforderliche Tatkraft, meist voellig verdeckte. Er hatte so viel Charme, dass noch der graueste Miesepeter auflebte, sobald er mit Jaffe ein paar Worte gewechselt hatte. Was, wie ich gern zugebe, an dem Tag der Strohhalm gewesen ist, der mir aus dem Sumpf meiner Truebsinn heraus geholfen hat. Er war wirklich der Inbegriff von Freundlichkeit. Selbst, wenn im Betrieb nicht alles nach Plan lief. Wenn einer das Plansoll nicht erfuellte. Dann behielt er, im Gegensatz zu manch anderem Vorgesetzten, der unter solchen Umstaenden ausgeflippt waere, den Ueberblick. Er blieb ganz ruhig und bestrafte nur die Schuldigen. Jaffe war fuer seine salomonischen Urteile beruehmt und ich persoenlich sehe darin, im Gegensatz zu anderen Leuten, die ihn fuer entscheidungsschwach hielten, noch heute die besondere Qualitaet seiner Fuehrung. Laber nicht, sagte Brunner. Damals konnte er, wie gesagt, gut mit Dickfield umgehen. Er konnte mit den meisten gut umgehen, auch mit mir. Wir waren Geschaeftsfreunde, im besten Sinne, wenn ich auch, mehr im Unbewussten, im Laufe unserer Geschaeftsbeziehungen eine entfernte Ahnung entwickelte, er wuerde erforderlichenfalls, das heisst, des Profits oder seiner Karriere zuliebe, ueber Leichen gehen. Eine sehr entfernte Ahnung nur, da unsere Geschaefte, nicht zuletzt aufgrund seines Weitblickes, immer auf einem ruhigen Gleise oder, meist sogar, aeusserst zufriedenstellend verliefen und ich mithin diese dunkle Seite an ihm niemals kennenlernte. Ich habe allerdings andere Leute klagen hoeren, dass er sie, besonders bei nassen Aktiengeschaeften, bei denen es bekanntlich auf die Minute ankommt, und jedes Zoegern, jede falsche, fehlerhafte oder unvollstaendige Information ins Verderben fuehren kann, ruecksichtslos im Stich gelassen habe. Auch ich, sagte Brunner, habe ueber Jaffe, nun sagen wie, widerspruechliche Informationen. Eigentlich war ich bei Dickfield, sagte Koyote. Den ich absolut nicht mochte. Die Art, wie er seine bornierte Autoritaet als selbstverstaendlich voraussetzte, hat einfach Aversionen in mir ausgeloest. Und doch war es, von hoeherer Warte gesehen, fuer mich ein Glueck, dass er, den ich damals eben gut genug kannte, um ihn nicht zu moegen, kurz hinter mir die Halle betrat, und von Frau Plummer eilfertig verarztet wurde. So konnte sich die noch immer verwirrte Rahel auf mich konzentrieren, ohne sich allzu sehr beobachtet zu fuehlen. Die kleinen Handreichungen des Schicksals, sagte Brunner. Wenn du so willst. Meist viel wichtiger als das, was wir uns hart erarbeiten. Andererseits hat, Rahel kennenzulernen, verhindert, dass du eine andere kennenlernst, die vielleicht besser zu dir gepasst haette. Wenn du es so siehst. Verlorene Jahre. Soweit wuerde ich nicht gehen. Diese ... Erfahrungen verlorene Jahre zu nennen. Denn. Sie laechelte mich an ... auf eine Weise ... 'umwerfend' wuerde jetzt in Romanen hier stehen ... es war eine Offenbarung, ein ... eine Art Heimkommen und zugleich ein Versprechen ... als ob ich zum ersten Mal auf dieser blassen Seite der Welt jemanden treffen wuerde, mit dem ich voellig ... Schon gut, sagte Brunner. Ausser dir natuerlich. Du brauchst dich nicht einzuschleimen. Nein, wirklich. Was waere aus mir geworden, wenn ich dich damals nicht? Verloren. Du kannst mir glauben, unsere Freundschaft ist mir mehr wert als die Liebe zu dieser Frau. Ja, jetzt. Auf jeden Fall ist sie stabiler. Muss man wohl annehmen. Hat den Fallwinden der Zeit offenbar mehr entgegenzusetzen. Mir kommen die Traenen. Ich hatte mich ja schon auf dem Bahnhof in ihre Augen verliebt. Kirschweiss, sagte Brunner. Ich wusste natuerlich sofort, woher ich sie kannte. Ich sah sie, und erinnerte mich, und mir war klar, wie leicht ich, auf ein Zeichen, ein zufaelliges, zickliches Zeichen, ihr verfallen wuerde. Moeglicherweise hatte das auch meinerseits mit dem von mir erfundenen Klang ihres Namens zu tun. Ich will das nicht ausschliessen. Wenngleich als diffuse Ahnung nur. Denn da schweigen die Laemmer meines Unbewussten; und die Sirenen auch. Sie jedenfalls ist hin und weg gewesen. Waere, was mein Aeusseres angeht, auch mit weniger zufrieden gewesen. Und hat mich nur nebenbei als ihren Haager Nachhilfeschueler erkannt. Die Szene am Bahnhof, hat sie mir spaeter gesagt, ist absolut zweitrangig gewesen. Ich weiss gar nicht, ob ich mich im ersten Moment daran erinnert habe. So dominierend ist das Glueck, ploetzlich einen schoenen Namen zu besitzen, dass es alles andere beiseite draengt und denjenigen, der meinen Namen gewissermassen neu erfunden hat, sofort und vorbehaltlos ins Herz schliessen will. - Und ich muss sagen, was mir nun geboten wurde ... von allen schoenen Erinnerungen, die ich an sie habe, einschliesslich unserer ersten Beischlaf-Akte, die ja bei vielen Paaren, auch Ex-Paaren, den hoechsten Erinnerungswert besitzen, zumindest, wenn sie einigermassen hinhauen, weil die Liebe wird wesentlich durch die sexuelle Attraktion bestimmt, und diese ist anfangs am staerksten und kommt gewoehnlich waehrend des Geschlechtsverkehrs zur vollsten Entfaltung, ist dieses Laecheln, dieses mutwillig betoerende, herausfordernde Laecheln eindeutig die staerkste, die mit dem groessten Libidogehalt behaftete. Doch, wirklich. Es uebertrifft alles, was ich jemals, vorher und nachher, erlebt habe, um ein Vielfaches, und ich wuerde es, ohne zu zoegern, unter allen Vergnueugungen an die erste Stelle setzen. Wuerde, vor die Wahl gestellt, lieber von ihr noch einmal auf dieselbe Art und Weise angelaechelt worden, als, zum Beispiel, mit Miss Universum auf anonyme Weise, also ohne weitere Gefuehlsregungen als die durch den Akt selbst hervorgerufenen, zu schlafen. Du meinst, unbelaechelt, sagte Brunner. Genau, sagte Koyote und blickte versonnen in die Ferne. Und? fragte Brunner. Ich meine, ihr Laecheln war an und fuer sich umwerfend. Auch wenn sie niemanden betoeren, sondern nur einen neuen Kunden begruessen wollte. Es entsprach einfach ihrem nach aussen hin offenen, heiteren Wesen, mit dem sie jedem Fremden begegnet und ihn fuer sich einnimmt, so dass sich vermutlich alle Firmengaeste von ihr angehimmelt und eingeladen fuehlten. Wenn auch sicherlich nicht im gleichen Masse wie ich. Sicherlich, sagte Brunner. Bei mir hat sie, ohne sondere Kenntnis von Art und Umfang meiner geschaeftlichen Kontakte mit ihrer Firma, noch eins drauf gesetzt. Es war der Hammer. Blickte wieder versonnen. Dem ist nicht zu helfen, dachte Brunner. Ich aber unbedarft. Habe ihr Laecheln in erster Linie auf meine maennliche Ausstrahlung zurueck gefuehrt. Ja, damals warst du noch jung und knackig. Wie der Buerobote. Nicht wahr. Ich glaube schon, dass ich mit ihm konkurrieren konnte. Heute sei allerdings von seinem guten Aussehen, um nicht Huebschigkeit zu sagen, nicht mehr allzu viel uebrig. Heute lebe nur noch der Geist, der sich an jener in der Vergangenheit hoffentlich genug gesaettigt, sich derart mit ihr vollgesogen habe, dass die jugendliche Wohlgestalt, die er einmal gewesen sei, von der Oberflaeche des Koerpers vertrieben, sich dorthin fluechten konnte. Er sage nur Dorian. Verstehe, sagte Brunner. Damian. Aquarellrote Bluse, sagte Koyote, mit sich wellendem, wehendem Ausschnitt. Wie eine stark vergroesserte Vagina, wenn du mir den Vergleich gestattest, und natuerlich die engen Hosen, an denen ich sie, wenn an nichts anderem, auf alle Faelle erkannt haette. Du wolltest von Jaffe erzaehlen. Das kommt spaeter. Du kannst dir wohl vorstellen, dass das Geschaeft in dem Moment zweitrangig fuer mich gewesen ist. Erstmal habe ich mich ihr vorgestellt. Ausfuehrlich-umstaendlich. Das war also die Frau, die mir im Haag geholfen hatte und von der ich in trauriger Unkenntnis meines Glueckes mehrere e-Mails bekommen hatte, und wenn sie auch ohne persoenlichen Anstrich und nur im Hinblick auf die Logistik einer Geschaeftsbesprechung ausgetauscht worden waren, so habe ich sie doch hinterher, als ich zurueck war und als es zuerst noch so aussah, als ob sich nichts weiter aus unserem Kontakt entwickeln wuerde, also nichts bedeutend weiterfuehrendes, auf den Bildschirm geholt und versucht, gewissermassen zwischen den Zeilen, aus den Formulierungen heraus, wenn auch natuerlich keine Botschaft, denn das waere verrueckt gewesen, so doch authentischer Auskunft ueber ihre Persoenlichkeit zu erhalten, als mir von anderen ungefragt gegeben worden war. Bisschen uebertrieben, fand Brunner. Und bringt wenig, wenn du im stillen Kaemmerlein. Mag sein. Ich wollte dir auch nur klarmachen, welchen Eindruck sie in dem einen Augenblick bei mir hinterlassen hat. Das Laecheln. Ihr Gesicht. Ihre Bluse und so weiter. Der ganze Raum war prall, sozusagen bis zur Decke mit ihrer Weiblichkeit angefuellt. Es war unglaublich. Nicht zu beschreiben. Alles um uns, was nicht bereits blass war, verblasste fuegsam und ergeben zu Graustufen (selbst Plummer und Dickfield, die sich nicht enthalten konnten), waehrend sie aufstand und mir mit den Worten, Jaffe sei noch beschaeftigt, den Schluessel ueberreichte. Den Schluessel? Ach, zum Uebernachten, ja. Den wolle sie mir, bevor ichs vergesse, am besten gleich geben. Samt einigen Erlaeuterungen, das Naechtigen in firmeneigenen Raeumen betreffend. - Hinterher hat sie mir noch den Schluessel fuer den Vortragsraum ausgehaendigt, wo ich coram publico meine Ruehrmaschinen anpreisen sollte und hat mich, da ich mich so daemlich anstellte und auf ihre Beschreibung hin mich in dem grossen Gebaeude, in dem auch andere Firmen residierten, verlaufen habe, sogar dorthin begleitet. Die Gelegenheit hast du dir natuerlich nicht entgehen lassen. Beinahe schon. Ich war die ganze Zeit ziemlich aufgeregt und wusste teilweise nicht, was ich sagen sollte. Verklemmt, sagte Brunner. Toernt jede Frau ab. Allein schon, Seite an Seite mit ihr die Treppen hoch zu steigen. Denn vor Fahrstuehlen hatte sie Angst. Was glaubst du, was das fuer eine, obwohl dort nichts passiert ist, Befriedigung war. Nicht nur weil ich, vom Haag her, wusste oder mir vorstellen konnte, wie sie beim Treppensteigen von hinten aussieht. Und waehrend wir nebeneinander im Gleichschritt, schwiegen wir. Doch war dies ein beredtes Schweigen, dem ein starkes Gefuehl der Zusammengehoerigkeit sich beimischte, so als ob wir bereits zusammen waeren oder uns mindestens seit Urzeiten kennten. Bei ihr fuehlte ich mich gut aufgehoben. Endlich angekommen. Vollstaendige Uebereinstimmung der Koerper und Seelen. Ineinander fallen lassen. Unwahrscheinlich verlockend. Unterleibs, ohne sich zu befummeln oder auch nur anzusehen, Kontraktionen; allein aus der Vorstellung, wie sich der andere, angefangen bei seinen Fussnaegeln und Fesseln bis hin zu Kopfhaut und Locken, neben einem bewegt. So, dachte ich, muss wahre Liebe sein. Wegen Rahel sei auch seine Muedigkeit ploetzlich weg gewesen. Wie weg geblasen. Nicht wieder zu finden. Was ihm aber erst abends aufgefallen sei, weil er, angesichts des Schwunges, mit dem er die Treppenstufen genommen hatte, ueberhaupt nicht mehr an sie gedacht habe. Ich bin ploetzlich viel optimistischer gewesen, auch, was den Margarine-Absatz anging. Sein ganzes, derzeitiges und kuenftiges, Leben sei ihm in viel positiverem Licht erschienen. Eine halbe Stunde spaeter, als ich bei Jaffe antrat, hat mir das sehr geholfen. Sein Buero: ein riesiger Raum von geradezu fuerstlicher Ausstattung, dessen Waende nach zwei Richtungen ganz aus Fenstern bestanden, durch die man den Wharf und die Werften, Docks und Anlegebruecken, Ausflugsdampfer und Ozeanriesen, unermuedliche Lastkraene und, auf den Molen, flinke Matrosen wieseln und muede Muessiggaenger flanieren oder auf Baenken in der Sonne sitzen sehen, und bei gutem Wetter, was zwar selten vorkommt, bis zur Flussmuendung blicken konnte; keine Spur von der Hektik und Aufgeregtheit des angrenzenden Grossraumbueros; ein Ort der Gelassenheit, der Meditation gar, an dem sich Geschaefte in vertrauter Runde verhandeln und Abschluesse feiern lassen; Moeblierung Mahagoni natuerlich ... Respekt vor den Regenwaeldern in diesen Kreisen: Null, warf Brunner ein. ... zwei teure Oelbilder an der Wand, seltsam vertrackte Staedtebilder, die Rom und Bologna darstellen sollten, aufwendig gerahmte Auszeichnungen und Zulassungsbescheide von Lebensmittelbehoerden verschiedener Laender, farbenpraechtige Guetesiegel fuer verschiedene Milchprodukte, Senfe und Saucen, Preis als Pudding des Jahres in den aufeinanderfolgenden Jahren 2122, 2123 und 2124 (ein Tripel, das vor ihm keiner geschafft hatte, nicht mal ein Schuhmacher mit seinen notorischen Hat-Tricks). Ich war ziemlich beeindruckt. Mit derart moeblierten Geschaeftspartnern verkehrte ich normalerweise nicht. Die nahm sich normalerweise mein Chef vor. Dabei war Jaffe nicht mal Vorstand, nur einfacher Abteilungsleiter. Stand aber, was ich am Anfang unserer Bekanntschaft nicht wissen konnte, mit Dickfield auf ungeheuer vertrautem Fusse. Konnte sich einiges bei ihm herausnehmen. Dickfield haette ihn ueber kurz oder lang in den Vorstand geholt, wenn er seine Firma nicht vorher zu Geld gemacht und sich zur Ruhe gesetzt haette. Ich also in seinem Buero, und musste mich der verschiedenen Eindruecke wegen, die auf mich einstuermten, erst einmal fassen. Wobei Jaffe zu denen gehoert, die einem Zeit lassen, die es einem nicht uebel nehmen, es nicht einmal zu bemerken scheinen, wenn man sich erst mal sammeln, erst mal akklimatisieren muss. Was ich in dem Moment natuerlich nicht wusste. Sondern, nach der Art, wie er mich ansah, bestenfalls ahnte. Jaffe war mir damals ein weitgehend Unbekannter. Ich bin ihm hoechstens mal auf einer Messe begegnet, und wir verkehrten, wie bei Messebekanntschaften ueblich, jedenfalls bei solchen, die nicht versehentlich mit einem durch seis hervorragende seis miserable Verkaufszahlen provozierten Saufgelage enden, wenn ueberhaupt, auf sehr oberflaechlichem Niveau. Er war kein Saeufer; keiner, der unter Stress die Aermel hoch krempelt. Die Phase hatte er hinter sich. War zum Mineralwassertyp avanciert, der sich sowieso nur mit hoeheren Chargen, denen er sich seit langem zugehoerig fuehlte, verbruederte. - Erstmal bot er mir einen Stuhl an. Ich setzte mich. Ein Glas Wasser? Ja, bitte. Zwischen uns auf dem Mahagonitisch ein futuristisch geformter Aschenbecher. Geschenk von Dickfield, wie er mir spaeter erzaehlt hat. Anerkennung treuer Dienste. Eignete sich gut als Ablage fuer kleinere und groessere Bueroartikel. Ordentlich war er nicht gerade. Meine Beunruhigung gruendete sich hauptsaechlich auf einem Handikap, das zu umschiffen mir, als demjenigen, der ihm seine Ruehr-Werke verkaufen wollte, erst noch bevorstand, und dessentwegen ich die Erfolgsaussichten unserer Verhandlungen anfangs sehr pessimistisch beurteilt habe. Das Handicap hiess Altmeister. Wie du weisst, habe ich damals viel mit Altmeister zusammen gearbeitet. Wir waren zeitweise, was das Verkaufen angeht, unzertrennlich. Ein Kopp und ein Arsch. Er der Kopp, ich der Arsch. Er ueberlegte sich die grossen Linien, baldowerte die Angriffsplaene und Strategien aus, und ich musste sie umsetzen. Er und Jaffe konnten sich nicht leiden. Weiss auch nicht, warum. Entweder sie hatten sich frueher einmal gegenseitig ein Geschaeft vermasselt, oder es war einfach jene nicht seltene Form der Abneigung, die sich aus der voelligen Verschiedenartigkeit des Charakters ergibt. Sie gingen sich moeglichst aus dem Weg, und erzaehlten, wenn das Thema darauf kam, aus ehrlicher, innerer Ueberzeugung nur schlechtes voneinander. Ja, so-und-so, der Jaffe, alter Schleimer, sei hochgestiegen, ohne wirklich etwas geleistet zu haben. Der Altmeister, ja, so-und-so, mit dem sollte keiner Geschaefte machen, im Kern unehrlich sei der. Altmeister war, das muss ich zugeben, kein ganz einfacher Typ. Oft schlecht gelaunt und hat von allen, ausser vielleicht von seinen Vorgesetzten, erwartet, dass sie bewundernd zu ihm aufblicken. Wegen der unbestreitbar enormen, ja nachgerade spektakulaeren Erfolge, die er frueher fuer die Firma erzielt hatte, und die ihm viel Anerkennung eingebracht und in bestimmten Kreisen tatsaechlich beruehmt gemacht haben. Ich hatte mit ihm keine Probleme. Auch ich gehoerte damals, wie ich zugeben muss, zu seinen Bewunderern. Finanziell habe ich ganz schoen von ihm profitiert; soviel wie bei ihm habe ich spaeter nie wieder verdient. Und auch mental. Er war mental unheimlich stark, liess sich von nichts unterkriegen und hat mich, wenn etwas schief ging und ich den Kopf haengen liess, immer wieder aufgerichtet. Ausserdem hat er mir viele fuer unser Handwerk wichtige Tricks beigebracht, sein ganzes Methodenarsenal, mit dem man sich viel Zeit und Aerger ersparen kann. Bei ihm habe ich laufen gelernt. Meine Strategie war denkbar einfach. Ich mied den Namen Altmeister, obwohl er sich, als mein Abteilungsleiter, in fast jedem zweiten Satz geradezu aufdraengte, und hoffte, Jaffe durch diese offensive Vermeidung zu verstehen zu geben, dass zwischen mir und Altmeister, trotz unserer engen Zusammenarbeit, eine Distanz bestand, die mir ein eigenes unabhaengiges Urteil ueber seine Feinde erlaubte und mir sogar ermoeglichte, mit ihnen vertrauensvoll Geschaefte zu machen. Eine Strategie, der uebrigens Altmeister ohne weiteres zugestimmt haette. Es kommt bei einem Gespraech unter Maennern, die sich eben kennengelernt haben, nicht unbedingt darauf an, aus welchem Stall sie stammen. Die innere Chemie, oder Harmonie, oder wie man die Eigenschaft nennen soll, die nur von der Einzelpersoenlichkeit und nicht von den Beziehungen, die einer hat oder nicht hat, bestimmt wird, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Er bewundere Dickfield, sagte Jaffe. Wie der in den alten Zeiten, als Geschaefte gewissermassen noch mit der Rohrpost abgewickelt und besiegelt wurden, die Firma aufgebaut habe. Genial muesse man das nennen, ge!-ni!-al!, mit 3 Ausrufezeichen, und wenn es, was nach seiner Meinung unbedingt wuenschenswert sei, damit der wirtschaftliche Sektor endlich einen ihm angemessenen Platz im Bewusstsein der Menschen einnehme, einen Nobelpreis nicht nur fuer Oekonomen, sondern auch fuer richtige Wirtschaftler gebe, haette ihn Dickfield als erster verdient. Ja, so war Jaffe; selber aeusserst erfolgreich, erkannte er doch die geistige Ueberlegenheit anderer ohne weiteres an. Schaemte sich nicht, seinen Vorstand zu loben. Hatte selbst fuer Youngster und Nobodies wie mich allzeit ein Lob parat. Lobte zum Beispiel meine Praesentation ueber alle Massen - obwohl er bis jetzt nur die Folien kannte. Jaffe war eben einer, der sich ueberall quasi automatisch beliebt machte. Er konnte, aufgrund seiner freundlichen Wesensart, gar nicht anders, als sich beliebt zu machen. Er gab allen, auch denen, die ihn kaum kannten, das Gefuehl, dass sie sich in einer Krisensituation auf ihn wuerden verlassen konnten. Auch ich fuehlte mich, zuerst unmerklich, dann immer deutlicher, von ihm angezogen. Das ging so weit, dass ich im Laufe unseres Gespraeches meinte, er wuerde, falls ich ihn danach fragte, weil die Geschaefte mit Altmeister im Moment nicht liefen, mir blindlings sofort einen Job anbieten. Und bei Dickfield, dem eingebildeten, cholerischen, unbeliebten, ewig griesgraemigen Dickfield, hatte er, wie er offen zugab, definitiv einen Stein im Brett. Es sei ihm ein nicht geringer Trost, sagte er, dass Dickfield grosse Stuecke auf ihn halte, und, wie er ihm bereits mehrfach offenbart hatte, Grosses, weit ueber das Tagesgeschaeft Hinausgehendes mit ihm vorhabe. Vielleicht sollte ich mich deswegen schaemen, aber ich schaeme mich ueberhaupt nicht, rief er, ich erzaehle es jedem, wie ich mit Dickfield stehe. Dick mit Dickfield, sagte Brunner. Sowas lag mir auch auf der Zunge. Ich liess es lieber. Ich wollte das zarte Pflaenzlein unserer gegenseitigen Zuneigung nicht zertreten und haette in diesem Moment um keinen Preis einen Vergleich unserer beiden Mentoren Dickfield und Altmeister zu aeussern gewagt; Altmeister, der, auf einer unsichtbaren, doch allen Geschaeftsleuten gelaeufigen Skala der Verkaufserfolge, gleich an gleich mit Dickfield stand, Jaffes freundlicher Wesensart, aus welchen Gruenden auch immer, jedoch widerstanden hatte und nun von diesem zum Feind ausgerufen worden war. Den Schluessel haben sie wohl schon bekommen, fragte er. Ja, sagte ich, die Empfangsdame habe ihn mir bereits ausgehaendigt. Wie heisst sie noch? Frau ... in dem irrationalen Versuch, Rahels Namen von ihm ausgesprochen zu hoeren. Er tat mir den Gefallen. Sie meinen Raetschel, sagte er. Raetschel Berkowitsch. Genau, sagte ich, waehrend ich so gut es ging mein, wie ich meinte, Pokergesicht aufsetzte, das ich mir sonst fuer kritische Abschluesse aufbewahre. Ja, die Raetschel, sagte er kryptisch, und ein raetschelhaftes Laecheln huschte ueber sein Gesicht, so dass ich mich fragte, wie sein Verhaeltnis zu dem Maedel wohl sein mochte, ob er, was von Frau Plummer sicher nicht goutiert worden waere (aber Frau Plummer war in diesem Fall unmassgeblich und hoechstwahrscheinlich kein Hinderungsgrund, es war mehr Dickfield samt seiner Firmenmoral, um den er sich haette Sorgen machen muessen), bei ihr einen Versuch unternommen hatte, und wenn ja, wie erfolgreich dieser verlaufen. Ich schwieg. Der Aschenbecher kam mir, von den Klammern, Heftzwecken und Briefumschlaegen abgesehen, wie ein Raumschiff vor, das - nicht zufaellig - in Jaffes Buero gelandet war und aus dem gleich Dutzende kleiner Maennchen in wattierten Weltraumruestungen herausspringen ***wuerden, die, sich von unserer Groesse bedroht fuehlend, sofort mit kleinen aber hoechst effektiven Waffen um sich schiessen ***wuerden. Auch er schwieg. Es war, als suche er nach Antworten auf eine Frage, die ich gar nicht gestellt hatte. Schliesslich, nach einer Gedenkminute, waehrend wir beide Bilder von Rahel an unserem dritten Auge vorbeiziehen liessen, Rahel, wie sie sich langsam auf einen Stuhl setzt, an ihrer Bluse zupft, einen Pullover ueberzieht, mit Einkaufstueten durch die Stadt rennt usw, oder uns daran erinnerten, was wir mit ihr erlebt hatten (ich nicht viel), und obwohl es an mir gewesen waere, zum Thema ueberzuleiten, aber Geschaeft ist das eine, das Wichtigste natuerlich, schliesst jedoch die Verfolgung anderer, auch sekundaerer Interessen oder privater Reflexionen keineswegs aus, sondern im Gegenteil kann eine gelegentliche Ablenkung von der Jagd auf den Mehrwert den Geschaeftsmann und seine mit ihm interagierenden Vertragspartner wesentlich erfrischen und innerlich auflockern, so dass kritische Punkte, die zuvor als unueberwindliches Hindernis angesehen worden sind, unter einem ganz anderen, gelasseneren Blickwinkel betrachtet werden und so entweder gaenzlich an Bedeutung verlieren oder als ausklammerbar hintangestellt und auf zukuenftige Verhandlungen, in denen es weniger locker zugeht, vertragt werden, konnte er sich nicht enthalten hinzu zu fuegen, Frau Berkowitsch sei wirklich eine interessante Erscheinung. Fuer den Empfang eine echte Bereicherung. Sie gebe sowohl Neuankoemmlingen wie auch Alteingesessenen regelmaessig das Gefuehl, in Dickfields Firma gut aufgehoben zu sein. Nur leider verletze sie manchmal ungeschriebene Regeln, ueberschreite gewisse Grenzen. Blickte versonnen zu seinen Guetesiegeln. Auf mich mache sie einen ehrlichen, durchaus zurueckhaltenden Eindruck, sagte ich. Oh, ehrlich ist sie. In der Hinsicht habe es keine Beanstandungen gegeben. Ich fragte mich, in welcher Hinsicht es wohl Beanstandungen gegeben hatte. Vielleicht koenne man so sagen, fuhr er vorsichtig fort. Sie nehme ihre Empfangstaetigkeiten ueberaus ernst. So ernst, dass sie sie auch auf den privaten Bereich ausdehne ... Das war mir jetzt einerseits zu direkt. Davon wollte ich lieber nichts hoeren. Andererseits fuehlte sich einiges in mir von diesem schwarzen Loch der firmeninternen Geruechtekueche angezogen - ich meine, wenn einem schon mal ein Insider wie Jaffe freiwillig Auskunft gibt. ... und in Sonderheit die Bueroboten des Unternehmens auf ihre private Empfangsliste gesetzt habe. Es war, als wenn meine Kleidung, meine Haut und Knochen nichts anderes wuenschten, als zu Jaffe hinueber zu flattern, sich muede und resigniert an sein schwarzes Herz zu legen, um dort in ihrem Leid zu verenden; denn darum ging es doch, dass, waehrend vielleicht meine Begierde ueber die gedankliche Beschaeftigung mit Rahels Sexualleben anstieg, meine Zuneigung in Vorurteilen erstickte. Nicht nur Bueroboten, sagte er freundlich, als er mich erblassen sah. Sie habe durch ihre betraechtlichen Aktivitaeten, auch wenn diese bisher niemals zu dem ersehnten Abschluss fuehrten, ein erstaunliches Potential an Kontakten gesammelt, die sich ueber weite Kreise erstreckten, vom Laufburschen bis hinauf zu den stellvertretenden Abteilungsleitern, und auch bei nur entfernt mit der Firma kooperierenden Institutionen habe sie sich einen gewissen Leumund erworben. Was in ihrer Stellung grundsaetzlich gar nicht mal negativ zu bewerten sei. Eben, warf ich dazwischen. Und doch: sie sei nicht waehlerisch, sagte er mit einem Anflug von etwas, was ich fuer Bitterkeit ausmachte. Er koenne das sicher besser beurteilen, sagte ich leise und pflichte ihm insofern bei: gegen gute Kontakte sei meines Erachtens nichts einzuwenden. Einen Menschen, der seine Kontakte pflege und ausbaue und neue knuepfe, zumal wenn sie, im beruflichen Bereich, Aussicht auf Befoerderung boeten, die er sich schon lange erhoffe, weil ihn seine momentane unbedeutende (und wahrscheinlich auch ziemlich unbefriedigende) Stellung langweile, koenne ich gut verstehen. Gut nachvollziehen, wenn eine Empfangsdame sich besser positionieren wolle und nach hoeherem strebe, womoeglich den Posten einer Chefsekretaerin anvisiere. Das Wort 'Befriedigung', sagte er daraufhin ziemlich kurz angebunden, wuerde ich im Zusammenhang mit Raetschel aus verschiedenen Gruenden lieber vermeiden. Damit war fuer ihn das Thema erledigt. Die naechste, die mich vor ihr gewarnt hat, ist dann Frau Plummer gewesen. Das war am Tag meiner Abreise, wo ich gern noch ein, zwei Worte mit ihr gewechselt haette, zwecks moeglichem Wiedersehen. Ich bin, etwas orientierungslos, muss ich sagen, weil ich nicht wusste, wie ich vorgehen sollte, nochmal im Grossraumbuero vorstellig geworden. Und dann die Enttaeuschung: keine Rahel weit und breit. Schon kam die Plummer auf mich zu gesegelt. Als jemand, der, noch relativ jung an Jahren, mit Jaffe auf du und du stand und sogar ohne Termin von ihm empfangen wurde, gehoerte ich auf jeden Fall in den Kreis der von ihr wohlwollend beachteten. Wo Frau Berkowitz sei, wagte ich zu fragen. Irgendwo im Hause unterwegs, sagte sie. Worum geht es? Den Zimmerschluessel wolle ich abgeben. Den koennen sie auch bei mir abgeben, sagte sie. Ja natuerlich. - Das wars wohl, dachte ich. Mein Interesse an Rahel wollte ich mir auf keinen Fall anmerken lassen. Abgesehen von der Taktlosigkeit, die darin besteht, sich einer aelteren Frau als Verehrer einer juengeren zu erkennen zu geben, und auch von der Abneigung, die ich dagegen empfinde, durch mehr oder weniger tiefe Einblicke in meine Herzkammer das Gesicht zu verlieren, leide ich, wenn es um die wichtigen Dinge (Sex-Geld-Tod) geht, an einer Krankheit, einer uebergrossen Scheu, mich bemerkbar zu machen und meine Interessen mit dem notwendigen Nachdruck durchzusetzen, und an der eingebildeten Furcht, der Oeffentlichkeit durch die allzu offenkundige Verfolgung meiner privaten Wuensche Angriffsflaechen zu bieten, die mich blossstellen und fuer immer desavouieren koennten. (Alles Zeichen meines mickrigen Selbstbewusstseins, ich weiss.) Ausserdem wollte ich Rahel nicht in Schwierigkeiten bringen. - Vergeblich. Die Plammerin hatte, was ich in meiner Begriffstutzigkeit nicht gleich verstand, weil ich, wie die meisten, die sie nicht richtig kannten, ihr Einfuehlungsvermoegen (wie auch die aus der schieren Anzahl von Rahels Verehrern gediehene Erfahrung) in solchen Angelegenheiten unterschaetzte, sofort begriffen, worum es ging. Falls ich mit Frau Berkowitz etwas zu besprechen habe, sagte sie malizioes. Die halte sich um diese Zeit gewoehnlich in der Poststelle auf. Eine Treppe hoeher. Zimmer So-und-so. Ich also, nach einem unsinnigen 'Nein, nein', einem halbwegs heldenhaft hingelegten 'Auf Wiedersehen' und einem kleinen Umweg zwecks Spurenverwischung, hin. Im Flur schon hoerte ich kichern. Rahel! Es klang unbeschreiblich ... scharf. Sie kriegte sich, vor Kichern, gar nicht ein. Dann sah ich sie. Sah, wie eng sie die Koepfe zusammensteckten, so dass nur die Hinterteile zu sehen waren, schoene Hinternruecken schoener Menschen, und habe mich natuerlich, da ich selbst begonnen hatte, mir etwas auszurechnen, besorgt gefragt: laeuft da was? Wenn du solche Schluesse ziehst, sagte Brunner, kannst du gleich einpacken. Hat mich total genervt, zu sehen, wie gut sie sich mit dem Bueroboten unterhielt; und haette mir fuer die Zukunft zu denken geben sollen. Das heisse gar nichts, sagte Brunner. Schoenheit bedeute nicht viel. Du wuerdest dich wundern, wieviele huebsche Maedchen haessliche Maenner heiraten, sofern diese entweder unterhaltsam oder erfolgreich sind. Moeglichst beides. Die Kombination sei uebrigens haeufiger als das Einzelpack. Erfolg mache sexy, das wisse jeder; ohne dass bei den Frauen Berechnung im Spiel sein muesse. Jedenfalls nicht bewusst. Das seien so Faktoren aus der Steinzeit, dass die Kuppelung an haessliche, ja selbst mit koerperlichen Macken behaftete (zum Beispiel Schmaechtigkeit der Gestalt, Kleinheit gewisser Organe, abstehende Ohren, ein Hinkefuss, Haarausfall oder fruehzeitige Erblindung) Alpha-Maennchen, die gerade aufgrund dieser, von Behinderung wuerde ich in dem Fall gar nicht reden, eine besondere Sensitivitaet fuer gelungene Sozialbeziehungen entwickelt haetten, durchaus vielversprechend sei. Die Alpha-Maennchen, ob mit oder ohne Macke, koennten, im uebertragenen Sinne, die Puppen tanzen lassen. Die anderen muessten nehmen, was ihnen, wiederum im uebertragenen Sinne, vor die Flinte komme. Also: Erfolg und Unterhaltung sei genau die richtige Kombination. An den Tischen der Erfolgreichen werde meist mehr gelacht als an denen der Verlierer, und nicht nur, weil die Erfolgreichen ueber groesseren Wohlstand sich freuen duerften, sondern weil sie meist auch unterhaltsamer seien. Denn um Erfolg zu haben, muesse man die Oberen fuer sich einnehmen. Sie bezirzen. Und wie mache man das? Indem man sie unterhalte. So schliesse sich der Kreis. Die groessten Chancen bei Frauen haben beruehmte Komiker. Das wuerde die Statistik, wenn eine solche gefuehrt wuerde, garantiert zeigen. Witzisch muesse man sein. Das sei das Einfallstor in jedes Frauenherz. Wer eine Frau zum Lachen bringe, beweise ihr nicht nur, dass er harmlos sei und nicht zu denen gehoere, die ihr mit andern, gewaltaetigen Methoden ans Leder wollten, er zeige auch, dass im Alltagsleben gut mit ihm umzugehen sei. Da kenne er Gegenbeispiele, sagte Koyote. Aufgekratze und bei Frauen erfolgreiche Typen, aber letztlich beziehungsunfaehig. Zunaechst aber erfolgreich. Und darauf komme es an. Und wenn dann einer, wie Dickfields Bote, seine witzige Munterkeit mit einem entsprechenden Koerperbau verbinde, sei er unschlagbar. Ich weiss gar nicht, ob der so witzig war, sagte Koyote. Rahel hat, um lautvoll lusthals zu kichern, wahrscheinlich sein Hintern gereicht. Mit mir hat sie spaeter auch viel gekichert. Und Jaffe? Erfolgreich, weltmaennisch. Idealer Kandidat insofern. Verheiratet. Das schrecke ab. Manche Frauen im Gegenteil. Nicht Rahel. Sie hatte mich durchaus aufs Korn genommen. (Wenn sie es an dem Tag auch nicht offen zeigte und mich, wohl in der Absicht, den Preis hoch zu treiben, ziemlich zappeln liess.) Obwohl, oder gerade weil, sie nicht viel von mir wusste. Ich war ihr, aufgrund meiner Herkunft, raetselhaft. Auch das Raetselhafte, wenn es nicht Angst verbreitet, kann, wie du sagtest, in der Liebe ein Faktor sein. Sie hielt mich fuer ein, wenngleich nicht sonderlich unterhaltsames, Potenzial. Zumal ich seit gestern mit Jaffe per du verkehrte. Nachts, in den Phasen, in denen mein Koerper sich den Schlaf gewissermassen mit Gewalt gegen die Nerven ertrotzte, traeumte ich von ihr. Leider nichts angenehmes. Wenn man mehrere Naechte nicht geschlafen hat, kommen die Alptraeume. Ich traeumte, Dickfield habe, zu Jaffes Leidwesen, seine Firma an amerikanische Investoren verkauft, die den Laden sofort voellig umkrempelten, das unterste zuoberst kehrten und eine Menge Staub aufwirbelten (der sich als Mehltau auf den verunsicherten Gesichtern der Angestellten niederschlug), bis sie feststellten, er passt gar nicht in ihr Portefolio und sich bereits ueberlegten, ihn, und sei es mit Verlust, abzustossen, einem Verlust, der spiegelgetreu fuer Dickfield ein Gewinn gewesen ist, auf dem er sich in seiner Villa ausruhen konnte. Fuer Jaffe, der sich mit den neuen Umstaenden bis zuletzt nicht angefreundet hat, war es da schon zu spaet. Fuer Jaffe ist es kein Gewinn gewesen. Er ist mit den neuen Herren nie warm geworden. In dem Moment, wo ich das dachte, blickte mir Dickfield von seinem Liegestuhl aus direkt in die Augen. Was, du? rief er, sich raekelnd. Kann ich an alles denken? Gute Figur, der Mann, Respekt, bis ins Alter. Waehrend seine Anwaelte sich im Wasser mit jenen verzweifelten Investoren, die ihm ihr letztes Geld geopfert hatten und ihm ohne die mannhafte Einwirkung der Advokaten glatt an den Tanga gegangen waeren, rauften, dass es spritzte; aber Dickfield lachte bloss. Auf solche Betraege muss man sich ganz und gar konzentrieren, sonst kann man seinen Gewinn vergessen. Wenn man sich von solchen Betraegen ablenken laesst, hat man verloren. Einer wie Jaffe, mag er gedacht haben, kann sich selber helfen. Ich stand mit den Fuessen im Wasser, unwillig sich kraeuselndem, hellblau gekacheltem Wasser, und ploetzlich war ich verzweifelt. Wo war Rachel? Wegen der Kaempfenden konnte ich unter der Oberflaeche nicht viel erkennen. Auch mit meiner Taucherbrille, die ich, als passionierter Taucher, zu jener Zeit sogar mit ins Bett nahm, nicht. Sah nur duerre Maennerbeine, tretend. Dann Ahnung, Dickfields Leib koenne sie verschlungen haben. Wollte ihm dennoch nicht zu nahe ruecken. Soviel Verstand besitze ich sogar im Traum, dass ich mich fuer eine unerfuellte Liebe nicht sinnlos in Gefahr begeben wuerde. Floh aus dem Puhl ins offene Meer. Sein Feldzugsplan sah vor, ueberraschend und so frueh wie moeglich in Schleswig-Holstein einzudringen und Hamburg als zentrale Festung zu erobern. Und endlich am Meer, sage ich, denn vom Morden und allerlei Plaenen, vom wahrhaft Boesen will ich nichts hoeren, auch in Albtraeumen nicht. Das Riesen-Handschuh-zerfressene Eislaufmehr, in gekoernerten Briefen hochwohlgekuendet und schwed, wirklich schwer schwed. Ohne dass Schulzen scharnecksein. Wir sind auch nur der Singsang des Erfinders, hoerte ich Dickfield sagen. Wir sind auch nur, wuerde ich teilen, erwiderte ich. Aber mehr als Singsang sind wir schon. Denn was ist Realitaet? Nich, was sich Laienpsychologen-Herrschaften denken. Realitaet iss nich, wenn du auf jede laeppische, taeppische Frage eine Antwort hast, die du wie Daxner, wie Dragon, herunter spulst, und wenn nicht, dies dir peinlich ist, oder wenn du den Noeten, den Klemmen, den Patschen des Alltags, die doch nur die Probleme deiner Umwelt sind, die ihren ganzen Muell auf dir ablaed, dich stellst. Realitaet ist einfach die Materie um dich herum, das warme Holz, das kalte Metall oder umgekehrt und so weiter. Material eben. Mehr nicht. Und doch mehr als der ganze Singsang, den ihr Realmenschen verbreitet. Denn hier bin ich ehrlich. Im Traum bin ich ehrlich und heiss auf Schokoladenpastell. Ihn liessen solche Klagen kalt. Wenn ich heute, sagte er, da er aelter und (/\) geworden sei ... Lambda? fragte ich. Statt (\/), meine er. ... und die Frauen nicht mehr mit derselben Vehemenz begehre, fuer die er frueher bekannt und ziemlich beruechtigt gewesen sei, ohne manifeste Erfolge, muesse man sagen, sondern im Gegenteil sei er den Erfolgen anderer nur hinterher gehinkt. Das hat mich in dem Augenblick ueberrascht. Doch. Ich habe Dickfield immer fuer einen ziemlichen Spiesser gehalten, der den Geruch des Unmoralischen um keinen Preis duldete und versuchte, ueberall seine rigiden Moralvorstellungen durchzusetzen. Bis in die letzte Poststelle seiner Firma. Aber in Traeumen ist bekanntlich jeder anders. Besonders in den Traeumen anderer Leute. Du wirst sehen, sagte er, du findest eher eine Freundin als ich. Doch. Auslaender haben es bei Frauen oft leichter. Ich kann's nicht mehr hoeren, habe ich zu ihm gesagt. Wenn ich also heute, fuhr er fort, da mir solche Niederlagen nicht mehr viel ausmachen, hier bei Halligen uebers Meer blicke, das sich ueber viele Meilen in alle Richtungen erstreckt, nach Engelland hin, wo sie noch immer ihre Majestaet haben, die sie zuzeiten hochleben und meist in ihren Schloessern in Ruhe lassen, wo sie in Roecken tanzen wie die Indianer und Musiken spielen wie keine Nation auf dem Kontinent, und, zum Verdruss der musikalisch und rhythmisch weniger bemittelten, dauernd Anna Livia Plurabelle rezitieren, keine Sonaten zwar, keine streng gegliederten Orgelkonzerte, sondern die ewigen Gesaenge der Elfen kopierend, die dort, und nur dort, ihre Heimat haben, in den zerkluefteten Hoehlen und hebridischen Grotten, in den Auen von Fluessen mit Namen wie Llewellkam, Kensifar, Dickwondressdick, und den Taelern der Schafzuechter, nach Skandinavien auch, wo sie dermassen viel Platz haben, dass sie Dutschke eingeladen und nach ihm, wie nach jedem anderen, besonnenen oder ungeduldigen Buerger, einen Fjord benannt haben, und ganz nach Norden hoch geht das Meer, Groenland und weiter, wo's Wasser zu Eis erstarrt und nur nach sublimen Gesetzen zurueck in die Adern und der normale Mensch sich selten hin begibt, und wenn, dann nur in Gedanken, das weite, bis auf Sandbaenke und Untiefen und felsenbetrasste Meerengen, an denen frueher Schiffe zerschellt sind, die noch heute unten im Ozean liegen, ausser diejenigen, welche, weil Geldgold an Bord, oder aus historischen Gruenden, inzwischen gehoben wurden, ziemlich volumeneinfloessende Meer, das voll ist von seltsamen, sich gegenseitig verschlingenden Wesen, grossen und kleinen, bunten und grauen, vielfuessigen und zweiflossigen, und Menschen ueber ihnen: spaehend in Schaluppen, windwendig in Seglern, lichtlastloeschend in Feuer- und Containerschiffen und, neugierig, mit glattgebohnerten, glaesernen U-Booten radargeschuetzt tauchend, diese braune, vom Sturm schaumig geschlagene Salzsuppe, die unentwegt gegen die Kaimauer schlaegt wie von einem gigantischen, unermuedlichen, niemals nachlassenden unterseeischen Ruehrraederwerk angetrieben, waehrend der schaurige Schimmelreiterwind, der hier Tag fuer Tag und Nacht fuer Nacht ueber die Krume pfeift, mir das Hirn aus dem Kopf blaest, und spaeter den Sandstrand entlang schlendere, erdige Moettge unter den Fuessen, und Regenwuermern, Krebsen, Moewenkacke und besonders Quallen geschickt ausweichend, der sich ueber mehrere Kilometer an dieser voellig flachen, ausgepowerten Landschaft entlang zieht, im Bereich einer groesseren, fuer ihre Vergangenheit hoch geruehmten, in der Gegenwart des Massentourismus geistig orientierungslosen Ferienortschaft entlang zieht, in der junges Leben wimmelt und wogt, gebraeuntes, sportliches Wohlstandsleben, ausser, wie jetzt bei Sturmstaerke 6, wo jeder anstaendige Urlauber, und vielleicht auch der unanstaendige, ebenso wie der von vormittaeglicher Maloche erschoepfte Landwirt, hinter verschlossenen Laeden und bei geschlossenen Augen die Gedanken spielen laesst, Gedanken an schneeweisse Sonnenmilch auf sommerbesprosster oder schwarzbrauner, jedenfalls junger, samtweicher Haut, an extravagante Fussnagelfarben, Bikiniober- und Unterteile, oder Sand zwischen Po-Ritzen, waehrend eine dicke Schmeissfliege ihn solange umschwirrt, bis er sich von seinen Traeumen vorlaeufig verabschiedet, entnervt die Augen aufschlaegt, das Licht anmacht, nach einem schweissfeuchten Unterhemd greift, um damit apathisch-erfolglos nach ihr zu schlagen, wird mir wohl niemand, der sich seinen gesunden Hausverstand bewahrt hat, statt unergiebigen Reflexionen und taeglich wechselnden Daseinshypothesen nachzuhaengen, das Recht streitig machen, das hoehere Recht, und das niedrige auch, gewisse Urteile zu faellen, Urteile nicht, oder nur verhalten, ueber den Charakter der Landschaft, die hier vom Meer weg in gruener Unendlichkeit sich verliert, der Menschen, die von ganz anderem Schlage als wir sind, zaeher naemlich und fatalistischer, die aelter werden als wir, nicht nur, weil sie seltener Drogen (die uns Staedtern, schamlose Gluecksversprechen absondernd, staendig vor der Nase baumeln) schlucken, oder weil ihr wetter-erprobter Kreislauf fast jeder Belastung standhaelt, die immer wohlgelaunt durchs Leben laufen, sich mit einem unvermeidlichen Schicksal viel leichter abfinden als die stets unzufriedenen Hamburger, oder ueber die laendlich-maritime Kultur (maritim, jawohl, wagte ich einzuwerfen), die sie hervorgebracht haben und taeglich neu hervorbringen, in staendigem Wechselspiel, wie die Fahnen der Ferienanlagen in ihrem Wechselspiel mit dem Wind mal von der einen, mal von der anderen Seite ungeduldig gegen den Masten zu schlagen, einer Kultur, derer sie sich nicht zu schaemen brauchen, denn, wenn sie auch keinen Goethe hervorgebracht haben, fuer einen Storm hat es doch gereicht, und fuer einige Maler, und das bei dem Getoese hier, und viele andere, Auswaertige, sind hier gewesen, um sich inspirieren zu lassen oder abzuhaerten, Urteile auch nicht ueber das scheinbare Fehlverhalten einzelner im stetigen Strom der Zeit, wenn sie sich, seis offen, seis versteckt, gesellschaftlichen Zwaengen wiedersetzen (die in den Doerfern seit Generationen vom einen auf den anderen weitergegeben und bis vor gar nicht langer Zeit mit grimmiger Inbrunst ***verteidigt wurden), weil sie ihren Sinn nicht mehr verstehen, der sich anscheinend in die gute Luft aufgeloest hat, oder weil sie grundsaetzlich, nachdem sie mit den sogenannten Freiheiten der westlichen Kultur in Beruehrung gekommen sind, in Sonderheit der amerikanischen mit ihren bunt angemalten Frittenbuden und Mondlande-Vergnuegungsparks, diesen Versuchungen, Verheissungen, die doch niemals in Erfuellung gehen, oder einfach, um neue Moeglichkeiten aufzutun, alles Ueberlieferte in Frage stellen, wie zum Beispiel die Pflicht eines Paares, welches zusammen gewesen ist, sofort zu heiraten, auch wenn es sich nicht liebt, sondern nur der Gier eines hitzigen Augenblicks nachgegeben hat, oder seiner Liebe nicht sicher ist, oder sich mit einer Touristin einlassen, ganz egal ob aus Hamburger oder New York, was in der guten alten Zeit garantiert nicht vorgekommen ist, waehrend heute jeder gesunde gutgebaute Friese sich nichts schoeneres vorstellen kann, wenn sie dem Strafgesetzbuch gar, um es Stoertebeker nachzutun, sich entgegen stellen, der in den Koepfen vieler Zeitgenossen noch immer herum spukt, OFFEN hinwegsetzen, wohlgemerkt, denn wer's im Geheimen tut, im stillen Kaemmerlein, ist mit einem Piratenkapitaen gewiss nicht zu vergleichen, sondern Urteile ganz allgemeiner Art, die das Leben an sich betreffen, Fragen, mit denen sich Stoertebeker, der doch eher ein unbedarfter Raufbold gewesen ist, wahrscheinlich nicht unbeschadet beschaeftigt haette, sehr wohl aber andere Norddeutsche, nach denen hier Strassen benannt sind, Rosenbeisser zum Beispiel, um den Beruehmtesten zu nennen, der, gegen stuermische Widerstaende, als erster das Fliegen lernen wollte, und mit einer Verbissenheit, dass man sich fragt, ob er hinter dem Fliegen mehr gesehen hat als die entfernt Moeglichkeit, Mensch und Material bequemer als zu Lande ueber grosse Entfernungen zu transportieren, das Sich-Frei-Machen von den Zwaengen der Gravitation naemlich, dieser letztendlich auch heute noch raetselhaften Erscheinung, die uns an die Erde kettet, ohne sich ein Deut um unsere Gefuehle zu scheren, und vielleicht von den Zwaengen der Physik ueberhaupt, das mit-Riesentrossen-weit-in-die-Luft-sich-erheben, dass jeder Erdling, der sie von unten bestaunt und das Staunen noch nicht verlernt hat, auf die naemlichen Gedanken kommen muss, wie sie mir manchmal durch den Kopf gehen, dass naemlich hinter dem blossen Dasein, hinter dem Fliegen, dem Mond und den Sternen, mit jedem Schritt, den wir galant und charmant auf unbekanntes Terrain setzen, an 1000 Stellen um uns herum der Kosmos aufreisst, Blinken und Blitzen und feine Glockenschlaege uns rufen, die andere, prosaische Zeitgenossen, die mit einem Quixote, einem Rosalva absolut nichts anzufangen wuessten, wenn er ihnen tatsaechlich einmal ueber den Weg liefe, sie wohl fuer Trugbilder eines uebertrieben empfindsamen Gemuetes halten moegen, die aber mich, waehrend wir unter beissenden Stroemen voranschreiten, und nur gelegentlich einem Menschen begegnen, keineswegs beunruhigen, sondern, im Gegenteil, den unendlich ermuedenden Wind leichter ertragen lassen, da die Waage der Wahrheit sich zu dieser Stunde unweigerlich zu Ungunsten der Wirklichkeit zu verschieben beginnt ... Ich kenne keinen Rosenbeisser, wagte ich schuechtern einzuwenden. In den Buechern, die ich seit meiner Ankunft in Blass-Realien studiert habe, sei von einem Husumer Rosenbeisser nicht die Rede gewesen. Stellte mich hinter den Felsen. ...und wenn dann, fuhr er unwirsch fort, noch eine Blondine mit kurzgeschnittenem Haar und knallrotem Bikini, die so unerfroren aussieht, als habe sie gerade mit Ikarus die Sonne umkreist, beschwingt mir begegnet, und in diesem Schwingen gewisse Koerperteile sich besonders hervortun, und unsere Blicke hinterm Dunkel ihrer Sonnenbrille sich kreuzen, (oder auch nicht), und sie langsamer wird, das heisst, mir scheint, dass sie langsamer wird, und auch ich werde ein klein wenig langsamer, die Fragezeichen in ihren Augen sich zu Wuenschen verdichten, das heisst, mir scheint, dass sie sich verdichten, dass dies die lang erwartete, lang ersehnte Dulzinea sein koennte, koennte, sage ich, denn ganz wie in der Ferne der schnurgeraden Uferstrasse, an der die Bebauung jetzt nachlaesst und die japanischen Gelaendewagen mit ihren sagenhaften Sechszylindermotoren jetzt schneller fahren, ein Laster, ein Riesengefaehrt, aus dem silber-feucht flirrenden Horizonte sich loest, aufsteigt wie Phoenix, sich ihr Geschlecht zu einer einzigen Bitte materialisiert, zu einem einzigen Schrei, aber nur scheinbar, denn dann ist sie vorueber, und von der Bitte, vom Schrei, bleibt nichts als ein kleines Gewichtsstueck, welches, auf die Waage der ***Wahrheit gelegt, meinen verirrten Hoffnungen, den zerbrochenen Traeumen und unvergaenglichen Illusionen einen derartigen Schwung gibt, dass ich mich hinsetzen muss, weil mir vor soviel Schwung schwindelig geworden ist, ja, sofort hinsetzten. Du spinnst, sagte ich. Die Blondine hatte doch nichts zu bieten. Mindestens 50 war die. ssissuu, rss, rssiiss, uuuss, ssissuu, rss usw, einfacher Abzaehlreim, 0, 1, 2, 3, 0, 1, 2 usw, den-ken nur die Doo-wen, nein, von grossen Brechern unterbrochen, die sie zu rechnen zwangen, richtig zu rechnen, nicht wie die Kassiererinnen in den Touristenlaeden, die sich zwaengs Verstaendigungsschwierigkeiten dauernd durch Subtrackschwindel zu ihren Gunsten in den Untiefen der Geldboersen anderer Leute verloren, nicht ohne ihnen schaekernde, willig und wenn-du-nicht-Transit Begleitungmusi zuteil werden zu lassen, sondern wie bei einer ehrbaren, abstrakten und fortlaufenden Additionsaufgabe loesten sie sich ab, bei der qua definitionem nichts schiefgeht, verwirbelten mit Resten von Vorgaengern, kraftlos, noch Sand in den Schluenden, und fanden auf schlingernden Pfaden nach einfachen Gesetzen wieder zueinander: ssiissuuu und hrss macht rssiiiiss. hrss plus rssiiiiss gleich ssiissuuu. Wie man auf einer Uhr rechnen wuerde, die nur die Viertelstunden anzeigt. Denn uuuss machte alles zunichte, glaettete das tiefe, gewalt-taetige und auch tueckische Gebraeu, alles von vorn, in Ringen kreisend, zu Zwingen kneisend, in Wirbeln verheisend. Zettvier in dem Fall, aber bei anderer Formation der Felsen, wenn hier eine Rundung, dort eine Ecke mehr, hier eine laengs-links-seitige Kerbung, bei anderer Windgeschwindigkeit und -richtung und Wassertemperatur und Salz- und Sauerstoff-Gehalt auch Zettfuenf, Zettsechs, Zettzehn, ein Zetthundert kein Problem. Poseidon als Herr der Ringe. Im Meer war sie auch nicht. Kein Wunder, Mensch, dachte ich. - Suchte im Internet, im Namensverzeichnis aller gegenwaertigen, ehemaligen und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Nichts. Und als ich mit den Fingern ueber die Liste hinweg fuhr, wobei mein Herz schneller schlug, und immer aufs neue vergeblich von Seite zu Seite, wie bei einem Perpetuum Mobile, das partout nicht stehen bleiben will, fiel mir unter 'Verwaltungspersonal' der Name Rahel Kuehn in die Augen; und ich hielt es fuer denkbar, ja fuer wahrscheinlich, dass sie geheiratet und diesen Namen angenommen hatte. Hoerte die Glocken laeuten, die Musik spielen und sah sie den Braeutigam kuessen. Hass auf alle Postboten. Wusste, es war ein Fehler gewesen, ueberhaupt nachzusehen; denn nun hatte ich die Illusion ihrer Verfuegbarkeit verloren. Ich fuehlte mich leer und saftlos passiv, meinte, das imaginaere erotische Band sei fuer immer dahin, einseitig und mutwillig von ihr zerrissen. Wobei mir die Absurditaet meiner Gefuehle durchaus bewusst gewesen ist. Ich kann, wenn ich traeume, durchaus klar denken. Manchmal klarer, als wenn ich wach bin. Denn wie haette ich glauben koennen, nach einer einzigen Begegnung ... eine Frau wie sie ... die hat doch ganz andere Moeglichkeiten, hoehnte es aus allen Ecken meines Unterbewusstseins. Und ich dachte, du wirst nie wieder gluecklich sein. Es sei denn, sie laesst sich scheiden, weil ihre Ehe ungluecklich ist, oder ihm reisst ein versehentlich fallen gelassenes schweres Paket die Eier ab. Etwas von der Art. Aber wie willst du davon erfahren? Du kannst dich ja schlecht als Hausfreund in ihr Leben schleichen. Und zum Schluss klang es Raetschel, Raetschel in meinen Ohren, wie eine defekte, zu oft abgespuelte Musikkonserve. Aber es waren nur Darmwinde, die mich verhoehnten, von dem vielen Salat, den ich abends gegessen hatte. Die Belagerung von Hamburg war in militaerstrategischer Hinsicht eher untypisch, vor allem, weil sie so lange dauerte. Und weisst du, fuhr er fort, diesen Traum, so aehnlich jedenfalls, habe ich nach der Trennung noch einmal gehabt. Rahel heiratet, in weiss und aller Froehlichkeit, und ich bin weg vom Fenster. #############Dateiende#############################################